Der Weltverband des olympischen Boxens IBA hat heute (20.02.2023) eigene Qualifikationskriterien für die Olympischen Spiele 2024 in Paris veröffentlicht.
Damit ignoriert der Verband die Entscheidungen des Internationalen Olympische Komitees (IOC). Das IOC hatte nämlich im Sommer 2022 der IBA zum zweiten Mal in Folge die Zuständigkeit für den Boxsport im Rahmen der Olympischen Spiele entzogen. In Paris wird der Weltverband daher nichts zu melden haben.
IBA nicht mehr zuständig
Das schließt auch die Qualifikationswettbewerbe ein. Hier hatte das IOC festgelegt, dass sich Sportlerinnen und Sportler im wesentlichen über Erfolge im Rahmen der bevorstehenden kontinentalen Multisports-Events für Paris qualifizieren müssen – alles ohne Einbindung der IBA.
Die nun erfolgte Veröffentlichung eigener Qualifikationskriterien gegen die Beschlüsse des IOC wird man beim IOC wahlweise als Realitätsverlust oder als Provokation auffassen – oder als beides zusammen.
In dem von der IBA herbeifantasierten Qualifikationskriterien spielen die bevorstehenden Weltmeisterschaften der Frauen in Indien und der Männer in Usbekistan eine zentrale Rolle.
Immer mehr Länder boykottieren die WM
Es wächst freilich die Zahl der nationalen Boxverbände, die an diesen Turnieren gar nicht teilnehmen werden, weil die IBA unter der Führung des Russen Umar Kremlev entgegen den Richtlinien des IOC Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Weißrussland ohne jede Einschränkungen, also mit Nationalflaggen und ‑hymnen, wieder am Wettkampfbetrieb teilnehmen lässt.
IBA lockt in eine Falle
Zuletzt hatte die IBA angekündigt, jene Sportler*innen, Trainer*innen und Offizielle finanziell unterstützen zu wollen, die entgegen der Entscheidung ihrer nationalen Boxverbände an den Weltmeisterschaften teilnehmen wollen. Eine vergiftete Offerte, denn
- der Weg zu den Olympischen Spielen führt auch dieses Mal nicht über irgendeinen von der IBA herbeifantasierten Qualifikationsprozess, sondern allein über jenen Weg, den das IOC bestimmt hat.
- wahrscheinlich würden Athletinnen oder Athleten, die entgegen der Entscheidung ihrer nationalen Verbände an der WM teilnehmen, jedwede Perspektive auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen verlieren.
- bezahlt würde dies mit russischem Geld, also dem Geld jenes Staates, der vor einem Jahr in Europa einen Angriffskrieg begonnen hat. Schließlich ist der russische Staatskonzern Gazprom der einzige Geldgeber der IBA.
IBA treibt Spaltung voran
Wahrscheinlich glaubt die IBA selbst nicht daran, dass ihr nun veröffentlichter »Qualifikationsweg« zu einer Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris 2024 führen wird. Doch mit dieser Provokation des IOC schadet die IBA sich im Grunde schon gar nicht mehr, denn ihr Ruf in Lausanne dürfte sowieso völlig ruiniert sein. Der Verband will mit solchen Winkelzügen die Spaltung der Boxwelt wohl nur einen weiteren Schritt vorantreiben.
Wie reagiert das IOC?
Es bleibt abzuwarten, wann und wie das IOC reagiert. Es wäre hilfreich, wenn das IOC nun zügig den endgültigen Ausschluss der IBA aus der olympischen Familie beschließen würde und einem hoffentlich neu gegründeten Verband eine olympische Perspektive aufzeigt.
Denn solange noch letzte sportdiplomatische Fäden zwischen dem IOC und der IBA bestehen, kann der Verband leider den irrigen Eindruck erwecken, er sei an der olympischen Zukunft des Boxsports real oder potenziell noch in irgendeiner Art und Weise beteiligt. Das schafft eine Grundlage, auf der Desinformation und Drohung da oder dort noch Eindruck machen können.