Kurz nach der umstrittenen Wiederwahl des Russen Umar Kremlevs zum Präsidenten der IBA (vormals AIBA) im Mai dieses Jahres in Istanbul hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit den Worten »enough is enough« Konsequenzen gezogen: Die IBA wird zum zweiten Mal in Folge nicht mehr für das Boxturnier im Rahmen der Olympischen Spiele zuständig sein. Wie schon zuvor in Tokio wird auch in Paris 2024 das IOC diese Aufgabe übernehmen. Bei den übernächsten Sommerspielen 2028 in Los Angeles ist der Boxsport im vorläufigen Sportprogramm allerdings schon gar nicht mehr berücksichtigt – und derzeit spricht wenig dafür, dass sich dies noch ändern könnte.
Qulifikationswettbewerbe wieder in der Verantwortung des IOC
Die Zuständigkeit des IOC schließt auch die Qualifikationswettbewerbe mit ein, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des olympischen Boxturniers ermittelt werden. Das war auch im Vorfeld der Sommerspiele in Tokio schon so gewesen. Damals hatte eine vom IOC eigens eingerichtete »Boxing Task Force« (BTF) unter der Leitung des Japaners Watanabe nach einem Testturnier weltweit mehrere Qualifikationsturniere ausgerichtet. Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie erwies sich dies als eine Herkules-Aufgabe, die auch nicht ganz wie geplant zu Ende gebracht werden konnte: Turniere mussten wegen der Pandemie abgebrochen, fortgesetzt oder auch ganz abgesagt werden, der Qulifikationsmodus musste mitten im Prozess geändert werden.
IOC ernennt sowieso geplante Turniere zu Qualifikationswettbewerben
Für Paris 2024 wird das IOC bei den Qualifikationsturnieren nun andere Wege gehen, wie in einem Schreiben des IOC an die IBA vom 8. September deutlich wurde. Statt unter der Regie des IOC gleich eine ganze Reihe eigener Turniere auszurichten, will man nun in der Hauptsache auf bereits angesetzte Wettbewerbe zurückgreifen und sie in den Status von Olympiaqualifikationen heben. Das IOC benannte dafür folgende kontinentale Multi-Sport-Events:
- Panamerikanische Spiele (Santiago in Chile, 2023)
- Europäische Spiele (Krakau in Polen, 2023)
- Pazifische Spiele (Honiara auf den Salomonen, 2023)
- Asienspiele (Hangzhou in China, 2023)
- ANOCA (Afrika) (muss noch bestätigt werden)
Diese fünf kontinentalen Turniere werden um zwei noch nicht näher festgelegte Weltqualifikationsturniere ergänzt, über die ein letztes Kontingent von Startplätzen vergeben wird. Das IOC machte in seinem Schreiben deutlich, dass die IBA damit die Zuständigkeit für die fünf genannten Multi-Sport-Events verliere. Gleichwohl wird das IOC in Ermangelung eigener Kampfrichter für die Qualifikationswettbwerbe und auch das olympische Boxturnier selbst (wie schon bei den zurückliegenden Spielen in Tokio) auf sorgsam ausgewählte Offizielle des Weltverbandes zurückgreifen, sie aber für die Dienste im IOC verpflichten und genau überwachen.
Arbeitsersparnis für das IOC nach schlechten Erfahrungen vor Tokio
Mit der Entscheidung, für den Qualifikationsweg auf sowieso geplante Boxturniere zu setzen und sie hierfür unter die Aufsicht des IOC zu stellen, zieht das IOC die Lehren aus der Vergangenheit. Die Olympiaqualifikation im Boxen hatte sich – nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie – vor den Spielen in Tokio als mühselige Arbeit erwiesen, die man sich wohl nicht mehr gerne in diesem Umfang ein weiteres Mal ans Bein binden lassen mochte. So bleibt es nun bei »nur« zwei überschaubaren Weltqualifikationsturnieren, die komplett vom IOC organisiert werden müssen.
Das IOC stellte in seinem Schreiben auch klar, dass die Kosten der Qualifikationsturniere und des olympischen Boxturniers indirekt die IBA zu tragen habe, indem man die entstanden Aufwendungen mit jenen Geldern aus den Olympischen Spielen verrechnen werde, die der IBA nach einer möglichen Rückkehr in die Familie der olympischen Sportverbände zuständen.