Als olympisches Boxen (früher: Amateurboxen) bezeichnet man in Abgrenzung zum sogenannten »Profiboxen« jenes Boxen, das einheitlich unter dem Dach eines einzigen Weltverbandes und ihrer nationalen Sitzensportverbände (in Deutschland der »Deutsche Boxsport-Verband« – DBV) organisiert ist und vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannt ist.
Das olympische Boxen wurde früher »Amateurboxen« genannt. Die Bezeichnung »olympisches Boxen« hat sich inzwischen jedoch weitgehend durchgesetzt.
Der frühere Begriff »Amateurboxen« hat für alte Boxsportveteranen bis heute einen ehrenhaften Klang. Für viele Jüngere klingt es aber ein wenig antiquiert nach »Hobby« – ähnlich wie Hobbymaler. Außenstehende verstehen es außerdem oft so, als wäre das Amateurboxen nur eine qualitative Vorstufe des Profiboxens – so, wie man es von anderen Sportarten kennt, wo der Amateursport eher eine Freizeittätigkeit ist, die Profisportler hingegen so gut sind, dass sie von ihrem Sport leben können.
Profiboxen ist keine Qualitätsgarantie
Das ist aber im Boxen anders. Olympisches Boxen und Profiboxen muss man vielmehr als zwei ganz unterschiedliche boxsportliche Systeme sehen, die nebeneinander existieren. Sie unterscheiden sich vor allem im Regelwerk sowie in der Organisation des Sports durch die Verbände. Darauf gehen wir im weiteren Verlauf noch näher ein.
Sowohl im Olympischen Boxen als auch im Profiboxen gibt es Sportler*innen, die unter professionellen Bedingungen trainieren, den Sport auf Spitzenniveau betreiben und von ihrem Sport leben können. Und in beiden Bereichen gibt es eine Mehrheit von Sportler*innen, die im ganz klassischen Sinne des Wortes Amateure sind, also neben dem Sport noch anderen Berufen nachgehen. Die Vorsilbe »Profi« ist im Boxsport also eher eine Konfessionsbezeichnung als ein Qualitätsnachweis.
Lange Zeit waren das olympische Boxen und das Profiboxen (vor allem in Deutschland) sehr strikt von einander getrennt. Sportler*innen, Trainer*innen und Funktionär*innen des olympischen Boxens durften keine sportlichen Berührungspunkte mit dem Profiboxen haben, um nicht ihre Lizenzen aufs Spiel zu setzen. Das hat sich in den letzten Jahren etwas gelockert, so dass sich inzwischen beide Welten manchmal begegnen oder überschneiden können.
Undurchschaubare Strukturen im Profiboxen
Das sogenannte Profiboxen ist durch ein System unterschiedlicher und mit einander konkurrierender »Verbände« gekennzeichnet, die aber kaum im klassischen Sinne Sportverbände genannt werden können, da sie eher privatwirtschaftlich agieren.
Das Profiboxen wird von kommerziellen Interessen dominiert. Das hat direkte Auswirkungen auf den Sport, der als Ware verkauft werden soll. Die Inszenierung des Kampfes als Spektakel und einiger Sportler*innen als Held*innen sind daher oft wichtiger als die sportliche Qualität.
So kommt es (vor allem in der »Aufbauphase« von Profiboxer*innen) mit Absicht oft zu unausgewogenen Kämpfen, die für eine möglichst makellose Kampfbilanz mit vielen KO-Siegen sorgen sollen. Diese Kampfbilanzen sollen Laien dann als Ausdruck sportlicher Qualität verkauft werden.
Die Uneinheitlichkeit der Struktur führt zudem zu einer Inflation von Titeln im Profiboxen, die ein Laie gar nicht mehr durchschaut und die oft von fraglichem sportlichen Wert sind.
Wenn bei Profikämpfen viel Blut fließt, ist der Sport als Ware noch besser zu vermarkten. So werden im Profiboxen oft Kämpfe durchgeführt, die im olympischen Boxen zum Schutz des Sportlers gar nicht erst angesetzt oder schon längst abgebrochen worden wären.
Im Gegensatz dazu ist das olympische Boxen von einer einheitlichen sportlichen Struktur gekennzeichnet und entspricht damit dem Aufbau anderer bekannter Sportarten. Die Gesundheit der Athlet*innen hat im olympischen Boxen einen sehr hohen Stellenwert. Die Dauer des Kampfes ist daher auf drei Runden begrenzt. Das kommt einerseits dem Tempo und der Handlungsdichte zugute, andererseits bleiben die Boxer*innen bis zum Ende des Kampfes verteidigungsfähig. KOs sind daher im olympischen Boxen die Ausnahme – aber auch, weil Ringrichter früher als im Profiboxen eingreifen, wenn größerer Schaden drohen sollte.
Dem Profiboxen fehlt außerdem weitgehend ein »sportlicher Unterbau«, eine sportliche Basis. Ein Kinder- oder Jugendtraining mit vollen Sporthallen sucht man in einem Profiboxstall jedenfalls vergebens. Die meisten Profiboxer*innen erhielten ihre Ausbildung und Kampferfahrung zuvor im olympischen Boxen, bevor sie ins Profilager wechselten.
Eine qualitative Steigerung ist mit einem solchen Wechsel nicht zwangsläufig verbunden. Auch erfüllen sich in vielen Fällen nicht die Erwartungen auf große Verdienste. So manch eine Karriere als Profi endete über kurz oder lang sang- und klanglos im Niemandsland drittklassiger Boxgalas. Das Profiboxen ist dann wenig glamourös, sondern eine Nebenbeschäftigung. Das eigentliche Geld muss jenseits des Sports verdient werden.
Die wirklich bekannten und erfolgreichen Profiboxer*innen, die den Durchbruch geschafft haben, waren in den meisten Fällen zuvor erfolgreiche olympische Boxer: Muhammad Ali, Sugar Ray Leonard, Henry Maske, Wladimir Klitschko, Guillermo Rigondeaux und Wassyl Lomatschenko waren alle (z.T. mehrfache) Gewinner olympischer Goldmedaillen. Und die Aufzählung ist nur ein kleiner Ausschnitt.
Nach Weltmeisterschaften des olympischen Boxens und nach Olympischen Spielen werben Promoter des Profiboxens oft olympische Boxer ab – zuweilen mit Versprechungen, die sich oft später nicht erfüllen. Für das olympische Boxen sind diese Abwerbungen immer sehr ärgerlich.
Nur olympisches Boxen ist olympisch
Ein anderer wichtiger Unterschied zwischen den beiden boxsportlichen Systemen wird allerdings schon in der Bezeichnung »olympisches Boxen« deutlich: Nur das olympische Boxen ist durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) anerkannt, das Profiboxen hingegen nicht. Seine Struktur und Rahmenbedingungen genügen den schlichtweg nicht den olympischen Ansprüchen an einen Sport.
Bei den Olympischen Spielen wird also nach den Regeln des olympischen Boxens gekämpft. Allerdings: Seit den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro können auch Profiboxer*innen an den Spielen teilnehmen. Das IOC wollte mit dieser Entscheidung sichergestellt wissen, dass unabhängig von Verbänden und Eigenzuschreibungen als Profi wirklich die besten Boxer*innen einen Zugang zu den Olympischen Spielen haben. Für eine Teilnahme müssen sich die Profiboxer*innen jedoch in vorgeschalteten Turnieren des olympischen Boxens genauso qualifizieren wie alle anderen olympischen Boxer*innen auch. Eine Sonderrolle oder einen Bonus für Profis (etwa, weil sie ihre Qualität schon unter Beweis gestellt hätten) gibt es nicht.
Viele Profiboxer*innen bemühen sich jedoch gar nicht um eine Teilnahme an den Olympischen Spielen. Und von denen, die es seit 2016 versucht haben, scheiterten viele schon an der Qualifikation oder schieden dann früh im Laufe des olympischen Boxturniers aus.
Auf der einen Seite mag es für Profiboxer einfach nicht attraktiv sein, den großen Aufwand zu betreiben, um am Ende »nur« eine Medaille gewinnen zu können. Sie müssen sich dafür immerhin den Verbänden des olympischen Boxens sowie einem nationalen Olympischen Komitee unterstellen und darüber hinaus das strenge Anti-Doping-System des olympischen Sports akzeptieren.
Auf der anderen Seite mögen sie vielleicht auch Sorgen haben, im Falle des Scheiterns an »Marktwert« zu verlieren. Bekannte Namen des Profiboxens könnten vielleicht unsanft auf den Boden der Tatsachen landen, wenn sie bereits in einem vorgelagerten Qualifikationsturnier oder bei den Olympischen Spielen selbst schon früh ausscheiden.
Olympische Spiele
Das Boxturnier im Rahmen der olympischen Spiele hat in unserem Sport mit Abtand den größten sportlichen Stellenwert. Eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen zu gewinnen, dürfte der größte sportliche Traum aller Boxer*innen sein.
Dabei ist das olympische Boxturnier kleiner als die Weltmeisterschaften (s.u.). Es wird nämlich nur in ausgewählten Gewichtsklassen und mit einer Höchstzahl an Boxer*innen ausgetragen, während bei den Weltmeisterschaften alle Nationen in allen Gewichtsklassen Boxer*innen zum Turnier melden können.
Diese Limitierung der Startplätze macht es erforderlich, dass sich die Boxer*innen in den ausgewählten olympischen Gewichtsklassen vorab in vorgeschalteten großen kontinentalen Turnieren durch Wettkampferfolge qualifizieren müssen. Diese gnadenlose »Auslese« sorgt dafür, dass am Ende bei den Olympischen Spielen wirklich nur die besten Boxer*innen aller Kontinente starten.
Der Stellenwert der Olympischen Spiele und ihre Bedeutung für die staatliche Unterstützung des Spitzensports ist in vielen Ländern so hoch, dass sich auf nationaler Ebene die meisten sportlichen Planungen dem so genannten olympischen Zyklus (alle vier Jahre sind Olympische Spiele) einfügen müssen.
Spitzensport im olympischen Boxen
In den olympischen Sportarten, in denen wegen einer geringeren Vermarktbarkeit wenig Geld verfügbar ist, ist die Entwicklung der Spitzenleistung in starkem Maße von staatlicher Unterstützung abhängig.
Vor allem das für Sport zuständige Bundesinnenministerium bezuschusst die Arbeit der Sportverbände, die über die Verwendung der Mittel genaue Nachweise führen müssen.
Aus diesen Förderleistungen können (oft in Verbindung mit weiteren Förderungen) Trainingsstützpunkte, Trainingsmaßnahmen, Trainergehälter, Reisekosten für Wettkampfteilnahmen u.v.m. bezahlt werden. Von dieser staatlichen Förderung profitiert auch der Deutsche Boxsport-Verband, da Boxen eine olympische Sportart ist.
Darüber hinaus hat der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) die Möglichkeit, eine bestimmte Zahl von Spitzensportler*innen für die Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr vorzuschlagen.
Nach einer Grundausbildung können diese »Sportsoldat*innen« sich dann an den Bundesstützpunkten des DBV ganz dem Training und dem Wettkampf widmen. Ihr Lebensunterhalt ist durch den Sold gesichert, den sie als Soldat*innen erhalten. Neigt sich die sportliche Karriere dem Ende entgegen, können sie berufsqualifizierende Maßnahmen in Anspruch nehmen, um sich auf ein Leben nach dem Leistungssport und nach der Bundeswehr vorzubereiten.
Auch die Bundesländer, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Deutsche Sporthilfe sind wichtige Unterstützer des olympischen Boxsports.
Aus dem Status des olympischen Boxens als olympische Sportart und seiner Zugehörigkeit zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ergibt sich, dass es den strengen Anti-Doping-Regeln der WADA und der NADA unterliegt.
Vor allem jene Athlet*innen, die der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) auf internationaler Ebene für Wettkämpfe einsetzt, unterliegen (wie auch die Spitzensportler*innen der anderen olympischen Sportarten) einem engmaschigen Netz aus Kontrollen und müssen z.B. der NADA gegenüber stets ihren Aufenthaltsort angeben, damit sie für unangekündigte Kontrollen angetroffen werden können.
Klassischer Vereinssport
Man findet in vielen privatwirtschaftlich betriebenen Sportschulen oder Fitnessstudios Boxangebote, oft in Form von zeitlich begrenzten Kursen. Dies ist jedoch kein olympisches Boxen, da sie aufgrund ihres kommerziellen Hintergrundes (kommerziell = es gibt Inhaber*innen, die mit dem Sportangebot Gewinnabsichten verbinden) nicht Teil der in Deutschland etablierten und staatlich geförderten Sportstruktur sein können.
In Deutschland ist das olympische Boxen vielmehr ein klassischer Vereinssport wie z.B. Fußball, Handball oder Volleyball etc. Die Vereine bilden die sportliche Basis. Sie sind
- sportfachlich in einem der 17 Landesverbände des olympischen Boxens organisiert. Diese Landesverbände sind wiederum im Deutschen Boxsport-Verband (DBV) zusammengefasst. Der DBV gehört wiederum einem europäischen Kontinentalverband und einem Weltverband an. Außerdem ist der DBV Teil des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
- überfachlich dem Stadt- oder Kreissportbund angeschlossen, der dem Landessportbund angehört. Der Landessportbund gehört dem Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) an, der als Nationales Olympische Komitee wiederum dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) angehört.
Bundesweit sind im Deutschen Boxsportverband (DBV) bzw. seinen angeschlossenen Landesverbänden in über 800 Vereinen etwa 80.000 Mitglieder organisiert. Die Mitgliedsbeiträge in diesen Vereinen sind i.d.R. moderat. Im Vereinssport spielt der Gedanke der Gemeinnützigkeit eine dominierende Rolle. Jeder Sportverein ist abhängig von der Bereitschaft zur Übernahme freiwilliger Aufgaben und längerfristiger Ehrenämter. Boxen ist als Vereinssport also keine teure Angelegenheit.
Wettkampf stellt die Ausnahme dar
Aus den oben genannten Zahlen errechnet sich, dass der durchschnittliche Boxverein in Deutschland etwa 80 bis 90 Mitglieder hat. Allerdings darf man diese Zahl nicht mit der Zahl der aktiven Sportler*innen oder gar Wettkämpfer*innen gleichsetzen. Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Mitgliedern sind in allen Vereinen passive Mitglieder, die früher vielleicht einmal trainiert haben, irgendwann jedoch aus beruflichen oder privaten Gründen keine Zeit mehr finden, »ihrem Verein« als Mitglied aber weiterhin die Treue halten.
Dazu kommt, dass in den Boxvereinen viele den Sport betreiben, um Spaß zu haben und fit zu bleiben, aber nicht, um Wettkämpfe auszutragen. Denn Wettkämpfe sind im Boxsport mit besonderen physischen und mentalen Herausforderungen verbunden und bedeuten auch für den Verein stets einen besonderen Aufwand. Man wird die Zahl aktiver Wettkämpfer*innen im deutschen Boxsport über alle Altersklassen hinweg vielleicht mit etwa 4.000 Personen annehmen dürfen. Genaue Zahlen hierzu gibt es aber nicht. Der Boxsport ist in dieser Hinsicht also eher eine Randsportart.
Lizenzierte Trainer
Das das olympische Boxen in Deutschland dem klassischen Sportsystem des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) angehört, gilt in seinem Bereich auch das System der DOSB-Trainer*innen-Lizenzen:
- C‑Lizenz DOSB (untere Ebene)
- B‑Lizenz DOSB (mittlere Ebene)
- A‑Lizenz DOSB (obere Ebene)
- Diplom-Trainer (Spitzen-Ebene)
Bei Wettkämpfen dürfen nur lizenzierte Trainer*innen in der Ringecke sein. Die Lizenzen müssen durch regelmäßige Fortbildungen verlängert werden.
Der Wettkampfbetrieb
Für viele, die klassische Mannschaftssportarten kennen, ist es überraschend, dass der Wettkampfbetrieb im olympischen Boxsport ganz überwiegend nicht in Ligen stattfindet. Es gibt zwar eine Box-Bundesliga, aber die Teilnahme daran ist eine freiwillige Entscheidung. Nur eine kleine Handvoll von Vereinen nehmen an dieser Liga teil. Unterhalb dieser Bundesliga gibt es (von wenigen regionalen Ausnahmen gelegentlich abgesehen) keine weiteren Ligen.
Der ganz überwiegende Teil des Wettkampfbetriebes findet hingegen im Rahmen von singulären Boxveranstaltungen statt, die Vereine ausrichten und zu denen sie andere Vereine zur Teilnahme einladen. Die eingeladenen Vereine melden ihre Wettkämpfer*innen zu diesen Veranstaltungen und die Ausrichter setzen aus den eingegangenen Meldungen die Kämpfe an.
Bei der Ansetzung der Kämpfe müssen das Geschlecht, die Alters- und Gewichtsklassen sowie die boxerische Erfahrung der Sportler*innen berücksichtigt werden: Man versucht, etwa vergleichbare starke Boxer*innen für Kämpfe zusammenzubringen.
Viele der eingegangenen Meldungen passen unter diesen Gesichtspunkten gar nicht zusammen: Aus 150 gemeldeten Sportler*innen kommen daher oft nur 15 oder 20 Kämpfe zustande. Das heißt, dass nur 30 oder 40 Sportler*innen berücksichtigt werden. Die anderen gut 100 Sportler*innen gehen jedoch leer aus und müssen darauf hoffen, dass sie bei anderen Veranstaltungen zum Zuge kommen.
Der Wettkampfbetrieb ist im olympischen Boxen medizinisch streng überwacht: Alle Wettkämpfer*innen werden einmal jährlich gründlich ärztlich untersucht. Ohne ein positives Attest dürfen sie keine Wettkämpfe bestreiten. Am Tag des Wettkampfes erfolgt eine weitere ärztliche Untersuchung. In den Ring darf nur, wer auch diese Hürde genommen hat. In den jüngeren Altersklassen gibt es außerdem Bestimmungen zu der Anzahl der Kämpfe, die im Jahr bestritten werden dürfen, sowie zu den Mindestabständen zwischen Wettkämpfen.
Dass KOs selten vorkommen, wurde zuvor schon erwähnt. Es gibt Turniere mit mehreren Hundert Kämpfen, bei denen vielleicht nur 3 oder 4 Kämpfe durch KO entschieden werden. Meist sind es auch dann keine KOs mit Bewusstlosigkeit. Dennoch: Endet ein Kampf mal mit KO, wird eine mehrwöchige Sperre verhängt, die auch für Sparring gilt. Im Wiederholungsfall verlängert sich die Sperre relevant.
Großer Aufwand für Wettkämpfe
Wenn man Pech hat, kommt man mehrfach hintereinander trotz Meldungen nicht zu Kämpfen. Eine der wichtigsten Eigenschaften, die Wettkämpfer*innen im Boxsport entwickeln müssen, ist also die Geduld und die Frustrationstoleranz.
Unter diesen Umständen ist es schon sehr außergewöhnlich, wenn man es im Jahr auf vielleicht 15 oder 20 Kämpfe bringt. Vor allem wenn man bedenkt, dass die meisten Wettkampfveranstaltungen im Frühjahr und im Herbst stattfinden, es aber im Sommer und rund um die Weihnachtszeit ruhiger wird. Manche Wettkämpfer*innen kommen auch nur auf 2 bis 4 Kämpfe im Jahr. Tritt jemand in einer Gewichtsklasse an, in der es gar nicht viele Gegner*innen gibt, braucht es viel Geduld und auch eine hohe Reisebereitschaft.
Weil es nicht so viele Boxvereine wie z.B. Fußballvereine gibt, ist man im Boxsport schnell weitere Strecken unterwegs – vielleicht sogar nur für einen einzigen Kampf. Das bedeutet für Sportler*innen und auch Trainer*innen einen hohen Zeiteinsatz und für den Verein einen hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand.
Dieser große Aufwand sowie die sehr exponierte Wettkampfsituation (man könnte ebenso zugespitzt wie nicht ganz zutreffend sagen, dass man sich öffentlich auf einer Bühne »prügelt« und dafür am Ende bewertet wird) haben zur Folge, dass in den meisten Boxvereinen nur eine kleine Minderheit den Boxsport als Wettkampfsport betreibt. Die große Mehrheit aber boxt, um am Sport Spaß zu haben und mit ihm fit zu bleiben. Als Teil der Trainingsgemeinschaft sowie als Trainingspartner der ambitionierteren Sportler*innen spielen sie aber eine wichtige Rolle.
Boxveranstaltungen der Vereine
Ebenso wie Teilnahme an Boxveranstaltungen ist auch ihre Ausrichtung freiwillig: Kein Verein wird dazu gezwungen. Viele Vereine machen daher nur eine Veranstaltung im Jahr, manche noch seltener oder nie, nur wenige Vereine veranstalten mehrfach im Jahr.
Dazu muss man allerdings wissen: Für die Vereine ist die Durchführung einer eigenen Boxveranstaltung immer ein großer planerischer und technischer Aufwand, bei dem viele Mitglieder Aufgaben übernehmen müssen. Für den Transport des zerlegten Boxrings muss oft ein Lkw gemietet werden, für den Auf- und Abbau des Rings müssen mehrere Leute mehrere Stunden arbeiten. Manche Vereine haben gar keinen eigenen wettkampftauglichen Boxring, andere Vereine finden wiederum keine geeignete Wettkampfstätte, die ihnen an einem Samstag (dem klassischen Wettkampftag im Boxen) den ganzen Tag zur Verfügung steht.
Zeitreise in den nicht durchkommerzialisierten Sport
Boxveranstaltungen des olympischen Boxens umfassen in der Regel 15 bis 20 Kämpfe und dauern somit mehrere Stunden. Meistens werden sie (auch hierin ganz der klassische Vereinssport) in normalen Schulturnhallen durchgeführt.
Dabei gibt es eine bunte Mischung aus ganz unterschiedlichen Kämpfen: Kinder, Jugendliche und Erwachsene boxen auf denselben Veranstaltungen. Frauen ebenso wie Männer (Frauen allerdings seltener, da Boxen immer noch eine männlich dominierte Sportart ist).
Auch das Leistungsniveau ist in der Regel sehr unterschiedlich: Auf ein und derselben Veranstaltung kann man blutige Anfänger und manchmal deutsche Meister nacheinander im Ring sehen. Das hat eine ganz eigene Attraktivität: In den Kämpfen der Anfänger*innen bewundert man eher den Mut der Beteiligten und fühlt mit ihrer Aufregung, in den Kämpfen der Erfahrenen genießt man vielleicht mehr die Schönheit des Sports.
Die Eintrittspreise sind günstig (i.d.R. zwischen 5 und 15 EUR), meist hat man freie Platzwahl. Wer rechtzeitig kommt, kann vielleicht direkt am Ring in der ersten Reihe sitzen.
Veranstaltungen des olympischen Boxens sind oft eine charmante Zeitreise zurück in den noch nicht durchkommerzialisierten Sport – ohne Klatschpappen und animierende Maskottchen. Wer Filterkaffee mit Dosenmilch sowie Bockwürste, Frikadellen und belegte Brötchen mag, der kommt bei solchen Veranstaltungen auch kulinarisch auf seine Kosten. Menschen, die sich vegan ernähren, hingegen eher nicht.
Nicht ganz einfach ist es, von solchen Boxveranstaltungen überhaupt zu erfahren. Auch wenn sie in der Regel öffentlich sind: Die meisten Boxvereine haben sich an den Status der Randsport gewöhnt. Geworben wird für die Veranstaltungen also eher in den eigenen Netzwerken. Besser organisierte Landesverbände haben auf ihrer Website vielleicht einen Veranstaltungskalender mit aktuellen Terminen von Wettkampfveranstaltungen.
Deutsche Meisterschaften
Die jährlichen Meisterschaften im Boxen werden auf Landesverbandsebene (bei großen Landesverbänden vorher auch auf untergeordneten Bezirksebenen) und auf Bundesebene ausgetragen.
Zu den Meisterschaften auf Landesverbandsebene werden die Sportler*innen durch die Vereine gemeldet. Zu den Meisterschaften auf Bundesebene melden die Landesverbände die Athlet*innen.
Dabei hat jede Altersklasse (mit Ausnahme der jüngsten Altersklasse U13) ihre eigene Meisterschaft: Es gibt also Meisterschaften in den Altersklassen U15, U17, U19 und bei den Erwachsenen. Dazu kommen auf Bundesebene noch Meisterschaften in den besonderen Altersklassen U18 und U22, die ansonsten aber im Wettkampfbetrieb keine Rolle spielen.
In den Meisterschaften einer Altersklasse bilden die Gewichtsklassen eigenständige Turniergruppen. Es gibt also mehrere Meistertitel. Daher spricht man im Boxen von den Meisterschaften oft in der Mehrzahl: Meisterschaften statt Meisterschaft. Typische Bezeichnungen von Meisteriteln wäre also: »Deutsche Meisterin 2024 der Altersklasse U17 im Bantamgewicht« oder »Landesmeister NRW 2022 der männlichen U19 im Halbschwergewicht«.
Im olympischen Boxen sind Meisterschaften in der Regel mehrtägige Turniere, die vom ersten Tag an im »KO-Modus« ausgetragen werden. Eine Gruppenphase, wie man es z.B. von einer Europameisterschaft im Fußball kennt, gibt es im Boxen nicht. Eine Niederlage führt dazu, dass man aus dem Turnier ausscheidet (daher »KO-Modus«). Wie viele Kämpfe man bestreiten (und vor allem gewinnen) muss, um einen Meistertitel zu bekommen, hängt davon ab, wie groß die Turniergruppe ist.
Tritt man in einer Gewichts- und Altersklasse an, in der die Konkurrenz sehr gering ist, kann man auf Landesverbandsebene vielleicht das Turnier schon direkt im Halbfinale oder gar Finale beginnen. Mit einem einzigen Turnierkampf, den man gewonnen hat, ist man dann schon Meister*in geworden. Und mit einem einzigen Kampf, den man verloren hat, Vizemeister*in. Zur objektiven Beurteilung der sportlichen Leistung gehört also in solchen Fällen ein wenig Hintergrundwissen.
In großen Landesverbänden oder auf Bundesebene kann es schon anders aussehen. Da werden die Teilnehmerfelder größer und der Weg zum Titel damit länger. Auch wenn Titel dort schwieriger zu erreichen sind: Der Leistungsentwicklung im Boxport nutzt es, wenn die Konkurrenz größer und der Weg zum Titel damit länger ist.
Weltmeisterschaften
Natürlich gibt es im olympischen Boxen auch Kontinental- und Weltmeisterschaften – und das auch in den verschiedenen Altersklassen (augenommen die ganz jungen Altersklassen).
Diese Turniere sind sehr große Veranstaltungen. An den Weltmeisterschaften der erwachsenen Männer 2023 in Taschkent (Usbekistan) haben z.B. 538 Boxer aus 107 Nationen in 13 Gewichtsklassen teilgenommen. Bis in allen 13 Gewichtsklassen in den Finalkämpfen die Entscheidungen über Gold und Silber fielen, waren 525 Kämpfe erforderlich gewesen. Ein solches Turnier zieht sich über einen Zeitraum von fast zwei Wochen hin. An jedem Wettkampftag (mit Ausnahme der Halbfinal- und Finalkämpfe) wird in drei täglichen Veranstaltungen in zwei Ringen parallel geboxt.
Die größte Turniergruppe bei der Männer-WM 2023 war das Halbmittelgewicht (bis 71 kg) mit 59 gemeldeten Boxern. In einer so großen Turniergruppe startet der Wettbewerb im 1/32-Finale (»Round of 64«). Von dort bis zum Finale muss der spätere Titelträger sechs Kämpfe in Folge gewinnen – und zwar gegen die besten Boxer der anderen Nationen mit von Runde zu Runde wachsender Schwierigkeit, weil sich die besseren Boxer durch wiederholte Siegleistungen buchstäblich nach vorne boxen. Die Gegner kann man sich dabei nicht aussuchen, denn das Turnier wird ausgelost.
Unter solchen Bedingungen eine Meisterschaft zu gewinnen, darf sportlich ungleich höher eingeschätzt werden als im so genannten Profiboxen, wo der Titel in einem einzelnen Kampf gewonnen bzw. verteidigt wird und der Gegner entweder durch den Verband (wenn es eine Pflichtverteidigung ist) oder durch den Titelträger selbst (wenn es eine freiwillige Verteidigung) ausgesucht wird. So oder so entscheidet sich am grünen Tisch, wer der Gegner ist – und nicht in einem objektiven Verfahren der Auslosung innerhalb eines großen Teilnehmerfeldes.
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