Hin­weis
Das Inter­na­tio­na­le Olym­pi­sche Komi­tee (IOC) hat im Juni 2019 den Welt­ver­band des Olym­pi­schen Boxens IBA (damals noch AIBA) vor­erst aus der Gemein­schaft der olym­pi­schen Sport­ver­bän­de aus­ge­schlos­sen. Boxen blieb den­noch 2021 in Tokio eine olym­pi­sche Sport­art. Das Tur­nier wur­de jedoch in der Ver­ant­wor­tung des IOC selbst orga­ni­siert. Grund für den Aus­schluss waren mani­pu­lier­te Kampf­rich­ter­ent­schei­dun­gen bei den Spie­len in Rio 2016, die Über­schul­dung des Ver­ban­des sowie Män­gel bei den Grund­sät­zen einer guten und trans­pa­ren­ten Ver­bands­füh­rung. Das IOC hat­te der IBA (damals noch AIBA) die Reform des Ver­ban­des auf­er­legt, war aber mit dem Fort­schritt der Din­ge nicht zufrie­den, so dass es im Früh­som­mer 2019 zu die­ser Ent­schei­dung kam. Die Kri­tik­punk­te bestehen aus Sicht des IOC bis heu­te fort, so dass die Sus­pen­die­rung der IBA immer noch in Kraft ist. Inzwi­schen zeigt sich das IOC zudem besorgt über eine mög­li­che Abhän­gig­keit des Welt­ver­ban­des von rus­si­scher Poli­tik. In Paris 2024 wird das IOC ein zwei­tes Mal das Box­tur­nier selbst aus­rich­ten. Für Los Ange­les 2028 ist der Box­sport wegen der fort­ge­setz­ten Pro­ble­me bereits nicht mehr im vor­läu­fi­gen Pro­gramm der Olym­pi­schen Spie­le. Mehr Infor­ma­tio­nen hier (Samm­lung von Berich­ten, Link öff­net sich in neu­em Browserfenster).

Als olym­pi­sches Boxen (frü­her: Ama­teur­bo­xen) bezeich­net man in Abgren­zung zum soge­nann­ten »Pro­fi­bo­xen« jenes Boxen, das ein­heit­lich unter dem Dach der IBA und ihrer natio­na­len Fach­ver­bän­de (in Deutsch­land der »Deut­sche Box­sport-Ver­band« – DBV) orga­ni­siert ist und vom Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tee (IOC) aner­kannt ist.

In Deutsch­land ist das olym­pi­sche Boxen ein klas­si­scher Ver­eins­sport wie z.B. Fuß­ball, Hand­ball oder Vol­ley­ball auch. Bun­des­weit sind im DBV und sei­nen ange­schlos­se­nen Lan­des­ver­bän­den in 827 Ver­ei­nen knapp 76.000 Box­sport­ler orga­ni­siert (Stand Janu­ar 2017, Quel­le: DOSB). Sie trai­nie­ren und bestrei­ten ihre Wett­kämp­fe oft in Schul­sport­hal­len, in denen an ande­ren Tagen z.B. Bad­min­ton oder Tisch­ten­nis gespielt wird.

Box­ver­an­stal­tun­gen des olym­pi­schen Boxens sind meist gan­ze Kampf­aben­de mit 10–20 Kämp­fen. Kin­der, Jugend­li­che und Erwach­se­ne, Anfän­ger und Fort­ge­schrit­te­ne boxen auf der­sel­ben Ver­an­stal­tung. Die Ein­tritts­prei­se sind güns­tig, meist hat man freie Platz­wahl. Wer Fil­ter­kaf­fee mit Dosen­milch sowie Bock­würs­te und Fri­ka­del­len mag, der kommt bei sol­chen Ver­an­stal­tun­gen auch kuli­na­risch auf sei­ne Kosten.

Im Ver­gleich zum soge­nann­ten »Pro­fi­bo­xen« steht beim olym­pi­schen Boxen der Schutz der Ath­le­ten, der sport­li­che Gedan­ke und der objek­ti­ve Leis­tungs­ver­gleich deut­li­cher im Mit­tel­punkt. Aspek­te der Ver­mark­tung (Kampf­bör­sen, Ver­trä­ge, kon­kur­rie­ren­de Ver­bän­de, TV-Rech­te etc.) spie­len hin­ge­gen (nicht zuletzt wegen der gerin­ge­ren öffent­li­chen Beach­tung) kaum bzw. nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Wett­kämp­fe im olym­pi­schen Boxen sind daher weni­ger auf Show und Effek­te zugeschnitten.

Meis­ter­schaf­ten

Meis­ter­schaf­ten im olym­pi­schen Boxen wer­den im Gegen­satz zum »Pro­fi­bo­xen« nicht etwa dadurch gewon­nen oder ver­tei­digt, dass ein vom Ver­band gesetz­ter Her­aus­for­de­rer (Pflicht­ver­tei­di­gung) oder ein vom Titel­in­ha­ber selbst gewähl­ter Geg­ner (frei­wil­li­ge Ver­tei­di­gung) in einem ein­zel­nen Kampf besiegt wer­den muss.

Ein Titel­ge­winn im olym­pi­schen Boxen setzt viel­mehr vor­aus, dass man auf der Grund­la­ge einer bereits erfolg­rei­chen Kar­rie­re im Ver­lauf eines mehr­tä­gi­gen Tur­niers jeden sei­ner Geg­ner besiegt. Wer dabei auf wen trifft, ergibt sich allein aus der anfäng­li­chen Aus­lo­sung und den Ergeb­nis­sen der Kämp­fe im lau­fen­den Turnier.

Ein lan­ger Weg bis zum Titel: Das Bild zeigt die Aus­lo­sung für die Gewichts­klas­se Halb­flie­gen­ge­wicht bei der WM 2017: 23 Natio­nen hat­ten in die­ser Gewichts­klas­se Sport­ler gemel­det. Die Kämp­fer ver­teil­ten sich nach der Aus­lo­sung auf 2 Fel­der (rechts und links). Bis zum Titel galt es alle 5 Tur­nier­run­den gegen jeweils hoch­klas­si­ge Kon­kur­renz sieg­reich zu bestehen.

Eine Welt­meis­ter­schaft im olym­pi­schen Boxen wird alle 2 Jah­re in allen 10 Gewichts­klas­sen aus­ge­tra­gen. Bei der WM 2017 in Ham­burg star­te­ten z.B. 243 Boxer aus 75 Natio­nen. In über 250 Kämp­fen wur­den die Gold‑, Sil­ber- und Bron­ze­me­dail­len ausgeboxt.

Um die erfor­der­li­che Anzahl der Kämp­fe über­haupt in einer ange­mes­se­nen Zeit bewäl­ti­gen zu kön­nen, wer­den die Kämp­fe der ers­ten Tur­nier­run­den par­al­lel in zwei Box­rin­gen aus­ge­tra­gen. Erst ab den Vier­tel­fi­na­len redu­ziert es sich auf einen Ring.

Die­ser Weg zu Titeln darf im Ver­gleich zu Ein­zel­an­set­zun­gen grund­sätz­lich als siche­rer gegen Mani­pu­la­tio­nen und Täu­schun­gen gel­ten. Auch bei den olym­pi­schen Spie­len ist der Wett­be­werb als ein gro­ßes, mehr­tä­gi­ges Tur­nier ange­setzt. Ein­zi­ger Unter­schied: Es sind nicht alle Gewichts­klas­sen im olym­pi­schen Wett­be­werb ver­tre­ten. Eine olym­pi­sche Gold­me­dail­le zählt daher unbe­strit­ten zu den größ­ten über­haupt im Box­sport erreich­ba­ren Erfolgen.

Staat­li­che Förderung

Weil im olym­pi­schen Boxen dem Schutz der Ath­le­ten und dem objek­ti­ven Leis­tungs­ver­gleich ein höhe­rer Stel­len­wert zukommt als im soge­nann­ten »Pro­fi­bo­xen«, kön­nen z.B. in Deutsch­land aus­schließ­lich erfolg­rei­che olym­pi­sche Boxer in den Genuss der staat­li­chen Sport­för­de­rung kom­men (z.B. durch Auf­nah­me in die Sport­för­der­grup­pen der Bun­des­wehr und der Bun­des­po­li­zei, durch Geld­mit­tel des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums sowie des DOSB und der Deut­schen Sporthilfe).

Nur das olym­pi­sche Boxen erhält För­de­rung durch die öffent­li­che Hand. Ver­ständ­lich, denn Steu­er­gel­der sol­len kei­nen Sport unter­stüt­zen, der im kom­mer­zi­el­ler Absicht betrie­ben wird. Zen­tra­le Säu­len der Unter­stüt­zung sind das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, die Deut­sche Sport­hil­fe und der Deut­sche Olym­pi­sche Sportbund.

Ande­re Zie­le, ande­re Regeln

Gra­vie­ren­de Unter­schie­de zwi­schen dem olym­pi­schen Boxen und dem soge­nann­ten »Pro­fi­bo­xen« exis­tie­ren auch im Regel­werk bzw. in der prak­ti­schen Aus­le­gung und Anwen­dung der Regeln. In Spe­ku­la­ti­on auf wirk­mäch­ti­ge Bil­der und der damit ver­bun­de­nen Ver­markt­bar­keit des Spor­tes wer­den im soge­nann­ten »Pro­fi­bo­xen« die Kämp­fe sehr viel häu­fi­ger bis zum KO geführt: ein blu­ti­ger Kampf sichert Ein­schalt­quo­ten – und eine hohe Ein­schalt­quo­te sorgt wie­der­um für hohe Werbeeinnahmen.

Dem sport­li­chen Wert eines Kamp­fes dient dies weni­ger, der Gesund­heit der Ath­le­ten schon gar nicht. Das soge­nann­te »Pro­fi­bo­xen« ist also nicht als sport­li­che Spit­ze des Boxens anzu­se­hen, son­dern viel­mehr als par­al­lel exis­tie­ren­de Struk­tur mit ande­ren Schwer­punk­ten und Zie­len. Der augen­fäl­ligs­te Unter­schied ist aber viel­leicht, dass im olym­pi­schen Boxen nicht mit frei­em Ober­kör­per geboxt wird.

Olym­pi­sches Boxen und »Pro­fi­bo­xen«: Zwei Welten

Lan­ge Zeit bestan­den für Ath­le­ten, Trai­ner, Kampf­rich­ter und Funk­tio­nä­re des Olym­pi­schen Boxens abso­lu­te Kon­takt­ver­bo­te zum »Pro­fi­bo­xen«. In letz­ter Zeit hat sich das olym­pi­sche Boxen auf Druck des IOC dem »Pro­fi­bo­xen« jedoch etwas geöff­net. Das IOC argu­men­tier­te, dass Boxen die letz­te olym­pi­sche Sport­art sei, in der wegen der par­al­le­len Ver­bands­struk­tu­ren nicht sicher­ge­stellt wäre, dass die bes­ten Boxer unab­hän­gig von den Ver­bän­den Zugang zur Olym­pia­de hätten.

»Pro­fi­bo­xen« ist nicht die qua­li­ta­ti­ve Spitze

Die AIBA (heu­te IBA) rich­te­te dar­auf­hin vor den Olym­pi­schen Spie­len 2016 (Rio de Janei­ro) ein Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nier aus, in dem sich »Pro­fi­bo­xer« im sport­li­chen Ver­gleich mit olym­pi­schen Boxern für die Olym­pia­de qua­li­fi­zie­ren konn­ten. Vie­le nam­haf­te »Pro­fi­bo­xer« moch­ten sich die­ser Qua­li­fi­ka­ti­on nicht stel­len. Von denen, die es taten, konn­ten sich vie­le am Ende nicht für eine Teil­nah­me in Rio qua­li­fi­zie­ren. Das olym­pi­sche Boxen steht also im Hin­blick auf die sport­li­che Qua­li­tät kei­nes­wegs hin­ter dem »Pro­fi­bo­xen« zurück.

Es lei­det aber dar­an, in vie­len Fäl­len immer noch als »Ama­teur­bo­xen« bezeich­net zu wer­den. Eine Beti­telung, die (zumal im begriff­li­chen Ver­gleich zum soge­nann­ten »Pro­fi­bo­xen«) eine gerin­ge­re sport­li­che Qua­li­tät sug­ge­riert. »Ama­teur­bo­xer«, das klingt im Ohr des­je­ni­gen, der mit dem Boxen nicht vetraut ist, doch eher wie »Hob­by­ma­ler«. Dabei trai­niert die Leis­tungs­spit­ze des olym­pi­schen Boxens natür­lich mehr­fach täg­lich an den Olym­pia­stütz­punk­ten unter pro­fes­sio­nel­len Bedingungen.

Der selbst ver­lie­he­ne Begriff »Pro­fi­bo­xen« ermög­licht hin­ge­gen geschickt die Eigen­ver­mark­tung als ver­meint­li­cher Spit­zen­sport und sichert eine media­le Beach­tung und damit ver­bun­de­ne Erlö­se. Dabei ist der Öffent­lich­keit meist nicht bewusst, dass der Box­sport so ziem­lich die ein­zi­ge Sport­art sein dürf­te, wo die Bezeich­nung »Pro­fi« nicht für die Leis­tungs­spit­ze der betref­fen­den Sport­art steht, son­dern eigent­lich nur eine par­al­le­le Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur bezeichnet.

Das olym­pi­sche Boxen lei­det zudem dar­un­ter, dass nach den sport­li­chen Höhe­punk­ten des olym­pi­schen Boxens (Olym­pi­sche Spie­le, Welt­meis­ter­schaf­ten) regel­mä­ßig erfolg­rei­che olym­pi­sche Boxer ins Pro­fi­la­ger abge­wor­ben wer­den. Oft mit dem Ver­spre­chen einer finan­zi­ell attrak­ti­ven Kar­rie­re als Box­pro­fi. Eine Aus­sicht, die sich für vie­le aber nicht erfüllt. Zu den wirk­li­chen dau­er­haf­ten Spit­zen­ver­die­nern im »Pro­fi­bo­xen« zäh­len nur sehr wenige.


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