IOC: NOCs sol­len Ver­bin­dun­gen zu Box­ver­bän­den der IBA kappen

Der Druck auf Nationalverbände steigt

Mit der Nie­der­la­ge der IBA vor dem schwei­ze­ri­schen Bun­des­ge­richt wur­de das letz­te Rechts­mit­tel gegen den Aus­schluss des frü­he­ren Welt­ver­ban­des ausgeschöpft. 

Damit ist nun end­gül­tig klar: Die IBA wird mit den Olym­pi­schen Spie­len nichts mehr zu tun haben. Eben­so klar ist: Das Inter­na­tio­na­le Olym­pi­sche Komi­tee (IOC) wird das Box­tur­nier im Rah­men der Olym­pi­schen Spie­le nach Tokyo 2021 und Paris 2024 nicht noch ein drit­tes Mal in eige­ner Regie ausrichten. 

Boxen ist aktu­ell nicht mehr im olym­pi­schen Programm

Stand jetzt ist der Box­sport nach all den Strei­tig­kei­ten und dem Aus­schluss der IBA bei den kom­men­den Spie­len 2028 in Los Ange­les (USA) über­haupt gar nicht mehr im (frei­lich noch vor­läu­fi­gen) Sport­pro­gramm vertreten.

Um die Chan­ce zu wah­ren, dass der Box­sport wie­der in das Pro­gramm der Olym­pi­schen Spie­le zurück­keh­ren kön­ne, müss­ten sich die natio­na­len Box­ver­bän­de in hin­rei­chen­der Zahl in einem neu­en und vor allem inte­gren Welt­ver­band zusam­men­schlie­ßen, so das IOC.

Einen Zeit­rah­men umriss das IOC dabei auch: Anfang 2025 müs­se ein sol­cher Ver­band für das IOC erkenn­bar sein, um noch recht­zei­tig vor Los Ange­les 2028 Gesprä­che über sei­ne Aner­ken­nung füh­ren zu können.

Die recht­li­che Klar­heit, die mit der Ent­schei­dung des schwei­ze­ri­schen Bun­des­ge­richts her­ge­stellt wur­de, und der knap­pe Zeit­raum, der bis zur Dead­line Anfang 2025 ver­bleibt, mögen das IOC ver­an­lasst haben, sich am 30. Sep­tem­ber 2024 mit einem Schrei­ben an die Natio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees (NOC) zu wenden.

NOCs sol­len sich von IBA-Mit­glie­dern trennen 

In die­sem Schrei­ben for­der­te das IOC die ihm ange­schlos­se­nen NOCs auf, ihre Ver­bin­dun­gen zu jenen natio­na­len Box­ver­bän­den zu lösen, die noch der IBA angehören. 

Die NOCs sei­en statt­des­sen frei, Ver­bin­dun­gen zu ande­ren natio­na­len Box­ver­bän­den ein­zu­ge­hen oder auf­recht­zu­er­hal­ten, sofern die­se natio­na­len Box­ver­bän­de Mit­glie­der eines neu­en Inter­na­tio­na­len Box­ver­ban­des sei­en, sich im Pro­zess der Mit­glied­schaft befin­den oder beab­sich­ti­gen, Mit­glied eines sol­chen Inter­na­tio­na­len Ver­ban­des zu wer­den, der für das olym­pi­sche Boxen gegrün­det wurde.

NOCs wer­den der Auf­for­de­rung folgen

Die dem IOC ange­schlos­se­nen NOCs wer­den sich der Auf­for­de­rung aus Lau­sanne wohl kaum ver­wei­gern. Damit steigt der Druck auf jene natio­na­len Box­ver­bän­de enorm, die sich dem neu­en Welt­ver­band »World Boxing« bis­lang noch nicht ange­schlos­sen haben. 

Ändern die­se Ver­bän­de ihre Mei­nung nicht, dürf­ten sie sehr bald die Aner­ken­nung ihrer Natio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees ver­lie­ren. In den meis­ten Län­dern wird dies gra­vie­ren­de Fol­gen für den Box­sport haben, da staat­li­che Unter­stüt­zun­gen in der Regel davon abhän­gen, dass der Sport im Rah­men der olym­pi­schen Struk­tu­ren betrie­ben wird.

World Boxing darf wohl auf Zulauf hoffen 

»World Boxing« wur­de im April 2023 offi­zi­ell gegrün­det. Der neue Welt­ver­band strebt die Aner­ken­nung durch das IOC an, um die olym­pi­sche Zukunft des Box­sports zu sichern. Ihm gehö­ren inzwi­schen 46 natio­na­le Box­ver­bän­de an (Stand Okto­ber 2024). Zuletzt trat das boxe­ri­sche Schwer­ge­wicht Kasach­stan »World Boxing« bei. 

Das Schrei­ben des IOC könn­te nun bei wei­te­ren natio­na­len Box­ver­bän­den zu einer Neu­be­wer­tung der Lage füh­ren, um in ihren Hei­mat­län­dern nicht die Aner­ken­nung durch ihre NOCs und die staat­li­chen Unter­stüt­zun­gen zu ver­lie­ren. Daher wird zu erwar­ten sein, dass bald wei­te­re Box­ver­bän­de dem neu­en Welt­ver­band bei­tre­ten werden.

Dop­pel­mit­glied­schaf­ten könn­ten Aus­lauf­mo­dell werden

Vie­le zuletzt hin­zu­ge­kom­me­ne Mit­glie­der von »World Boxing« haben bei ihrem Ein­tritt in den neu­en Welt­ver­band ihre Mit­glied­schaft in der IBA nicht gekündigt. 

Anfäng­lich hat­te die IBA eine Dop­pel­mit­glied­schaft noch kate­go­risch aus­ge­schlos­sen und betref­fen­de Natio­nal­ver­bän­de raus­ge­wor­fen. Spä­ter setz­te die IBA ihren eige­nen Beschluss zur Dop­pel­mit­glied­schaft jedoch nicht mehr durch, so dass ein erheb­li­cher Teil der Mit­glie­der von »World Boxing« auch noch auf der Mit­glie­der­lis­te der IBA steht. 

Die­se Natio­nal­ver­bän­de dür­fen sich nach dem Schrei­ben wohl eben­falls nicht mehr sicher füh­len: Schließ­lich sind es nach wie vor Natio­nal­ver­bän­de mit Ver­bin­dun­gen zur IBA. Es ist anzu­neh­men, dass das Schrei­ben des IOC auch sie betref­fen dürfte.

Der Deut­sche Box­sport-Ver­band gehört indes zu den Grün­dungs­mit­glie­dern von »World Boxing«. Für sein Enga­ge­ment in dem neu­en Welt­ver­band wur­de er prompt aus der IBA aus­ge­schlos­sen.

Afri­ka ist in World Boxing noch unterrepräsentiert

Trotz des ste­ti­gen Wachs­tums an Mit­glie­dern deckt der neue Ver­band den Box­sport noch nicht glo­bal ab: Asi­en und Afri­ka sind noch unterrepräsentiert. 

Wäh­rend in Asi­en zuletzt ein Umden­ken ein­setz­te, blei­ben afri­ka­ni­sche Natio­nal­ver­bän­de der­zeit noch auf Distanz: Nur Nige­ria und Alge­ri­en haben sich aktu­ell »World Boxing« angeschlossen.

Auf vie­le afri­ka­ni­sche Natio­nal­ver­bän­de wird das Schrei­ben des IOC aller­dings einen ver­gleichs­wei­se gerin­ge­ren Druck aus­üben. Denn das Sport­sys­tem ist dort weni­ger stark auf olym­pi­sche Sport­ar­ten und ihre staat­li­che Unter­stüt­zung aus­ge­rich­tet – nicht zuletzt auch eine Fra­ge mate­ri­el­ler Res­sour­cen. Die von der IBA dank rus­si­scher Staats­gel­der demons­tra­tiv insze­nier­te finan­zi­el­le Potenz hat not­wen­di­ger­wei­se dort eine grö­ße­re Strahl­kraft, wo staat­li­che Unter­stüt­zun­gen gerin­ger sind.

Wich­ti­ge, aber schwie­ri­ge Aufgabe

Für »World Boxing« wird es eine wich­ti­ge, aber zugleich schwie­ri­ge Auf­ga­be wer­den, sei­ne Akzep­tanz in Afri­ka zu erhö­hen. Mit Geld kann der neue Welt­ver­band nicht win­ken – und wür­de so wohl auch nicht um Mit­glie­der wer­ben, weil ein sol­ches Geba­ren das IOC an die Prak­ti­ken der IBA erin­nern wür­de. Etwas, was »World Boxing« aus gutem Grund um jeden Preis ver­mei­den wird.

Dazu kommt: Vor dem Hin­ter­grund der welt­po­li­ti­schen Lage bemüht sich die IBA, sei­nen Kon­flikt mit dem IOC als eine Art Kul­tur­kampf dar­zu­stel­len, den sie auf­op­fe­rungs­voll gegen einen hege­mo­nia­len Wes­ten füh­re, der sei­ne Vor­stel­lun­gen der Box­welt auf­zwän­gen wol­le. Die IBA spe­ku­liert mit die­sem Nar­ra­tiv auf eine intui­ti­ve Zustim­mung in Län­dern des glo­ba­len Südens, die aus sehr gut nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den gegen­über »dem Wes­ten« kri­tisch ein­ge­stellt sind.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: