Neu­er Welt­ver­band zur Ret­tung der olym­pi­schen Zukunft des Box­sports gegründet

»World Boxing« will sich um Anerkennung durch das IOC bemühen

In einer Pres­se­kon­fe­renz wur­de heu­te die Grün­dung eines neu­en Welt­ver­ban­des des olym­pi­schen Boxens bekannt­ge­ge­ben. Sein Name »World Boxing« unter­streicht unmiss­ver­ständ­lich den inter­na­tio­na­len Ver­tre­tungs­an­spruch des Verbandes.

Dem Inte­rims­vor­stand des Ver­ban­des gehö­ren Ver­tre­ter der natio­na­len Box­ver­bän­de Deutsch­lands, Groß­bri­tan­ni­ens, der Nie­der­lan­de, der Phil­ip­pi­nen, Schwe­dens und der Ver­ei­nig­ten Staa­ten an:

  • Matthew Holt (Groß­bri­tan­ni­en)
  • Tyson Lee (USA)
  • Karin Matt­s­son (Schwe­den)
  • Micha­el Mül­ler (Deutsch­land)
  • Kari­na Pic­son (Phil­ip­pi­nen)
  • Lau­ren Pri­ce (Ath­le­ten­ver­tre­te­rin)
  • Richard Tor­rez Jr. (Ath­le­ten­ver­tre­ter)
  • Boris van der Vorst (Nie­der­lan­de)
  • Keith Wal­ker (Neu­see­land)
  • Simon Toul­son (inte­ri­mis­ti­scher Gene­ral­se­kre­tär ohne Stimmrecht)

IBA reagiert empfindlich

Eine ers­te Reak­ti­on der IBA ließ nicht lan­ge auf sich war­ten und fiel erwar­tungs­ge­mäß aus. Sie ver­öf­fent­lich­te auf ihrer Web­site ein State­ment, in dem auf zahl­rei­che Vor­schrif­ten und Rege­lun­gen ver­wie­sen wur­de, gegen die Natio­nal­ver­bän­de, Kon­ti­nen­tal­ver­bän­de sowie Funktionär*innen, Athlet*innen und Trainer*innen ver­sto­ßen wür­den, wenn sie sich dem neu­en Ver­band anschlös­sen, für ihn tätig oder unter ihm sport­lich agie­ren würden.

Aner­ken­nung durch das IOC angestrebt

Der neue Ver­band World Boxing will sich um die Aner­ken­nung durch das Inter­na­tio­na­le Olym­pi­sche Komi­tee (IOC) bemü­hen, damit der Box­sport auch über Paris 2024 hin­aus sei­nen olym­pi­schen Sta­tus behält. 

Damit tritt World Boxing in direk­te Kon­kur­renz zur IBA (vor­mals AIBA), die das Boxen bis zum Jahr 2019 in der olym­pi­schen Fami­lie ver­tre­ten durf­te, seit­dem aber wegen mani­pu­lier­ter Kampf­rich­ter­leis­tun­gen, finan­zi­el­ler Schief­la­gen und fort­ge­setz­ter Ver­stö­ße gegen Grund­sät­ze einer guten und trans­pa­ren­ten Füh­rung (Good Gover­nan­ce) vom IOC sus­pen­diert ist. 

Infol­ge die­ser Sus­pen­die­rung rich­te­te das IOC 2021 in Tokio das olym­pi­sche Box­tur­nier selbst aus und wird 2024 in Paris noch ein­mal so ver­fah­ren. Für die olym­pi­schen Som­mer­spie­le 2028 ist Box­sport in der noch vor­läu­fi­gen Pla­nung aller­dings schon gar nicht mehr vor­ge­se­hen. Ein Umstand, der vie­le natio­na­le Box­ver­bän­de gro­ße Sor­gen berei­tet hat.

IBA seit 2019 in Ungnade

An der Spit­ze der IBA steht seht seit Ende 2020 der Rus­se Umar Kreml­ev, dem vor­ge­wor­fen wird, den Ver­band in die Abhän­gig­keit von Russ­land geführt zu zu haben: Die ein­zig rele­van­te Ein­nah­me­quel­le des Ver­ban­des sind Spon­so­ren­gel­der des rus­si­schen Staats­kon­zerns Gazprom.

Mit des­sen Gel­dern lebt der Ver­band seit­her auf gro­ßem Fuß und kann z.B. bei Welt­meis­ter­schaf­ten üppi­ge Preis­gel­der aus­lo­ben. Mit den gut gefüll­ten Kas­sen und einem über­aus rei­se­freu­di­gen Prä­si­den­ten konn­te die IBA sich potent insze­nie­ren und so man­che Sym­pa­thien sichern. 

Das IOC moch­te in die­sem Geba­ren und in die­ser Art der Finan­zie­rung jedoch nicht die gefor­der­te Reform und finan­zi­el­le Unab­hän­gig­keit des Ver­ban­des erken­nen. Im Gegen­teil: Vor dem Hin­ter­grund des rus­si­schen Angriffs­krie­ges wur­de die Her­kunft des Gel­des noch ein­mal pro­ble­ma­ti­scher. Dass die IBA dann auch auch noch die Emp­feh­lun­gen des IOC zum Umgang mit rus­si­schen und weiß­rus­si­schen Athlet*innen und Funktionär*innen igno­rier­te, mehr als zwei­fel­haf­te Wah­len durch­führ­te, gegen das IOC eige­ne Qua­li­fi­ka­ti­ons­kri­te­ri­en für Paris 2024 ver­öf­fent­lich­te und dem IOC außer­dem zuletzt noch mit recht­li­chen Schrit­ten droh­te, dürf­te das Ver­hält­nis zum IOC rest­los zer­rüt­tet haben.

Olym­pi­schen Sta­tus retten

Die­se trost­lo­sen Aus­sich­ten haben dann bei einem Teil der Mit­glieds­ver­bän­de offen­bar die Ent­schei­dung rei­fen las­sen, sich von der IBA zu lösen und nun einen neu­en Ver­band zu gründen.

Der neue Ver­band wird zunächst beschei­de­ner auf­tre­ten müs­sen. Sein Bud­get für 2023 wird mit 900.000 Euro ange­ge­ben. Zum Ver­gleich: Allein für die Medail­len­ge­win­ner der kom­men­den Män­ner-WM hat die IBA mit dem Gaz­prom-Geld in den 13 Gewichts­klas­sen Preis­gel­der von ins­ge­samt 5,2 Mio US-Dol­lar aus­ge­lobt. Gold­me­dail­len wer­den von der IBA mit 200.000 US-Dol­lar belohnt, für Sil­ber gibt es 100.000 US-Dol­lar, und jeder der bei­den Bron­ze­me­dail­len­ge­win­ner erhält immer­hin noch 50.000 US-Dollar.

Im Blick ist Los Ange­les 2028

Die Zie­le des Ver­ban­des sind klar: Er will sich dar­um bemü­hen, sei­nen Sitz in der Schweiz neh­men zu kön­nen und dann mit dem IOC Gesprä­che auf­neh­men. Das wird nicht ganz frei von Zeit­druck sein, denn Ende des Jah­res wird sich das IOC ver­mut­lich noch ein­mal mit den Ent­schei­dun­gen zum sport­li­chen Pro­gramm 2028 in Los Ange­les befas­sen. Schafft es der Box­sport dann nicht wie­der ins Pro­gramm, wird es kompliziert.

Für die erstreb­te Aner­ken­nung durch das IOC ist jedoch Zeit ein­zu­pla­nen: Für Paris 2024 wird das IOC daher in jedem Fall die Zustän­dig­keit behal­ten. Die Auf­nah­me eines Wett­kampf­be­trie­bes unter der Zustän­dig­keit des neu­en Ver­ban­des wird für Ende 2023 erwartet.

In Hin­blick auf die Teil­nah­me rus­si­scher und weiß­rus­si­cher Athlet*innen und Funktionär*innen will sich World Boxing an die Linie des IOC hal­ten: Als tat­säch­lich und wirk­lich neu­tra­le Per­so­nen sol­len sie an Wett­kämp­fen teil­neh­men dürfen. 

Eine eher hypo­the­ti­sche Fra­ge, denn nach der Vor­ge­schich­te und der Reak­ti­on der IBA steht nicht zu erwar­ten, dass Russ­land und Weiß­russ­land Mit­glie­der des neu­en Ver­ban­des wer­den – auch wenn World Boxing grund­sätz­lich kei­ne Ein­wän­de hät­te, wenn natio­na­le Box­ver­bän­de in bei­den Welt­ver­bän­den Mit­glied sind.


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Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: