Der Weltverband des olympischen Boxens IBA hat am 22. Mai aus unterschiedlichen Gründen sieben Nationalverbände vorläufig suspendiert, darunter auch den Deutschen Boxsport-Verband (DBV).
Die Suspendierung des DBV sowie der nationalen Boxverbände Neuseelands, der Niederlande und Schwedens wird mit ihrer Beteiligung an der Gründung des neuen Weltboxverbandes »World Boxing« begründet. Damit, so die IBA, hätten sie gegen die Regeln und Statuten der IBA verstoßen.
IBA wirft Verbänden Beteiligung an neuem Boxverband vor
Der interimistische Vorstand von World Boxing besteht aus 10 Personen: Matthew Holt (Großbritannien), Tyson Lee (USA), Karin Mattsson (Schweden), Michael Müller (Deutschland), Karina Picson (Philippinen), Lauren Price (Wales), Richard Torrez Jr (USA), Keith Walker (Neuseeland), Boris van der Vorst (Niederlande) und Simon Toulson (Großbritannien).
Nicht ganz klar ist, welche der Personen in diesem Gremium inwieweit ganz offiziell ihren jeweiligen Nationalverband vertreten oder dort eher als Privatpersonen agieren. Gleichwohl wird man annehmen dürfen, dass ihr Engagement im neuen Verband nicht gänzlich an ihren Nationalverbänden vorbei geschehen sein wird.
Unklar bleibt, warum Großbritannien und die Philippinen nicht ebenfalls suspendiert wurden, da auch Personen aus diesen Ländern im Interimsvorstand des neuen Verbandes vertreten sind.
Reguläre Mitglieder hat der in Gründung befindliche neue Weltverband ohnehin noch nicht: Die Aufnahme von Nationalverbänden ist erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Allein der US-amerikanische Verband hat bereits Fakten geschaffen und seinerseits seine Mitgliedschaft in der IBA unlängst beendet und diesen Schritt klar mit der Absicht begründet, sich dem neuen Weltverband sobald wie möglich anschließen zu wollen.
Tschechien wegen Teilnahme US-amerikanischer Sportler*innen abgestraft
Auch der tschechische Boxverband wurde vorläufig suspendiert. Er hatte bei seinem Traditionsturnier »Grand Prix« in Ústí nad Labem (04.05. – 07.05.2023) US-amerikanische Sportler starten lassen, obschon der US-amerikanische Verband zu diesem Zeitpunkt seine Mitgliedschaft in der IBA bereits beendet hatte. Auch dies wertet die IBA – wenig überraschend – als Verstoß gegen die Statuten.
Der tschechische Verband war im laufenden Turnier gewarnt worden, den Wettbewerb in dieser Form fortzuführen, gelangte aber zu einer abweichenden rechtlichen Einschätzung. Die am Grand Prix teilnehmenden Nationalverbände wurden ebenfalls gewarnt, setzten den Wettbewerb aber überwiegend fort. Allein Frankreich, Polen und Brasilien zogen ihre Sportler*innen aus dem Turnier zurück.
IBA fordert Abkehr von »World Boxing«
Für die Aufhebung der Suspendierung Deutschlands, Neuseelands, der Niederlande und Schwedens verlangt die IBA von den Verbänden
- den Nachweis, dass sie keine Funktionäre in ihren Reihen haben, die einem anderen internationalen Boxverband angehören.
- die schriftliche Erklärung darüber, dass sie ihre Teilnahme an anderen internationalen Boxverbänden beendet haben und sich verpflichten, in Zukunft nicht mehr an solchen Verbänden teilzunehmen.
- auf ihrer offiziellen Website eine Erklärung zu veröffentlichen, in der sie alle Versuche zur Gründung eines anderen internationalen Boxverbands ausdrücklich verurteilen.
Für die Aufhebung der Suspendierung Tschechiens fordert die IBA vom tschechischen Verband
- eine offizielle Entschuldigung bei der IBA und die Verpflichtung, die IBA-Satzung und das Reglement in Zukunft zu respektieren.
- die Garantie, dass in Zukunft nur berechtigte Boxer aus den nationalen Mitgliedsverbänden an seinen Veranstaltungen teilnehmen werden.
- die Zusicherung, dass er in den nächsten sechs Monaten keine weiteren schwerwiegenden Verstöße gegen die IBA-Satzung und ‑Regeln begehen wird.
Die Suspendierungen Deutschlands, Neuseelands, der Niederlande, Schwedens und Tschechiens stehen im Kontext des Zerwürfnisses zwischen der IBA und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Bereits seit 2019 ist die IBA vom IOC suspendiert und hat seitdem mit den Olympischen Spielen nichts mehr zu tun. In Paris 2024 wird das IOC als Folge der anhaltenden Suspenderung zum zweiten Mal die Boxwettbewerbe selbst ausrichten. Für 2028 in Los Angeles ist der Boxsport schon gar nicht mehr im vorläufigen Programm.
In vielen Ländern hängen jedoch staatliche Förderungen vom olympischen Status des Boxsports ab. Daher sorgen sich immer mehr nationale Boxverbände um die olympische Zukunft des Boxsports. Der Glaube schwindet, dass die IBA das zerrüttete Verhältnis zum IOC noch reparieren könnte. Aus diesem Grund gründete sich der neue Verband »World Boxing«.
Sportverkehr soll ohne Verbandsbeteiligung möglich bleiben
Die Suspendierung der fünf Nationalverbände bedeutet jedoch nicht zwangsläufig ihren Ausschluss von jeglichem Sportverkehr. Boxer*innen der betreffenden Verbände dürfen laut IBA weiterhin starten, auch mit nationalen Symbolen (Flaggen, Hymnen), aber nicht mit Abzeichen des suspendierten Nationalverbandes. Auch können die betreffenden Nationalverbände ihre Sportler*innen nicht selbst melden, sondern müssen dies der IBA überlassen.
Neben den fünf genannten Nationalverbänden, deren Suspendierung im Zusammenhang mit den aktuellen Konflikten zu sehen ist, legte die IBA noch die Nationalverbände von Liberia und Äquatorial Guinea vorläufig auf Eis. Sie hatten die geforderten jährlichen Berichte nicht eingereicht. Dieses Schicksal hätte beinahe auch Irland und Island geteilt, die aber die überfälligen Berichte noch nachreichen konnten und so die Suspendierung umgehen konnten.