World Boxing: Teil­nah­me an inter­na­tio­na­len Wett­be­wer­ben künf­tig nur nach Tes­tung des Geschlech­tes möglich

Regelung wird bei Frauen zur WM und bei Männer ab 2026 angewandt

Das Logo des Weltverbandes World Boxing, in dem das O durch ein kombiniertes Zeichen für das männliche und weibliche Geschlecht ersetzt ist.

Der neue Welt­ver­band des olym­pi­schen Boxens »World Boxing« hat am 20. August 2025 eine Richt­li­nie (»Sex Eli­gi­bi­li­ty Poli­cy«, Link öff­net neu­es Fens­ter) zum Umgang mit und zur Bestim­mung der geschlecht­li­chen Iden­ti­tät von Boxe­rin­nen und Boxern ver­öf­fent­licht (Link öff­net neu­es Fenster). 

Eine Zusam­men­fas­sung der wich­tigs­ten Punkte

Die Kern­punk­te die­ser am Tag ihrer Ver­öf­fent­li­chung in Kraft getre­te­nen Richt­li­nie sind:

  • Der Ver­band unter­teilt den Sport hin­sicht­lich des Geschlechts in eine weib­li­che und in eine männ­li­che Kategorie.
  • Um in der weib­li­chen Kate­go­rie star­ten zu kön­nen, muss eine Ath­le­tin bei Geburt weib­lich gewe­sen sein. Um in der männ­li­chen Kate­go­rie star­ten zu kön­nen, muss ein Ath­let bei Geburt männ­lich gewe­sen sein.
  • Alle Sport­le­rin­nen und Sport­ler, die das acht­zehn­te Lebens­jahr voll­endet haben und in einem Wett­be­werb antre­ten wol­len, der von »World Boxing« durch­ge­führt, beauf­sich­tigt oder ver­ge­ben wird, müs­sen ihre Zuge­hö­rig­keit zu einer der bei­den Geschlechts­ka­te­go­rien ein­ma­lig nach­ge­wie­sen haben.
  • Der Nach­weis ist durch einen PCR-Test (oder einem funk­tio­nal ver­gleich­ba­ren Test) zu erbrin­gen, der auf Vor­han­den­sein bzw. Abwe­sen­heit von gene­ti­schem Mate­ri­al der XX-Chro­mo­so­men oder Y‑Chromosomen prüft.
  • Dabei gilt die getes­te­te Per­son als von Geburt an männ­lich und darf bzw. muss somit in der Kate­go­rie der Män­ner starten, 
    • wenn bei dem Test gene­ti­sches Mate­ri­al von Y‑Chromosomen gefun­den wird oder
    • bei einer Vari­an­te der Geschlechts­ent­wick­lung (DSD), bei der eine männ­li­che Andro­ge­ni­sie­rung erfolgt ist.
  • Dabei gilt die getes­te­te Per­son als von Geburt an weib­lich und darf bzw. muss somit in der Kate­go­rie der Frau­en starten, 
    • wenn bei dem Test gene­ti­sches Mate­ri­al von XX-Chro­mo­so­men oder kein gene­ti­sches Mate­ri­al von Y‑Chromosomen gefun­den wer­den oder
    • bei einer Vari­an­te der Geschlechts­ent­wick­lung (DSD), bei der kei­ne männ­li­che Andro­ge­ni­sie­rung erfolgt ist.
  • Wenn bei Tes­tun­gen der als Frau­en gemel­de­ten Per­so­nen Auf­fäl­lig­kei­ten (etwa gene­ti­sches Mate­ri­al von Y‑Chromosomen) gefun­den wer­den, sind wei­te­re Tes­tun­gen vorgesehen.
  • Ver­ant­wort­lich für die Tes­tun­gen sind die Natio­nal­ver­bän­de. »World Boxing« kann eige­ne Tes­tun­gen durch­füh­ren. Für gefälsch­te Tes­tun­gen sind Sank­tio­nen vorgesehen.
  • Per­so­nen, die ihr Geschlecht nach der Geburt gewech­selt haben, müs­sen in der Geschlechts­ka­te­go­rie star­ten, der sie nach Sicht des Ver­ban­des bei Geburt ange­hört haben.

Einen beson­de­ren Hand­lungs­be­darf sieht »World Boxing« in der Kate­go­rie der Frau­en. Daher wird die­se Richt­li­nie bei der bevor­ste­hen­den Welt­meis­ter­schaft in Liver­pool (04.09. – 14.09.2025) im Wett­be­werb der Frau­en bereits ange­wen­det. Ab dem 01.01.2026 gilt die­se Richt­li­nie schließ­lich auch für Män­ner, die dann vor einer Teil­nah­me an den betref­fen­den inter­na­tio­na­len Wett­be­wer­ben die Zuge­hö­rig­keit zur männ­li­chen Geschlechts­ka­te­go­rie nach­wei­sen müssen.

Bild einer medizinischen Person, die bei einer Sportlerin einen Wangenabstrich für den PCR-Test vornimmt
Abb. oben: Der PCR-Test kann unter ande­rem durch einen Abstrich der Mund­schleim­haut erfol­gen (KI-gene­rier­tes Symbolbild)

Das IOC über­trug 2021 die Rege­lung die­ser Fra­gen den Verbänden

Lan­ge Zeit hat­te das IOC sich dar­an ver­sucht, für die Fra­gen rund um geschlecht­li­che Iden­ti­tä­ten eine all­ge­mein­gül­ti­ge Rege­lung zu fin­den. Die ver­schie­de­nen Ansät­ze und Ergeb­nis­se waren unter dem Strich alle­samt wenig über­zeu­gend – in frü­he­ren Jah­ren, als mit­un­ter noch äuße­re Geschlechts­merk­ma­le inspi­ziert wur­den, wur­den sie sogar viel­fach als sehr ent­wür­di­gend empfunden.

2021 leg­te das IOC die­ses heik­le The­ma schließ­lich mit dem »Frame­work on Fair­ness, Inclu­si­on and Non-Dis­cri­mi­na­ti­on on the Basis of Gen­der Iden­ti­ty and Sex Varia­ti­ons« (Link öffent neu­es Fens­ter) in die Ver­ant­wor­tung der ein­zel­nen Sport­fach­ver­bän­de. Die­se sei­en mit Blick auf die spe­zi­fi­schen Bedin­gun­gen der durch sie ver­tre­te­nen Sport­ar­ten am ehes­ten in der Lage, eine ange­mes­se­ne Lösung zu fin­den. Aller­dings mach­te das IOC dabei zur Auf­la­ge, dabei so inklu­siv wie mög­lich, frei von Dis­kri­mi­nie­run­gen und auf der Basis von Fak­ten vorzugehen.

Die nun von »World Boxing« ver­öf­fent­lich­te Richt­li­nie erle­digt also die vom IOC auf­er­leg­ten Haus­ar­bei­ten. Im Ergeb­nis ähnelt sie den Rege­lun­gen ande­rer Welt­ver­bän­de. So hat etwa der Welt­ver­band der Leicht­ath­le­tik »World Ath­le­tics« ganz ähn­li­che Rege­lun­gen getrof­fen (Link öff­net neu­es Fenster).

Kom­men­tar von Ralf Elfering

Manch­mal gibt es nicht für alles gute und ein­fa­che Lösungen

Die jetzt ver­öf­fent­lich­te »Sex Eli­gi­bi­li­ty Poli­cy« des Welt­ver­ban­des greift ein hei­ßes Eisen auf. Und man wird sich sicher sein dür­fen: Die Per­so­nen und Kom­mis­sio­nen, die bei »World Boxing« mit dem The­ma befasst waren, wer­den eini­gen Schweiß ver­gos­sen haben – und am Ende das Doku­ment den­noch nicht ganz ohne Herz­klop­fen ver­öf­fent­lich haben. 

Allen wird noch in Erin­ne­rung sein, wel­che Spreng­kraft (Link öff­net neu­es Fens­ter) das The­ma »Gen­der« 2024 bei den Olym­pi­schen Spie­len in Paris hat­te, als zwei Boxe­rin­nen vor­ge­wor­fen wur­de, zu Unrecht in der Kate­go­rie der Frau­en gestar­tet zu sein und am Ende Gold gewon­nen zu haben.

Das Inter­na­tio­na­le Olym­pi­sche Komi­tee (IOC) – nach dem Aus­schluss der IBA zum zwei­ten Mal für das olym­pi­sche Box­tur­nier zustän­dig – hat­te bei bei­den Ath­le­tin­nen (die übri­gens zuvor jah­re­lang in der Zustän­dig­keit der IBA bereits als Frau­en geboxt hat­ten) den Geschlechts­ein­trag im amt­li­chen Pass zur Grund­la­ge ihrer Teil­nah­me am Frau­en­tur­nier gemacht.

Das The­ma geriet völ­lig in die Dyna­mik der sport­po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen dem rus­sisch geführ­ten ehe­ma­li­gen olym­pi­schen Box­ver­band IBA und dem Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tee (IOC). Offen­sicht­li­che Troll­ar­meen und Fake-Web­sites (Link öff­net neu­es Fens­ter) heiz­ten die Stim­mung in den sozia­len Medi­en an und insze­nier­ten das The­ma – dar­in aktu­el­len gesamt­po­li­ti­schen Kon­flikt­li­ni­en fol­gend – als einen Kul­tur­kampf zwi­schen Ost und West. 

Einen sei­ner beschä­men­den Tief­punk­te erreich­te die Sache, als in den Kom­men­tar­spal­ten ganz über­wie­gend Män­ner bei bei­den Sport­le­rin­nen obses­siv Fal­ten­wür­fe der Hosen als Zei­chen der Geschlechts­zu­ge­hö­rig­keit deu­te­ten. Sie gaben vor, die Rech­te der »bio­lo­gi­schen Frau­en« ver­tei­di­gen zu wol­len, offen­bar­ten dabei aber eine männ­lich-toxi­sche Aggres­si­vi­tät, die für Frau­en (und vie­le wei­te­re) immer schon poten­zi­ell lebens­be­droh­lich gewe­sen ist.

Sol­cher­ma­ßen poli­tisch instru­men­ta­li­siert und befeu­ert, domi­nier­te die Cau­sa pha­sen­wei­se die Bericht­erstat­tung von den Olym­pi­schen Spie­len. Sogar Regie­rungs­chefs (Link öff­net neu­es Fens­ter) ver­schie­de­ner Staa­ten grif­fen die Ange­le­gen­heit auf.

»World Boxing« hält im Box­sport nun an der aus sei­ner Sicht unver­än­der­li­chen und binä­ren Ein­tei­lung in zwei Geschlechts­ka­te­go­rien (männ­lich und weib­lich) fest. Dies kann nicht wirk­lich über­ra­schen. Im Unter­schied zu den Kom­men­tar­spal­ten der sozia­len Medi­en sieht man dies in wei­ten Tei­len der wis­sen­schaft­li­chen Welt inzwi­schen zwar dif­fe­ren­zier­ter, aber der Sport im All­ge­mei­nen und der Box­sport im Spe­zi­el­len ist nicht gera­de bekannt dafür, avan­cier­te Posi­tio­nen zu vertreten.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist die neue Richt­li­nie des Welt­ver­ban­des »World Boxing« sogar noch ver­gleichs­wei­se empa­thisch for­mu­liert, spricht sie doch z. B. mit Blick auf Trans­gen­der-Per­so­nen von Respekt und Wür­de. Hier sind in der Wort­wahl deut­li­che Unter­schie­de zum wut­en­brann­ten Getram­pel der IBA zu spü­ren, obwohl auch »World Boxing« in die­ser Sache am Ende eine ver­gleich­ba­re Posi­ti­on ein­nimmt. Oft ist es aber eben auch der Ton­fall, der die Musik macht.

Die Ange­le­gen­heit jedoch auf einen sport­ty­pi­schen Kon­ser­va­tis­mus redu­zie­ren zu wol­len, greift zu kurz. Der Ver­band ver­weist bei sei­ner Ent­schei­dung auf die beson­de­ren Bedin­gun­gen in einer Kampf­sport­art wie dem Boxen, in der es legi­tim ist, dem Geg­ner bzw. der Geg­ne­rin kör­per­li­chen Scha­den zuzu­fü­gen. Dies, so »World Boxing«, füh­re zu der beson­de­ren Her­aus­for­de­rung (»uni­que safe­ty chall­enge«), durch Richt­li­ni­en für einen fai­ren, vor allem aber auch für einen siche­ren Wett­be­werb zu sorgen.

Man wird die­se Erwä­gun­gen in der Tat nicht ein­fach als kom­plett unbe­grün­det bei­sei­te wischen kön­nen. Es könn­te immer­hin sein, dass der Box­sport viel­leicht ein ganz beson­ders kom­pli­zier­tes Ter­rain ist, auf dem sich der völ­lig legi­ti­me Anspruch auf eine freie Selbst­be­stim­mung der geschlecht­li­chen Iden­ti­tät einer­seits und die Fair­ness im Wett­be­werb und die Sicher­heit der Betei­lig­ten ande­rer­seits nicht wirk­lich gut und sim­pel unter einen Hut brin­gen lässt. 

Womög­lich muss man das erst ein­mal (zäh­ne­knir­schend) aus­hal­ten. Erträg­lich ist es aller­dings nur, solan­ge glaub­haft ist und bleibt, dass die­se Ent­schei­dun­gen nicht leicht­fer­tig oder aus toxi­schem Chau­vi­nis­mus her­aus getrof­fen wur­den, son­dern im Zwei­fel Erwä­gun­gen der Sicher­heit den Vor­rang hatten.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: