Mit Japan und Algerien sind dem neuen Weltverband World Boxing zwei weitere Nationalverbände des olympischen Boxens beigetreten. World Boxing kommt damit nun auf 44 Mitglieder.
Beitritte kommen nicht ganz überraschend
Die Beitritte kommen für Beobachter des olympischen Boxsports nicht sehr überraschend:
Für Algerien dürfte spätestens das Verhalten der IBA im Umfeld der Olympischen Spiele in Paris ausschlaggebend gewesen sein. Dort hatte die IBA eine Debatte rund um die geschlechtliche Identität der algerischen Boxerin Imane Khelif entfacht, die in den sozialen Netzwerken eskalierte. Zeitweilig dominierte dieses Thema nicht nur das olympische Boxturnier, sondern die Olympischen Spiele in Paris überhaupt.
Japan war auf dem erst wenige Tage zurückliegenden Kongress des asiatischen Kontinentalverbandes ASBC als Befürworter eines Wechsels zu World Boxing aufgefallen. Nachdem ein gesammelter Wechsel der asiatischen Verbände nicht die erforderliche Mehrheit fand, stand zu erwarten, dass jene Nationalverbände, die für einen Wechsel votiert hatten, nun in individuellen Entscheidungen beitreten könnten. Genau das scheint sich jetzt zu vollziehen.
Zielmarke kommt quantitativ in Sichtweite
Es heißt, das Internationale Olympische Komitee (IOC) habe zur Voraussetzung offizieller Beitrittsverhandlungen gemacht, dass World Boxing bis Anfang 2025 auf 50 Mitglieder verweisen könne. Mit aktuell 44 Mitgliedsverbänden (und die Schweiz hat ihre Mitgliedschaft unlängst erneut beantragt) hätte sich World Boxing bereits im Spätsommer einer solchen Zielmarke genähert.
Die bereits beigetretenen Nationalverbände decken zwar alle Kontinente ab, doch dies in noch sehr unterschiedlichem Umfang. Asien und Afrika waren lange Zeit stark unterrepräsentiert.
Dies machte es leicht, den neuen Verband als »westlich dominiert« darzustellen – brisant in der aktuellen politischen Großwetterlage, die in mancherlei Hinsicht an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert.
Es erscheint denkbar, dass das IOC nicht nur einfach mindestens 50 Mitgliedsverbände erwarten könnte, sondern auch auf eine breitere Verteilung der Mitglieder drängt, um in dem neuen Weltverband wirklich eine globale Vertretung des Boxsports sehen zu können.
Interesse an World Boxing in Asien wächst
Zuletzt hatten sich jedoch die Eintritte asiatischer Nationalverbände gemehrt. Eine Tendenz, die sich nach dem Kongress des asiatischen Kontinentalverbandes ASBC noch fortsetzen dürfte, da noch weitere asiatische Verbände mit dem beschlossenen Verbleib des ihres Kontinentalverbandes bei der IBA unzufrieden sein dürften. Japan ist da wohl als ein Vorreiter zu sehen.
Afrika ist immer noch stark unterrepräsentiert
Auf dem afrikanischen Kontinent blieb das Interesse an World Boxing bislang – gelinde gesagt – eher verhalten. Allein Nigeria war dem neuen Weltverband beigetreten.
Auf politischer Ebene bestehen zwischen vielen Ländern des globalen Südens und Russland traditionell gute Kontakte. Verständlicherweise ist dort jene diplomatische und militärische Unterstützung in guter Erinnerung, die die Sowjetunion während des Kalten Krieges in manchen Befreiungskriegen leistete.
Von dieser Erinnerung und Wahrnehmung profitiert auch die seit einigen Jahren russisch geführte IBA, deren Präsident Umar Kremlev gerade in Afrika eine hohe Präsenz zeigte und zeigt.
Dass Umar Kremlev in seinen Auftritten dabei jedoch oft an einen Kolonialherren erinnerte, der mit medial inszenierten Geschenkverteilungen die institutionelle Ungleichheit zwischen dem Gebendem auf der einen Seite und den Beschenkten auf der anderen Seite nur noch deutlicher machte, gehört zu den Absurditäten dieses sportpolitischen Theaters (https://www.youtube.com/shorts/0W8Pj2P3Q8Y).
Insofern ist der Beitritt Algeriens möglicherweise jetzt ein bedeutender Schritt, da er quer liegt zu historischen und aktuellen politischen Beziehungsmustern. Damit könnte er ein Beispiel abgeben, dem auch andere Nationalverbände des Kontinents folgen könnten.
Treue zur IBA hat auch in Afrika ihre Grenzen
Dass die Treue afrikanischer Nationalverbände zur IBA übrigens nicht grenzenlos ist, wurde bei Vorkommnissen rund um den zurückliegenden Kontinentalkongress deutlich, als afrikanische Verbände der IBA eine Einflussnahme bei der Auswahl der Kandidaten vorwarfen.
Auch dass die IBA die algerische Boxerin Imane Khelif bei den Olympischen Spielen in Paris in den Mittelpunkt eines globalen Shitstorms manövrierte, kostete dem alten Weltverband zumindest in Nordafrika einige Sympathien. Dort interpretierten nicht wenige dieses Verhalten als rassistisch.
Allerdings ist die Strahlkraft der Olympischen Spiele in Afrika insofern geringer, als das Sportsystem in vielen afrikanischen Staaten nicht so stark auf die Spiele hin ausgerichtet ist wie anderenorts in der Welt. Da mögen mögliche Preisgelder bei einem IBA-Turnier mitunter mehr Anziehungskraft haben als der Gewinn einer Medaille bei den Olympischen Spielen.
Die Mitgliedsverbände von World Boxing
(44 Mitgliedsverbände Stand 09.09.2024)
Europa (13):
- GB Boxing
- England
- Deutschland
- Schweden
- Niederlande
- Dänemark
- Finnland
- Tschechien
- Island
- Norwegen
- Wales
- Schottland
- Italien
Amerika (15):
- USA
- Brasilien
- Kanada
- Argentinien
- Honduras
- Panama
- Jamaika
- am. Jungferninseln
- Surinam
- Barbados
- Dominica
- Peru
- Cayman Islands
- Bahamas
- Ecuador
Ozeanien (5):
- Australien
- Neuseeland
- Franz.-Polynesien
- Tuvalu
- Fiji
Asien (9):
- Mongolei
- Philippinen
- Indien
- Singapur
- Südkorea
- Taiwan
- Pakistan
- Bhutan
- Japan
Afrika (2):
- Nigeria
- Algerien