
Die 137 anwesenden Vertreter der nationalen Boxsportverbände haben am Samstag, den 3. November den 67-jährigen Usbeken Gafur Rakhimov zum neuen regulären Präsidenten der AIBA gewählt. Mit 86 Stimmen konnte Rakhimov 62,77 Prozent der Delegierten für sich gewinnen und sich damit gegen seinen Konkurrenten Serik Konakbayev aus Kasachstan durchsetzen, der das Recht zur Kandidatur erst kurz vor dem Kongress beim Internationalen Sportgerichtshof CAS erzwingen konnte. Wie der Deutschlandfunk zu berichten weiß, soll sich auch der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) hinter Rakhimov gestellt haben.
Gafur Rakhimov war seit 2017 Interimspräsident
Gafur Rakhimov leitete den Weltverband des olympischen Boxens seit 2017 als Interimspräsident. Satzungsgemäß folgte er dem zurückgetretenen Taiwanesen Wu, in dessen lang währender Amtszeit der Verband wegen massiver Überschuldung und zweifelhafter Kampfrichterurteile bei den olympischen Spielen in Rio 2016 in Kritik und Schieflage geraten war. Der neue Präsident Rakhimov gilt als umstrittene Person: Immer wieder wird sein Name mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht – eine Verurteilung ist allerdings nicht bekannt.
Drohungen des IOC gegen die AIBA
Als absehbar wurde, dass sich Rakhimov nach Ablauf seiner Interimspräsidentschaft regulär zur Wahl stellen würde, zeigte sich das Internationale Olympische Komittee (IOC) besorgt über den aus seiner Sicht drohenden Verlust an Integrität in einem seiner Mitgliedsverbände.
Zunächst drohte das IOC damit, Boxen könne in Tokio 2020 aus dem olympischen Programm gestrichen werden, wenn die AIBA Rakhimov zum Präsidenten wähle. Zuletzt war zu hören, dass das IOC das Boxen zwar im Programm der Spiele lassen wolle, aber erwäge, der AIBA die Zuständigkeit zu entziehen und stattdessen die olympischen Boxwettbewerbe selbst zu organisieren.
Am Rande des Kongresses war jedoch zu hören, dass der neue Präsident in Aussicht gestellt habe, sein Amt abzugeben oder ruhen zu lassen, wenn das IOC hiervon tatsächlich die Zukunft des Boxens als olympische Kernsportart abhängig mache.
Kommentar
Schwierige Zukunft
Durch die Wahl des umstrittenen Gafur Rakhimov zum neuen regulären Präsidenten der AIBA ist eine problematische Situation entstanden. Das IOC hat in der Vergangenheit so deutlich eine rote Linie markiert, dass in der Sache wenig Bewegungsspielraum übrig zu bleiben scheint. Ob das IOC hier glaubwürdig agiert, mag eine andere Frage sein. Denn Rakhimov war schließlich schon lange ein Sportfunktionär auf hoher Ebene und kein Unbekannter.
Es könnte nun also passieren, dass zwar das Boxen, aber nicht mehr die AIBA Teil der olympischen Familie bleibt. Wie und mit wessen Hilfe das IOC das olympische Boxturnier gegebenfalls in Eigenverantwortung organisieren könnte, muss derzeit offen bleiben. Die Personen, die das Know-How hätten, stehen allesamt im Organisationszusammenhang der AIBA. Das IOC mag in diesem Zusammenhang seine Beziehung zur »professionellen« Boxwelt möglicherweise noch einmal neu definieren wollen.
Sollte das IOC das Boxen ganz aus dem Programm der Olympischen Spiele streichen, wären die Folgen enorm und wohl bis auf Vereinsebene zu spüren: Für diesen Fall drohen ungekannte Einschnitte in der staatlichen und öffentlichen Förderung. Kaum denkbar, dass das System von Stützpunkten und Trainern, die Kooperation mit dem Bundesinnenministerium und alles andere noch fortgeführt werden könnte. Eher scheint der völlige Bedeutungsverlust zu drohen.
Bleibt Boxen olympisch, aber ohne dort von der AIBA vertreten zu sein, ergibt sich für den DBV, die Spitzensportler und den Staat vermutlich eine komplizierte Situation mit unklaren Loyalitäten und Sachzwängen, die so ohne Beispiel ist. Eine ruhige Entwicklungsperspektive ist etwas anderes.