Nach der Suspendierung des Weltverbandes des olympischen Boxens AIBA hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine Taskforce eingesetzt, die nun anstelle der AIBA das Boxturnier 2020 bei den kommenden Sommerspielen in Tokio organisieren wird.
Olympiaqualifikation über IOC-Turniere
Die Taskforce ist dabei nicht nur für das eigentliche Turnier zuständig. Sie organisiert auch die vorgeschalteten Qualifikationswettbewerbe, in denen sich entscheidet, wer in Japan bei den Sommerspielen in den Ring steigen darf.
Der Weg nach Tokio führt jetzt ausschließlich über 5 Turniere, die im ersten Halbjahr 2020 unter der Verantwortung des IOC auf verschiedenen Kontinenten ausgerichtet werden: Asien (2 Turniere), Südamerika, Europa und Afrika.
Diesen Qualifikationsturnieren wird noch in diesem Jahr in Japan ein Testturnier vorgeschaltet. Die Veranstaltung wird sinnvollerweise bereits im Ryōgoku Kokugikan ausgerichtet, dem nationalen Sumostadion Japans, in dem später auch das olympische Boxturnier durchgeführt wird.
IOC nimmt auf AIBA keine Rücksicht mehr
Die 2019 in Russland geplanten AIBA-Weltmeisterschaften der Männer (7.–21. September in Ekaterinburg) und Frauen (3.–13. Oktober in Ulan Ude) spielen – anders als früher – für die Qualifikation zur Olympiade keine Rolle mehr.
Auf den Terminplan der AIBA nimmt die Taskforce des IOC bei ihren Planungen erkennbar keine Rücksicht mehr: Das Testturnier ist für den 29.–31. Oktober 2019 in Tokio festgesetzt. Es beginnt also bereits gute zwei Wochen nach dem Ende der Frauen-WM und gute fünf Wochen nach dem Ende der Männer-WM.
Eine Teilnahme an beiden Turnieren wäre nicht nur eine doppelte finanzielle Belastung der Verbände: Auch sportlich sind zwei Wettkampfhöhepunkte in diesen zeitlichen Abständen im Falle der Frauen eigentlich unmöglich und im Falle der Männer zumindest fragwürdig.
IOC-Turnier in Konflikt mit AIBA-WM
So ist zu erwarten, dass viele Nationalverbände sich zwischen beiden Turnieren entscheiden werden, zumal die Weltmeisterschaften der AIBA für die Olympischen Spiele keinerlei Bedeutung mehr haben.
Gut möglich, dass viele Verbände das Testturnier in Tokio den Weltmeisterschaften der AIBA vorziehen. Denn auch für sie wäre dieser erste Wettbewerb unter der Aufsicht des IOC eine interessante Generalprobe für die kommenden Turniere, bei denen zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr unter der Regie der im Jahr 1946 gegründeten AIBA geboxt wird.
Denkbar erscheint allerdings auch, dass die nationalen Verbände gar nicht mehr entscheiden müssen, wohin sie ihre Athleten schicken sollen.
AIBA-WM womöglich infrage gestellt?
Russland als Ausrichter der Weltmeisterschaften liegt derzeit im verbandspolitischen Clinch (Link öffnet neues Browserfenster) mit der AIBA. Die Motivation, zwei Weltmeisterschaften zu stemmen, die keine Bedeutungen mehr für die Olympiaqualifikation haben und daher deutlich entwertet scheinen, dürfte derzeit gering sein.
Vielmehr scheint vorstellbar, dass Russland die AIBA mit finanziellen Forderungen konfrontieren könnte, weil die Voraussetzungen sich nun ganz anders darstellen als zu den Zeiten, in denen der Zuschlag zur Ausrichtung der Weltmeisterschaften erteilt wurde.
Einen Streit über finanzielle Forderungen ist allerdings das letzte, was die krisengeschüttelte und monetär klamme AIBA jetzt gebrauchen könnte. Schon jetzt wird in Lausanne jeder Cent dreimal umgedreht. Erwiesen sich solche Forderungen am Ende vor Gericht als berechtigt, könnte es der Todesstoß des Weltverbandes sein.
Eine oder zwei ausfallende Weltmeisterschaften könnten sich allerdings ebenso tödlich auswirken: Sie würden verdeutlichen, dass der Verband seine originären Aufgaben nicht mehr erfüllen kann und einen weiteren Bedeutungsverlust darstellen, der das Vertrauen in eine Zukunft noch weiter beschädigen dürfte.