IOC-Exe­ku­tiv­ko­mi­tee emp­fiehlt der IOC-Voll­ver­samm­lung den Aus­schluss der IBA

World Boxing könnte dies nun Auftrieb geben

Das Exe­ku­tiv­ko­mi­tee (Exe­cu­ti­ve Board) des Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees (IOC) tag­te heu­te am 7. Juni 2023 online, um über die Zukunft des Welt­ver­ban­des des olym­pi­schen Boxens IBA (frü­her AIBA) zu beraten. 

Am Ende ent­schied sich das Lei­tungs­gre­mi­um, der IOC-Ses­si­on (Voll­ver­samm­lung des IOC) den end­gül­ti­gen Aus­schluss der IBA aus der Fami­lie der olym­pi­schen Sport­ver­bän­de zu empfehlen.

Eine IOC-Ses­si­on zu die­sem The­ma fin­det am 22. Juni online statt. Es steht zu erwar­ten, dass die IOC-Ses­si­on der Emp­feh­lung des IOC-Exe­ku­tiv­ko­mi­tees fol­gen wird.

Har­sche Reak­ti­on der IBA

Die IBA reagier­te mit har­schen Wor­ten auf die heu­ti­ge Ent­schei­dung des IOC-Exekutivkomitees. 

In einer Stel­lung­nah­me bezeich­ne­te der Ver­band sie als »wirk­lich abscheu­lich und rein poli­tisch«. Sie spie­ge­le nicht die Rea­li­tät wider, denn unter der Lei­tung und Auf­sicht der »Gover­nan­ce Reform Group« von Pro­fes­sor Dr. Ulrich Haas und gestützt auf eine umfas­sen­de Unter­su­chung der Ver­gan­gen­heit durch das Team von Pro­fes­sor Richard McLa­ren sei­en außer­or­dent­li­che Fort­schrit­te erzielt worden. 

Die IBA behal­te sich »Ver­gel­tungs­maß­nah­men« vor und wer­de nie­mals die Behaup­tung aner­ken­nen, die Stan­dards der Good Gover­nan­ce nicht anzu­er­ken­nen. Es blei­be nun nichts ande­res übrig, als vor einem Gericht eine fai­re Bewer­tung zu for­dern. Die Ent­schei­dung sei ein Wen­de­punkt nicht nur für die IBA, son­dern für alle Ver­bän­de im IOC. Die wür­den jetzt Zeu­ge eines orches­trier­ten Put­sches zum Zweck eines Füh­rungs­we­chels. Die Ver­lie­rer sei­en die Athleten. 

Nach wie vor sei die IBA die Hei­mat des Boxens. Man gehe aber nun als eine Orga­ni­sa­ti­on vor­an, die sich um die Gesund­heit »des gan­zen Wal­des« zu küm­mern habe und nicht nur einen Baum, der alle vier Jah­re für die Teil­nah­me von 248 Sport­lern an den Olym­pi­schen Spie­le stehe.

IBA seit 2019 suspendiert

Die IBA ist bereits 2019 durch das IOC vor­läu­fig sus­pen­diert wor­den. Damals hieß der Welt­ver­band des Boxens noch AIBA. Grund der Sus­pen­die­rung waren mani­pu­lier­te Kampf­rich­ter­ur­tei­le (etwa bei den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len 2016 in Rio de Janei­ro), Ver­stö­ße gegen Grund­sät­ze der Good Gover­nan­ce sowie eine mas­si­ve Über­schul­dung des Verbandes.

Gleich­wohl ent­schloss sich das IOC damals, den Box­sport vor­erst im olym­pi­schen Pro­gramm zu belas­sen. Vom Ver­band erwar­te­te das IOC jedoch umfas­sen­de Refor­men als Vor­aus­set­zung zur Auf­he­bung der Suspendierung. 

Als Fol­ge der Sus­pen­die­rung rich­te­te eine vom IOC beauf­trag­te Task Force das olym­pi­sche Box­tur­nier (ein­schließ­lich der vor­ge­schal­te­ten Qua­li­fi­ka­ti­ons­wett­be­wer­be) 2021 in Tokio selbst aus. Unter den Bedin­gun­gen der Coro­na-Pan­de­mie erwies sich dies aller­dings als kom­pli­zier­ter denn erwartet.

Box­ver­band lie­fer­te nicht

Aus Sicht des IOC lie­fer­te der aus­ge­boo­te­te Box­ver­band bei sei­nen Reform­be­mü­hun­gen kei­ne über­zeu­gen­den Ergeb­nis­se. Im Gegen­teil: Als im Dezem­ber 2020 der Rus­se Umar Kreml­ev an die Spit­ze des Ver­ban­des gewählt wur­de, ver­schlech­ter­ten sich die Bezie­hun­gen zwi­schen der IBA und dem IOC in dra­ma­ti­scher Weise. 

Über­ra­schen­der­wei­se war das IOC den­noch bereit, Boxen auch in Paris 2024 noch ein­mal im Pro­gramm zu belas­sen – wie­der in der Ver­ant­wor­tung des IOC. Aller­dings: Stand jetzt ist der Box­sport nicht mehr im vor­läu­fi­gen Pro­gramm der über­nächs­ten Som­mer­spie­le 2028 in Los Angeles. 

Doch aus Sicht des IOC ende­ten die Irri­ta­tio­nen und der Ärger nicht. Unter der Füh­rung Umar Kreml­evs wur­de der rus­si­sche Staats­kon­zern Gaz­prom zum fast allei­ni­gen Geld­ge­ber des Ver­ban­des. Das erlaub­te zwar auf­wen­dig insze­nier­te Tur­nie­re und erst­mals üppi­ge Preis­gel­der, ließ das IOC aber an der Unab­hän­gig­keit und Neu­tra­li­tät des Ver­ban­des zweifeln. 

Dra­ma­ti­sche Ver­schlech­te­rung der Bezie­hun­gen zum IOC

Eine Wie­der­wahl Kreml­evs im Mai 2022, bei der der ein­zi­ge Gegen­kan­di­dat nicht antre­ten durf­te, wur­de vom Inter­na­tio­na­len Sport­ge­richts­hof kas­siert. Die zu wie­der­ho­len­de Wahl warf aber erneut Fra­gen auf, weil ledig­lich abge­stimmt wur­de, ob gewählt wer­den soll. Natür­lich wur­de dann nicht gewählt.

Als die IBA vor dem Hin­ter­grund des Angriffs­krie­ges Russ­lands auf die Ukrai­ne die Emp­feh­lun­gen des IOC igno­rier­te und nach eini­gen Mona­ten rus­si­sche und bel­o­rus­si­sche Sport­ler und Funk­tio­nä­re ohne alle Ein­schrän­kun­gen (also mit allen natio­na­len Sym­bo­len) wie­der zu ihren Wett­be­wer­ben zuließ, dürf­te aus Sicht des IOC das Maß wohl end­gül­tig voll gewe­sen sein.

Eine Rei­he von natio­na­len Box­ver­bän­den sorg­ten sich in wach­sen­dem Maße um die olym­pi­sche Zukunft des Box­sports. Sie gewan­nen den Ein­druck, dass die IBA das Ver­hält­nis zum IOC nicht mehr wür­de repa­rie­ren kön­nen, ja, viel­leicht auch gar nicht mehr repa­rie­ren wol­le. Zu sehr war die IBA auf Kra­wall gebürs­tet statt diplo­ma­tisch nach Lösun­gen zu suchen.

World Boxing als neu­er Weltverband

Die Sor­ge mün­de­te schließ­lich in der Neu­grün­dung des neu­en Welt­box­ver­ban­des »World Boxing« im April 2023, der sich um die Aner­ken­nung durch das IOC bemü­hen will. Die heu­ti­ge Ent­schei­dung des IOC-Exe­ku­tiv­ko­mi­tees bestä­tigt, dass die­se Sor­ge berech­tigt war und ist.

Wenig über­ra­schend reagier­te die IBA mit gro­ßem Druck: Wo immer Ver­bin­dun­gen zu »World Boxing« erkenn­bar wur­den, folg­ten Dro­hun­gen oder Sank­tio­nen. Die natio­na­len Box­ver­bän­de Deutsch­lands, Neu­see­lands, der Nie­der­lan­de und Schwe­dens wur­den von der IBA sus­pen­diert. Von ande­ren Ver­bän­den for­der­te die IBA den Rück­zug von Natio­nal­teams aus lau­fen­den Tur­nie­ren, weil sie Ver­bin­dun­gen zur »World Boxing« sahen.

Doch der Macht­an­spruch der IBA scheint all­mäh­lich zu ero­die­ren. Die USA tra­ten kürz­lich als eine der box­sport­li­chen Groß­mäch­te aus der IBA aus, es folg­te schließ­lich die Schweiz. Neu­see­land, die Nie­der­lan­de und GB Boxing (als Dach­or­ga­ni­sa­ti­on der bri­ti­schen Ver­bän­de ein Son­der­fall) äußer­ten offen die Erwä­gung, sich dem neu­en Ver­band anzu­schlie­ßen. Auch kamen bei wei­tem nicht alle natio­na­len Ver­bän­de den For­de­run­gen der IBA nach, Teams aus lau­fen­den Tur­nie­ren abzuziehen.

IOC schafft nun erhoff­te Klarheit

Die heu­ti­ge Ent­schei­dung des IOC-Exe­ku­tiv­ko­mi­tees setzt das von vie­len Sei­ten dring­lich erwar­te­te star­ke Zei­chen: Nun muss jedem klar wer­den, dass es mit der IBA mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit kei­ne olym­pi­sche Zukunft des Box­sports mehr geben wird. Die­se Erkennt­nis wird vie­ler­orts die Illu­si­on ver­drän­gen, dass es auf dem alten Weg irgend­wie noch ein­mal gut gehen kön­ne. Es bleibt abzu­war­ten, ob die bereits erkenn­ba­ren Absetz­be­we­gun­gen nun an Fahrt auf­neh­men werden.

Ende Juni ist die fina­le Ent­schei­dung der IOC-Ses­si­on. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit wird man dort der Emp­feh­lung des IOC Exe­ku­tiv­ko­mi­tees fol­gen und die »Akte IBA« beim IOC schlie­ßen. Für Novem­ber hat »World Boxing« sei­nen ers­ten Kon­gress ange­setzt, in des­sen Rah­men der Inte­rims­vor­stand durch einen regu­lär gewähl­ten Vor­stand ersetzt wer­den soll. Die bis dahin rest­los kla­ren Ver­hält­nis­se könn­ten dem regu­lä­ren Start des neu­en Ver­ban­des star­ke Impul­se geben und neue Mit­glie­der zufüh­ren, die jetzt noch zögern.

Hin­weis: In einer frü­he­ren Ver­si­on des Tex­tes waren wir davon aus­ge­gan­gen, dass über die end­gül­ti­ge Sus­pen­die­rung der IBA auf der regu­lä­ren IOC-Ses­si­on im Okto­ber in Mum­bai (Indi­en) ent­schie­den wür­de. Die Ent­schei­dung soll aber wohl viel frü­her auf einer eigens ein­be­ru­fe­nen und online abge­hal­te­nen IOC-Ses­si­on am 22. Juni fal­len. Der Text wur­de ent­spre­chend aktualisiert.


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