
Der neue Weltverband des olympischen Boxen World Boxing (WB) hatte am zurückliegenden Wochenende in Frankfurt am Main zu seinem ersten Weltkongress eingeladen.
Von den 27 Mitgliedsverbänden aus Europa, Amerika, Ozeanien, Asien und Afrika hatten 26 Delegationen an die Mainmetropole entsandt. Einzig der Verband der amerikanischen Jungferninseln fehlte bei dieser Versammlung. Der Verband »GB Boxing« nahm als Dachorganisation der britischen Mitgliedsverbände England, Schottland und Wales jedoch nur als assoziiertes Mitglied ohne Stimmrecht an dem Kongress teil.
Vertreter*innen des Landes Hessen, des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Stadt Frankfurt begrüßten die Teilnehmer*innen des Kongresses sowie zahlreiche Gäste am Samstag (25.11.2023) in den Main-Arkarden mit Grußadressen.
Bei der Gründung des neuen Verbandes waren alle Positionen naturgemäß zunächst nur interimistisch besetzt worden, da ein Kongress mit Wahlen überhaupt erst vorbereitet werden musste. Die hauptsächlichen Tagesordnungspunkte waren daher neben den Abstimmungen über die Satzung und den Finanzplan die Wahlen zu den verschiedenen Ämtern.
Die zentrale Personalie war dabei die Wahl des neuen WB-Präsidenten. Für dieses Amt stellten sich der Niederländer Boris van der Vorst und die US-Amerikanerin Elise Seignolle zur Wahl.
Boris van der Vorst neuer Präsident von World Boxing
Es gewann mit einem deutlichen Vorsprung der Niederländer Boris van der Vorst, der somit für die kommenden zwei Jahre an der Spitze von World Boxing stehen wird.
Dem Niederländer van der Vorst, der bis vor kurzem noch Präsident des niederländischen Boxverbandes gewesen war, half dabei sicherlich seine große Bekanntheit auf der internationalen Bühne: Er hatte in den letzten drei Jahren mehrfach vergeblich Anlauf auf das Präsidentenamt der IBA genommen. Zuletzt wusste die IBA mit mehr als zweifelhaften Methoden und Winkelzügen (Link öffnet neues Fenster) sogar zweimal seine Kandidatur zu verhindern.
Die US-Amerikanerin Seignolle war im Vergleich zu ihrem Mitbewerber für viele ein mehr oder minder unbeschriebenes Blatt. Zudem startete ihr Wahlkampf vergleichsweise spät. So gelang es ihr nicht, die Mehrheit der Delegierten zu überzeugen und hatte in der Wahl das Nachsehen.
Als Vizepräsident*innen wurden gewählt Ryan O’Shea (Kanada, zweijährige Amtszeit), Matt Holt (Großbritannien, vierjährige Amtszeit) und Dinah Glykidis (Australien, vierjährige Amtszeit).
Michael Müller ins Exekutivkomitee des Verbandes gewählt
In das viersitzige Exekutivkomitee des Verbandes wurden Michael Müller (Deutschland, zweijährige Amtszeit), Victorico Vargas (Philipinen, vierjährige Amtszeit), Suzanne Karrlander (Schweden, zweijährige Amtszeit), und Marcos Candido de Brito (Brasilien, vierjährige Amtszeit) gewählt.
Zudem wurden für die kommenden vier Jahre noch die Vorsitzenden von drei Komitees durch Wahl bestimmt: Das Komitee für Sport und Wettkampf wird der Argentinier Hernan Salvo leiten, dem Komitee für Medizin und Anti-Doping wird der US-Amerikaner Dr. Armando Sanchez vorstehen und Australierin Julia Felton wird das Komitee für Finanzen und Kontrolle führen.
Bittere Pille für US Boxing
Für den US-amerikanischen Verband (historisch betrachtet immerhin der Verband mit den meisten olympischen Medaillen) ist das Ergebnis der Wahlen wahrscheinlich wenig zufriedenstellend: Er ist in keinem wirklich wichtigen Gremium vertreten – und dies, obwohl der Verband sich in dem Konflikt mit der IBA bereits sehr früh und sehr entschieden positioniert hatte, als erster die IBA verließ und Vertreter des Verbandes wie etwa Mike McAtee ein bekanntes Gesicht der Opposition gegen Umar Kremlev war.
Wichtiges Signal an das IOC
Der beendete erste Weltkongress markiert einen wichtigen Meilenstein in der noch jungen Geschichte des neuen Verbandes: Alle Ämter sind jetzt durch demokratische Wahlen besetzt. Aus dem Provisorium der Gründungsphase ist damit nun ein regulärer Verband geworden. Grundsätzlich gilt nämlich: Nur ein solcher kommt für das Internationale Olympische Komitee (IOC) als möglicher Ansprechpartner für die Zukunft des olympischen Boxens in Frage.
Wenn nun noch das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes die endgültige Suspendierung der IBA bestätigen sollte (was allgemein erwartet wird), dürfte dies dem neuen Verband wahrscheinlich weitere Beitrittskandidaten zuspielen. Selbst dann, wenn die IBA (wie angekündigt) gegen eine solche Entscheidung vor schweizerischen Gerichten vorgehen sollte. Damit würde sich eine weitere Voraussetzung für Gespräche mit dem IOC erfüllen: Denn in Lausanne möchte man sehen, dass ein potenzieller Mitgliedsverband seinen Sport wirklich auch mit einer gewissen globalen Relevanz vertritt.