Am 16. November wird der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne die Beschwerde der IBA über die endgültige Suspendierung des Verbandes durch die Vollversammlung des IOC (IOC Session) am 22. Juni 2023 verhandeln.
Geringe Erfolgsaussichten der IBA
Beobachter räumen der Beschwerde der IBA allerdings nur geringe Erfolgsaussichten ein. Sollte die Entscheidung der IOC-Vollversammlung vor dem Sportgerichtshof bestehen, dürfte das auf die internationale Gemeinschaft des olympischen Boxens eine große Signalwirkung haben. Denn damit würde unwiderruflich klar, dass es mit der IBA keine olympische Zukunft des Boxsports mehr geben wird.
Auf dem zurückliegenden Kongress des asiatischen Kontinentalverbandes ASBC Mitte Oktober hatten sich die Vertreter vieler asiatischer Nationalverbände in ihren Redebeiträgen auf die bevorstehende Entscheidung des CAS bezogen – und waren wegen der noch ausstehenden Entscheidung der IBA einstweilen treu geblieben.
Die IBA bedankte sich daraufhin für die »Loyalität« der asiatischen Verbände. Umar Kremlev: »Ich begrüße die Entscheidung der ASBC-Delegierten, Teil der IBA-Familie zu bleiben. In dieser entscheidenden Zeit müssen wir vereint und stark sein, um alle Herausforderungen zu meistern; dies wurde hier mit der Mehrheitsentscheidung demonstriert. Die Loyalität des asiatischen Kontinents ist für die IBA von unschätzbarem Wert und ein Zeichen für eine vielversprechende Zukunft.«
Brüchige Loyalitäten?
Die Loyalität dürfte auf den Prüfstand gestellt werden, wenn durch eine CAS-Entscheidung deutlich werden sollte, dass der Zugang zu den olympischen Spielen definitiv nicht mehr über die IBA erfolgen wird. Jüngsten Äußerungen des IOC-Generalsekretärs Thomas Bach war außerdem zu entnehmen, dass das IOC wenig Bereitschaft zeigt, den Boxwettbewerb im Rahmen der Olympischen Spiele zum dritten Mal selbst auszurichten: Für Los Angeles 2028 wünscht sich das IOC daher wieder einen Weltverband als Ausrichter des Boxturniers.
Sollte der Internationale Sportgerichtshof die Entscheidung des IOC bestätigen, müssen hier im Grunde nur Eins und Eins zusammengezählt werden: An einem neuen Weltverband führt dann kein Weg mehr vorbei, wenn man noch irgend an einer olympischen Perspektive festhalten will. Dies dürfte dann auch vielen nationalen Verbänden klar werden, die bislang noch zögern. Gut möglich, dass dem neuen Verband nach der Entscheidung in Lausanne in relevantem Umfang weitere Verbände beitreten werden. Genau das hatte das IOC als Voraussetzung zur Aufnahme von Gesprächen mit »World Boxing« genannt.
CAS-Entscheidung im Vorfeld des World Boxing Kongresses
Die Entscheidung des Sportgerichtshofes CAS dürfte rechtzeitig vor einem Meilenstein des neuen Weltverbandes »World Boxing« kommen: Denn am 24. und 25. November hat der Verband zu seinem ersten regulären Weltkongress nach Frankfurt am Main eingeladen. Die bislang zwangsläufig nur interimistisch bekleideten Ämter werden dann durch demokratische Wahlen besetzt – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Sportverband, der den diesbezüglichen Anforderungen des IOC genügen will und muss.
Außerdem kann »World Boxing« mit dem zurückliegenden »Cologne Boxing Cup 2023« auf einen erstes Turnier unter seiner Zuständigkeit verweisen. Auch wenn im Sportbetrieb aktuell noch vieles improvisiert erscheint (so gibt es z.B. noch gar keine eigenen Wettkampfbestimmungen), war das Turnier ein wichtiges Zeichen, dass der noch junge Verband nicht nur auf dem Papier existiert, sondern mit praktischem Sport seine Kernaufgaben aufzunehmen beginnt.
Kuba tritt bei World Boxing Veranstaltung an
Aufhorchen ließ dabei, dass sich an diesem Turnier auch die Kubaner mit einer Mannschaft beteiligten – darunter zum ersten Mal mit Frauen auf der internationalen Wettkampfbühne. Ein Umstand, den man vorsichtig vielleicht als nachlassende Bindungskraft der IBA werten kann. Erst recht, da Kuba allgemein lange eine große Treue zur AIBA / IBA nachgesagt wurde. Die IBA wird die Teilnahme der Kubaner an einer Veranstaltung des abtrünnigen Verbandes jedenfalls mit Missfallen zur Kenntnis genommen haben. Aber in Kuba (seit vielen Jahren die erfolgreichste Nation im olympischen Boxen) mag die olympische Perspektive des Nationalsports Boxen am Ende schwerer wiegen als alles andere.