Eine turbolente Zeit in der Welt des olympischen Boxens: Der neue Weltverband »World Boxing« verkündete am 24. August mit Kanada, Brasilien, Argentinien, Deutschland, Honduras und Schweden sechs neue Mitgliedsnationen.
Die aktuellen Mitglieder von »World Boxing«
Damit haben sich nach Angaben von »World Boxing« nunmehr 12 Nationalverbände von drei Kontinenten dem neuen Verband angeschlossen:
Europa:
- GB Boxing*
- England
- Deutschland
- Schweden
- Niederlande
Amerika:
- USA
- Brasilien
- Kanada
- Argentinien
- Honduras
Ozeanien:
- Australien
- Neuseeland
* GB Boxing ist als eine England, Wales und Schottland übergeordnete Struktur nur assoziertes Mitglied von »World Boxing«.
Rolle rückwärts in der Schweiz
Die Schweiz machte unterdessen ihren Austritt aus der IBA rückgängig. Eine Reihe von Vereinen hatte bemängelt, vom Vorstand des eidgenössischen Boxverbandes im Vorwege nicht hinreichend informiert worden zu sein, und dass ein Austritt aus der IBA nur mit einer Satzungsänderung statthaft gewesen wäre. Als Folge der Geschehnisse trat der langjährige Präsident des Schweizer Verbandes Andreas Anderegg gemeinsam mit weiteren Präsidiumsmitgliedern mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurück. Die schweizerische Zeitung »Blick« zitiert Andreas Anderegg: »Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, dass ein Verband Gelder einsetzt von Gazprom, die bekanntlich auch den Angriffskrieg in der Ukraine finanzieren.«
Niederländer differenzierten
Eine gewisse Unklarheit scheint hinsichtlich des Aufnahmeverfahrens bzw. des Status einiger genannter Verbände zu bestehen. Die Niederlande (von »World Boxing« als Mitglied genannt) sahen sich jedenfalls zu einer Differenzierung (Link öffnet neues Fenster) veranlasst. Der Verband stellte klar, dass er bislang lediglich die Mitgliedschaft bei »World Boxing« beantragt habe, aber immer noch Mitglied der IBA sei. Über eine Mitgliedschaft könne erst der Gründungskongress des neuen Weltverbandes im November entscheiden. Man habe den Antrag gestellt, da »Word Boxing« nach der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zur endgültigen Suspendierung der IBA »die logischste Option für den Erhalt des olympischen Boxens« sei. Der niederländische Verband bezeichnete eine »Kombination beider Mitgliedschaften« als ernsthafte Option und als besten Weg für die niederländischen Boxerinnen und Boxer.
Doppelmitgliedschaften?
Ähnlich scheint es auch der Deutsche Boxsport-Verband zu sehen, der ebenfalls die Mitgliedschaft bei »World Boxing« beantragt hat, ohne dabei der IBA den Rücken zuzukehren.
Ob die IBA doppelte Mitgliedschaften überhaupt zulassen wird, ist bislang unklar. Anfangs schloss die IBA dies jedenfalls kategorisch aus, zuletzt wollte der Verband aber neue Wettkampfformate für alle Sportlerinnen und Sportler öffnen – unabhängig davon, welchen Verbänden sie angehören. Dahinter könnte aber freilich das Kalkül stecken, auf diesem Weg weiterhin Einfluss auch auf solche Verbände zu behalten, die die IBA eigentlich verlassen haben.
Irland entschied sich gegen Satzungsänderung
Im irischen Verband IABA stand am 26. August im Rahmen einer außerordentlichen Generalversammlung eine Satzungsänderung zur Abstimmung, die es dem Verband ermöglicht hätte, sich auch einem anderen Weltverband als nur der IBA anzuschließen. Angestrebt war auch in Irland letztlich eine Doppelmitgliedschaft in der IBA und in »World Boxing«.
Der Antrag zur Satzungsänderung erhielt zwar eine große Mehrheit von 71 Prozent (Link öffnet neues Fenster), hätte aber als Satzungsänderung nur mit 75 Prozent der Stimmen Erfolg gehabt. Damit bleibt in Irland nun eine Verbandssatzung in Kraft, die die IABA fest und ausschließlich an die IBA bindet – und daher einen Eintritt in »World Boxing« nicht ermöglicht. Die anschließend geplante Abstimmung über eine Doppelmitgliedschaft war somit obsolet geworden.
Blick auf Asien
Mit Spannung darf der außerordentliche Kongress des asiatischen Kontinentalverbandes ASBC am 13. Oktober in Bangkok erwartet werden. Der Kontinentalverband mit so gewichtigen Boxnationen wie etwa Kasachstan, Usbekistan und Indien hatte sich unmittelbar nach der endgültigen Suspendierung der IBA sehr deutlich zur olympischen Perspektive des Boxsports bekannt: Man werde sich dem Verband anschließen, der die Anerkennung des IOC genieße, hieß es damals.
Allerdings genießt bislang kein Weltverband die Anerkennung des IOC. Der eine hat sie verloren, der andere aber noch nicht erlangt. Wenn man die Erklärung also wörtlich nimmt, dürfte der asiatische Kontinentalverband also eher abwarten als einen Schritt auf »World Boxing« zuzugehen. Das deutlich klingende Bekenntnis zur olympischen Zukunft des Boxen erwiese sich damit als ein Papiertiger.
IOC-Session mit Signalwirkung?
Die nächste IOC-Session (Vollversammlung) findet vom 15. bis zum 17. Oktober in Mumbai (Indien) statt. Wichtig und wünschenswert wäre, wenn von Mumbai ein Signal an den Boxsport ausgeht, auf welchem Weg »World Boxing« sich in Richtung einer Anerkennung durch das IOC bewegen kann. Dies käme für den außerordentlichen Kongress des asiatischen Kontinentalverbandes zwar zu spät, könnte aber dennoch eine stimulierende Wirkung haben und dem neuen Verband neue Mitglieder zuleiten. Mindestens ebenso wichtig dürfte aber die überfällige Entfaltung eines Wettkampfbetriebes unter dem Dach von »World Boxing« sein, da dies immerhin das Kerngeschäft eines Sportverbandes ist.