Der Weltverband des olympischen Boxens AIBA hat einen neuen regulären Präsidenten: Der Generalsekretär des russischen Boxverbandes Umar Kremlev errang im entscheidenden Wahlgang mit 86 der 150 abgegebenen Stimmen einen Stimmanteil von 57,33 Prozent und damit die erforderliche absolute Mehrheit. Er tritt damit die Nachfolge des Interimspräsidenten Mohamed Moustahsane an, der den Verband seit Frühjahr 2019 leitete.
Das Wahlprozedere der AIBA schreibt vor, dass derjenige Kandidat gewinnt, der die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen kann. Erlangt keiner im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen, so scheidet derjenige Kandidat aus, der in diesem Wahlgang die wenigsten Stimmen erlangen konnte. So wird verfahren, bis ein Kandidat schließlich die absolute Mehrheit erreicht oder nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Bleiben zuletzt nur noch zwei Kandidaten übrig, gewinnt derjenige, der die meisten Stimmen erzielt.
Am Ende stellten sich noch 5 Kandidaten zur Wahl
Nachdem kurz vor der Wahl zunächst Domingo Solano aus der Dominikanischen Republik und dann Ramie Al-Masri aus Deutschland ihre Kandidaturen zurückgezogen hatten, waren noch 5 Bewerber im Rennen gewesen:
- Suleyman Mikayilov aus Aserbaidschan
- Anas Al Otaiba aus den Vereinigten Arabischen Emiraten
- Boris van der Vorst aus den Niederlanden
- Mohamed Moustahsane aus Marokko
- Umar Kremlev aus Russland
Im letzten Wahlgang waren noch 3 Kandidaten im Rennen
Im ersten Wahlgang schied Suleyman Mikayilov aus, im zweiten verabschiedete sich Anas Al Otaiba aus dem Rennen um das Amt. Im finalen Wahlgang, in dem noch 3 Kandidaten antraten, konnte Umar Kremlev schließlich die abolute Mehrheit erreichen:
- Umar Kremlev 86 von 150 gültigen Stimmen (=57,33%)
- Boris van der Vorst, 45 von 150 gültigen Stimmen (=30%)
- Mohamed Moustahsane, 19 von 150 gültigen Stimmen (=12,67%)
Das Ergebnis kam nicht unerwartet
Der Ausgang der Wahl verlief damit nicht überraschend. Umar Kremlev waren nach verbreiteter Auffassung die größten Chancen auf den Sieg eingeräumt worden. Vor der Corona-Pandemie schien er auf der internationalen Bühne des olympischen Boxens omnipräsent. So war er zum Beispiel maßgeblich an der Planung und Durchführung der AIBA-Kontinentalforen beteiligt, bei denen die AIBA das Gespräch mit den nationalen Boxverbänden der verschiedenen Kontinentalverbände suchte. Rückenwind werden sicherlich auch die beiden zurückliegenden Weltmeisterschaften der Männer und der Frauen gegeben haben, die Russland 2019 erfolgreich ausrichtete.
Umar Kremlev äußerte sich nach seiner Wahl:
Lassen Sie mich klarstellen: Der Weg zum Wiederaufbau der AIBA ist nicht einfach. Das wird nicht über Nacht passieren. Wir müssen vereint an einem einzigen Ziel arbeiten: Die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens, das die AIBA einst in den Köpfen von Sportlern weltweit hatte, und dazu gehört natürlich auch die Wiederherstellung des olympischen Status der AIBA.
Wiederanerkennung durch das IOC wichtigste Aufgabe
Damit umriss Kremlev die drängendste Aufgabe des Weltverbandes, der im Mai 2019 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zwar noch nicht final ausgeschlossen, aber doch erst einmal ausgebootet (Link öffnet sich in neuem Browserfenster) wurde. Die Suspendierung sprach das IOC wegen anhaltender Kritik an den Kampfrichterleistungen, der Überschuldung, der schlechten Verbandsführung und am Spitzenpersonal des Verbandes aus.
Es bleibt abzuwarten, wie das IOC auf die Wahl Kremlevs reagieren wird. Ohne konkrete Namen zu nennen, hatte das IOC erst kürzlich Bedenken an einigen der Kandidaten geäußert. Man nimmt an, dass damit weder der niederländische noch der deutsche Kandidat gemeint gewesen sei – zumal die Namen Kremlev und Moustahsane schon in die AIBA betreffenden Untersuchungsberichten des IOC genannt wurden. Auch vom Fortgang des Reformprozesses (Link öffnet sich in neuem Browserfenster) zeigte sich das IOC seit Frühjahr 2019 mehrfach enttäuscht.
Russland in der Doping-Falle?
Dazu kommt, dass der russische Sport von der internationalen Antidoping-Agentur WADA abgestraft wurde. Die WADA erließ wegen systematischer Doping-Vergehen im Dezember 2019 eine vierjährige Sperre gegen Russland (Link öffnet sich im neuen Browserfenster). Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da Russland Widerspruch eingelegt hat. Eine coronabedingt mehrfach verschobene Verhandlung vor dem Sportgerichtshof CAS ist noch nicht abgeschlossen.
Sollte die Entscheidung der WADA vom Sportgerichtshof bestätigt werden, drohen nicht nur russischen Athleten Probleme. Auch für russische Sportfunktionäre hätte die Entscheidung gravierende Auswirkungen: Russische Offizielle dürften für die Zeit der Sperre nicht in Gremien von Verbänden tätig sein, die sich dem Code der WADA unterstellt haben. Dies ist allerdings eine unabdingbare Voraussetzung für den Sportverkehr unter dem Dach des IOC.
DBV unterstützte Boris van der Vorst bei der Wahl
Der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) hatte seinen Kandidaten Ramie Al-Masri kurz vor der Wahl zurückgezogen und in einem Brief an die Mitgliedsverbände der AIBA die Unterstützung des Niederländers Boris van der Vorst erklärt.