Der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne hat gestern in dem Streitfall zwischen der Internationalen Anti-Doping-Agentur WADA und Russland entschieden. Die Richter am Genfer See bestätigten inhaltlich die Entscheidung der WADA, Russland wegen systematischer Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen von der internationalen Bühne des Sports zu verbannen, halbierten aber die ursprünglich von der WADA verhängte Sperre von vier auf zwei Jahren.
Gegen die Entscheidung des Sportgerichtshofes kann Russland Berufung vor dem Schweizer Bundesgericht einlegen. Dies wird die getroffene Entscheidung aber nur bei Verfahrensfehlern oder Verstöße gegen Menschenrechte aufheben. In der Sache wird es die Angelegenheit hingegen nicht neu bewerten. Daher ist davon auszugehen, dass die gestrige Entscheidung Bestand haben wird.
Die Sperre dauert bis Dezember 2022
Die Sperre dauert bis zum 16.12.2022. Damit können russische Athleten bei den kommenden Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio und bei den kommenden Olympischen Winterspielen 2022 in China nicht für ihr Land antreten. Allerdings können Sportler, die nachweislich unbelastet sind und bleiben, als neutrale Athleten an den Spielen teilnehmen. Die russische Fahne darf in diesem Fall weder auf der Kleidung sein noch darf sie gehisst werden. Ebensowenig wird die russische Hymne gespielt werden.
Russland auch von Weltmeisterschaften ausgeschlossen
Das Urteil hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf russische Sportlerinnen und Sportler. Russland darf für die Zeit der Sperre an keinen Weltmeisterschaften teilnehmen noch selbst welche ausrichten, die im Zuständigkeitsbereich der WADA liegen. Dies betrifft zum Beispiel auch die Fußball-WM 2022 in Katar, nicht jedoch die Fußball-EM, die als regionales/kontinentales Sportereignis eingestuft wird. Sind solche Zusagen schon gegeben worden, müssen diese Wettbewerbe neu vergeben werden.
Auch russische Regierungspolitiker sind von der Entscheidung betroffen. Die WADA hatte im Dezember 2019 entschieden, dass für den Zeitraum der Sperre keine russischen Regierungspolitiker oder ‑beamte Funktionen in solchen Verbänden ausüben dürfen, die unter der Aufsicht der WADA stehen. Man wird davon ausgehen dürfen, dass dies durch die Entscheidung des CAS nicht zurückgenommen wurde.
Für die AIBA bedeutet die CAS-Entscheidung Probleme
Für die krisengeschüttelte AIBA kommt die Entscheidung des CAS denkbar ungünstig, hatten die Delegierten doch gerade erst den Generalsekretär des russischen Boxverbandes Umar Kremlev an die Spitze des Weltverbandes gewählt – allen dezenten Hinweisen des IOC zum Trotz, mit der Auswahl der Kandidaten nicht sehr zufrieden zu sein.
Unbestritten ist die aktuell wichtigste Aufgabe der AIBA, das Internationale Olympische Komittee von der Reformbereitschaft und ‑fähigkeit des Weltverbandes des olympischen Boxens zu überzeugen, nachdem die AIBA wegen der anhaltenden Kritik an der Verbandsführung im Mai 2019 vorläufig aus dem Kreis der olympischen Sportverbände ausgeschlossen wurde. Für die erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgabe scheint es möglicherweise wenig hilfreich, wenn für die Spitze des Verbandes nun ein russischer Funktionär beim IOC Überzeugungsarbeit leisten muss.
Umar Kremlev reagierte 2019 auf WADA-Sperre empört
Zumal Kremlev 2019 die WADA-Entscheidung mit Empörung quittierte. In öffentlichen Äußerungen schloss er seinerzeit aus, dass russische Boxerinnen und Boxer (zuletzt bei den Weltmeisterschaften im eigenen Land sehr erfolgreich) bei den kommenden Olympischen Spielen in Tokio als »neutrale Athleten« antreten würden. Er deutete damals sogar an, dass die russischen Boxer sich insgesamt aus dem Olympischen Boxen zurückziehen könnten, wenn es bei den Sanktionen bliebe.