AIBA vom IOC sus­pen­diert, aber Boxen bleibt olympisch

Das IOC hat die AIBA vorerst vor die Tür gesetzt

Am Mitt­woch, den 22. Mai, hat das Inter­na­tio­na­le Olym­pi­sche Komi­tee (IOC) im schwei­ze­ri­schen Lau­sanne eine weit­rei­chen­de Ent­schei­dung getrof­fen: Die AIBA, der Welt­ver­band des olym­pi­schen Boxens, darf den Box­sport im nächs­ten Jahr bei den Olym­pi­schen Spie­len in Tokio nicht ver­tre­ten. Die­se Ent­schei­dung des IOC muss auf der nächs­ten Sit­zung des Gre­mi­ums vom 24. bis 26. Juni noch end­gül­tig bestä­tigt werden.

IOC-Prä­si­dent Tho­mas Bach zur heu­ti­gen Ent­schei­dung des Gremiums:

Die heu­ti­ge Ent­schei­dung wur­de im Inter­es­se der Ath­le­ten und des Box­sports getrof­fen. Wir möch­ten sicher­stel­len, dass die Ath­le­ten ihren Traum ver­wirk­li­chen und an den Olym­pi­schen Spie­len in Tokio 2020 teil­neh­men kön­nen, wäh­rend wir die not­wen­di­gen Kon­se­quen­zen für die AIBA gemäß den Emp­feh­lun­gen des Unter­su­chungs­aus­schus­ses zie­hen. Gleich­zei­tig bie­ten wir einen Weg zurück zum Auf­he­ben der Sus­pen­die­rung, aber es muss wei­te­re grund­le­gen­de Ände­run­gen geben.

Das IOC stellt damit in Aus­sicht, dass die AIBA nach Abschluss eines erfolg­rei­chen Reform­pro­zes­ses wie­der in den Kreis der olym­pi­schen Sport­ver­bän­de zurück­keh­ren darf. Dem Ver­neh­men nach erwägt der Box­ver­band den­noch recht­li­che Schrit­te gegen die­se Ent­schei­dung. Es könn­te also sein, dass die Ange­le­gen­heit noch vor dem Inter­na­tio­na­len Sport­ge­richts­hof CAS ver­han­delt wird.

Trotz der Aus­boo­tung der AIBA bleibt das Boxen also eine olym­pi­sche Sport­art, die auch bei den bevor­ste­hen­den Som­mer­spie­len in Tokio 2020 ver­tre­ten sein wird. Das olym­pi­sche Box­tur­nier ein­schließ­lich der erfor­der­li­chen Qua­li­fi­zie­rungs­wett­be­wer­be (aktu­ell geplant für den Zeit­raum zwi­schen Janu­ar und Mai 2020) soll dafür in die Hän­de einer vom IOC beru­fe­nen Kom­mis­si­on gelegt wer­den. An eine Redu­zie­rung des Umfangs ist anschei­nend nicht gedacht.

Ent­schei­dung ist kei­ne gro­ße Überraschung

Der Beschluss des Exe­ku­tiv­ko­mi­tees der olym­pi­schen Bewe­gung kam nicht über­ra­schend. Das IOC hat­te in der zurück lie­gen­den Zeit die AIBA wie­der­holt stark kri­ti­siert. Anläs­se der Ver­är­ge­rung waren zunächst in der Haupt­sa­che nicht nach­voll­zieh­ba­re Ring­rich­ter­ent­schei­dun­gen 2016 in Rio de Janei­ro, eine man­gel­haf­te Anti-Doping-Poli­tik und die Über­schul­dung des Ver­ban­des gewesen.

Vor allem die Über­schul­dung der AIBA führ­te 2017 zum Rück­tritt des Prä­si­den­ten Wu, dem als Inte­rims­prä­si­dent der usbe­ki­sche Sport­funk­tio­när und Geschäfts­mann Rak­hi­mov folg­te. Das IOC zeig­te sich von die­ser Per­so­nal­ent­schei­dung irri­tiert: Immer­hin wur­de Rak­hi­mov von ver­schie­de­nen Stel­len, dar­un­ter auch US-Behör­den, mit der orga­ni­sier­ten Kri­mi­na­li­tät in Ver­bin­dung gebracht.

Umstrit­te­ner Prä­si­dent ver­schärf­te die Lage

Als Rak­hi­mov schließ­lich im Dezem­ber 2018 auf dem AIBA-Kon­gress in Mos­kau sogar zum regu­lä­ren Prä­si­den­ten gewählt wur­de, war für das IOC das Maß wohl voll. Die AIBA bekam stär­ke­ren Gegen­wind zu spü­ren: Ihr wur­de – obwohl die Zeit dräng­te – die Vor­be­rei­tung des olym­pi­schen Tur­niers 2020 in Tokio unter­sagt. Noch nicht ein­mal die Olym­pi­schen Rin­ge durf­te die AIBA – for­mal noch Mit­glied der olym­pi­schen Fami­lie – in ihrer Außen­dar­stel­lung nut­zen. Der Kon­takt zwi­schen dem IOC und der AIBA beschränk­te sich im Wesent­li­chen auf die Anfor­de­rung von Berichten.

Unter dem stei­gen­den Druck konn­te sich der umstrit­te­ne Rak­hi­mov nach sei­ner Wahl zum regu­lä­ren Prä­si­den­ten nur weni­ge Mona­te an der Spit­ze des Ver­ban­des hal­ten: Bereits im März 2019 trat der Usbe­ke zurück. Ihm folg­te als neu­er Inte­rims­prä­si­dent der Marok­ka­ner Moha­med Moustah­sa­ne. Zu einer Ver­bes­se­rung der Bezie­hung zum IOC konn­te dies anschei­nend nicht wirk­lich bei­tra­gen: Das IOC ist zu dem Schluss gekom­men, dass die AIBA sich nicht grund­le­gend refor­mie­ren wol­le oder könne.

Boxen soll als eine olym­pi­sche Kern­sport­art erhal­ten bleiben

Die K.O.-Niederlage des Box­ver­ban­des bedeu­tet aber nicht das Ende des Box­sports bei dem Olym­pi­schen Spie­len. Der Faust­kampf zählt immer­hin zu den so genann­ten »Kern­sport­ar­ten« der Olym­pia­den: In (natur­ge­mäß) ande­rer Form war er schon Teil der anti­ken Olym­pi­schen Spie­le gewe­sen. Kurz nach den ers­ten Spie­len der Neu­zeit, die 1896 zum ers­ten Mal aus­ge­tra­gen wur­den, war er (mit einer Aus­nah­me 1912) seit 1904 wie­der fes­ter Teil des olym­pi­schen Programms.

Ange­sichts die­ser Tra­di­ti­on moch­te das IOC offen­bar nicht die Box­sport­ler für die Mise­re des Ver­ban­des lei­den las­sen. Es hat daher beschlos­sen, die Aus­rich­tung des Tur­niers in ande­re Hän­de zu legen. Nun muss schleu­nigst auf­ge­holt wer­den, was lie­gen­ge­blie­ben ist und das Tur­nier im kom­men­den Jahr in Tokio orga­ni­siert wer­den. Dabei gilt es neben logis­ti­schen Din­gen unter ande­rem auch die Qua­li­fi­zie­rungs­mo­da­li­tä­ten und das Regel­werk (allem vor­an die Bestim­mung der Gewichts­klas­sen) für die Sport­ler zu klä­ren. Vie­le Detail­fra­gen war­ten hier auf eine Antwort.

Die Zukunft und der Stel­len­wert der AIBA ist ungewiss

Wel­che Bedeu­tung die AIBA in Zukunft noch haben wird, bleibt unklar – und wür­de zudem auch von dem Aus­gang etwa­iger Rechts­strei­tig­kei­ten abhän­gen. Klar ist aber: Ein Ver­band, der das Ver­tre­tungs­recht sei­ner Sport­art im Kreis der olym­pi­schen Dis­zi­pli­nen ver­liert, erlei­det natür­lich einen immensen Bedeutungsverlust.

Ein Wett­kampf­pass der AIBA: Was ist er in Zukunft noch wert? Box­sport­ler schau­en in eine unge­wis­se Zukunft, auch wenn der Box­sport immer­hin olym­pisch bleibt.

Auch die Bedeu­tung der in die­sem Jahr statt­fin­dend­ne AIBA-Welt­meis­ter­schaft im rus­si­schen Eka­ta­rin­burg ist betrof­fen: Unter nor­ma­len Umstän­den wäre die­ser Wett­be­werb für die Sport­ler ein wich­ti­ger Mei­len­stein auf dem Weg zu den Olym­pi­schen Spie­len gewe­sen. Mit der heu­ti­gen Ent­schei­dung sind sie viel­leicht ein bes­se­res Trai­nings­la­ger gewor­den. Gut vor­stell­bar, dass Natio­nal­ver­bän­de ihre Teil­nah­me an der WM über­den­ken wer­den – nicht zuletzt mit dem Blick auf knap­pe Geld­mit­tel, die man womög­lich nun lie­ber für die zwi­schen Janu­ar und Mai geplan­ten neu­en Qua­li­fi­zie­rungs­wett­be­wer­be ver­wen­den will oder muss.

Der Box­sport, darf man hof­fen, kommt ins­ge­samt hier­zu­lan­de wohl noch­mal mit einem blau­en Auge davon, weil er am Ende doch wohl auch olym­pisch blei­ben wird. Denn wo es olym­pi­sche Medail­len zu gewin­nen gibt, gewährt die öffent­li­che Hand in Deutsch­land finanz­schwa­chen Sport­ar­ten auf unter­schied­li­chen Ebe­nen über­le­bens­wich­ti­ge Unter­stüt­zung. Die Ent­schei­dung des IOC dürf­te also eine Fort­set­zung der staat­li­chen Hil­fen bedeu­ten. Ohne sie wür­de der Box­sport in Deutsch­land wohl end­gül­tig im Abseits landen.


Stel­lung­nah­me des IOC (Link öff­net sich im neu­en Browserfenster):
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Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: