Vom 24. bis zum 26. Juni 2019 wird die 134. IOC-Vollversammlung im schweizerischen Lausanne tagen. Die Delegierten haben dann auch über das Schicksal des Weltverbandes des olympischen Boxens AIBA zu entscheiden.
Es gilt als sicher, dass sie der Empfehlung des Exekutivrates des IOC vom 22. Mai folgen werden und den Boxverband – zumindest vorübergehend – aus der Familie der olympischen Sportverbände ausschließen werden. Der olympische Boxwettbewerb soll in Tokio ohne die AIBA ausgerichtet werden.
Mohamed Moustahsane unter Beschuss
In der Führungsetage der AIBA regt sich nun angesichts der düsteren Zukunftsaussichten ein immer deutlicher werdender Widerstand gegen die Politik der AIBA. Der neue Interimspräsident Mohamed Moustahsane – kaum im Amt – steht bereits stark in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, nicht angemessen auf die jüngsten Entwicklungen zu reagieren.
Ukrainische Boxverband drängt auf vorzeitige Sitzung der AIBA
Als erster wagte sich der Ukrainer Volodymyr Prodyvus, ein Mitglied des AIBA-Exekutivkomitees, aus der Deckung. Er beklagte unter anderem, dass die AIBA nicht schon vor der am 24. Juni beginnenen IOC-Vollversammlung auf Leitungsebene zusammenkomme, sondern ein Treffen erst nach deren Ende am 27. Juni angesetzt sei. Die AIBA werde »ohne sofortige, radikale Säuberung sowie ohne zusätzliche substanzielle Reformen scheitern«, so Prodyvus.
Russland will unzufriedene Mitglieder des AIBA-Exekutivkomitees zusammenrufen
Kurz darauf war der Generalseketär des russischen Boxverbandes Umar Kremlev zu hören. Kremlev, ebenfalls Mitglied des AIBA-Exekutivkomitees, gab auf der Tagung des »World Boxing Forums« (endete am 16. Juni) bekannt, dass sich Mitglieder des AIBA-Exekutivkomitees während der European Games (21.–30. Juni) im weissrussischen Minsk treffen würden, um sich zu beraten.
Ziel sei die Einsetzung einer Kommission, die sich um die Zusammenarbeit mit dem IOC bemühen solle. »Da das derzeitige Management das Problem nicht lösen konnte, werden wir als Mitglieder des AIBA-Exekutivkomitees Verantwortung übernehmen und das Problem lösen«, wird Kremlev zitiert.
Russland: Geldangebot erneuert, AIBA-Weltmeisterschaften sollen Qualifikationswettbewerbe für Tokio bleiben
Kremlev erneuerte außerdem sein Angebot, russisches Geld zur Entschuldung der AIBA zu sammeln, sprach dieses Mal aber von einem zu gründenden Fond, in den Menschen und Institutionen einzahlen würden, denen das Boxen nicht gleichgültig sei. Ein erstes Angebot der Entschuldung hatte Mohamed Moustahsane zurückgewiesen – in der nicht unbegründeten Befürchtung, dass das IOC darin wohl kaum die geforderte Transparenz erkennen würde.
Schließlich drängte Kremlev auch darauf, dass die bevorstehenden AIBA-Weltmeisterschaften der Männer und Frauen (beide 2019 von Russland ausgerichtet) Qualifikationswettbewerbe für die Olympischen Spiele in Tikio 2020 bleiben sollen.
Bulgarische Boxpräsidentin spricht von Neuwahlen
Zuletzt hatte sich dann noch die Präsidentin des bulgarischen Boxverbandes Emilia Grueva geäußert und den Umgang der AIBA mit der Kritik aus den eigenen Reihen bemängelt. Sie unterstützte die Forderung nach einer außerordentlichen Sitzung der AIBA noch vor der Vollversammlung des IOC und brachte auch Neuwahlen ins Spiel. Dies, so die Bulgarin, würde dem IOC zeigen, dass sich AIBA reformiert und die Chancen erhöhen, nach den Olympischen Spielen im nächsten Jahr in Tokio wieder eingesetzt zu werden.
Rakhimov trat zwar schon wenige Monate später wieder zurück, aber das Vertrauen des IOC in die Reformfähigkeit der AIBA war nachhaltig, wenn nicht sogar endgültig erschüttert. Daran konnte auch der Nachfolger Rakhimovs, der Marokkaner Mohamed Moustahsane, nichts ändern. In den Augen des IOC scheint er nicht für einen Neuanfang des Verbandes zu stehen: Er war als AIBA-Funtionär an den kritisierten Kampfrichtereinsätzen in Rio beteiligt.
Trotz der Suspendierung der AIBA soll Boxen aber eine olympische Sportart bleiben. Nur die AIBA wird voraussichtlich mit der Organisation des Boxturniers im Rahmen der Olympischen Spiele 2020 in Tokio nichts mehr zu tun haben.
Weil die Zeit drängt und die IOC-Vollversammlung üblicherweise den Empfehlungen seines Exekutivrates folgt, hat das IOC bereits jetzt Schritte unternommen, um eine Durchführung des Turniers sicherzustellen. Es beauftragte den Präsidenten des Weltturnerbundes Watanabe mit der Organisation des Wettbewerbs, der sich nun nach Partnern und Knowhow umschaut.