Der ehemalige Weltverband des olympischen Boxen IBA (früher AIBA) wurde am 22. Juni 2023 durch die Vollversammlung des IOC aus dem Kreis der olympischen Familie ausgeschlossen. Eine Klage der IBA gegen diese Entscheidung vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne scheiterte Anfang April.
IBA ist eigentlich komplett außen vor
Praktisch betrachtet hat der Verband jedoch bereits seit seiner (damals erst einmal noch vorläufigen) Ausbootung im Jahr 2019 mit den Olympischen Spielen nichts mehr zu tun. Für Tokio und jetzt Paris übernahm das IOC die Verantwortung für die Qualifikationswettbewerbe und das olympische Boxturnier.
IBA verspricht über 3 Millionen Dollar
Dennoch erklärte der ausgebootete Verband am 29. Mai 2024 in einer Pressemitteilung, an in Paris 2024 erfolgreiche Boxerinnen und Boxer Preisgelder auszahlen zu wollen. Demnach sollen
- Goldmedaillen mit 100.000 Dollar vergütet werden (Athlet 50.000 Dollar, Trainer und Verband jeweils 25.000 Dollar)
- Silbermedaillen mit 50.000 Dollar vergütet werden (Athlet 25.000 Dollar, Trainer und Verband jeweils 12.500 Dollar)
- Bronzemedaillen mit 25.000 Dollar vergütet werden (Athlet 12.500 Dollar, Trainer und Verband jeweils 6.250 Dollar)
- Verlierer der Viertefinalkämpfe 10.000 Dollar erhalten.
Nach Angaben der IBA sollen nach dieser Regelung im Rahmen einer eigenen Zeremonie insgesamt 3,1 Mio. Dollar ausgeschüttet werden.
Goldmedaillisten sollen bei IBA Champions’ Night boxen
Außerdem seien die Goldmedaillengewinner von Paris 2024 qualifiziert, bei den IBA Champions’ Night-Veranstaltungen um die Meistertitel kämpfen zu dürfen. Die IBA Champions’ Night ist ein kürzlich durch die IBA aufgelegtes Wettkampfformat, das sich vom sogenannten Profiboxen kaum unterscheidet.
IOC kritisiert fehlende Transparenz
Das IOC reagierte nur einen Tag später am 30. Mai 2024 mit einer Presseerklärung auf die Ankündigung der IBA. Wie immer bei der IBA sei vollkommen unklar, woher das Geld stamme, äußert sich das IOC. Das »völlige Fehlen finanzieller Transparenz« sei genau einer der Gründe gewesen, warum der IBA die Anerkennung entzogen wurde.
IOC: IBA hat mit Olympia nichts zu tun
Das IOC stellt dann noch einmal klar, dass die IBA mit den Spielen rein gar nichts mehr tu tun habe: »Die Qualifikationen und die Olympischen Turniere wurden und werden von Planungsstäben organisiert, die vom IOC eingerichtet wurden, um die Athleten, die nationalen Boxverbände und ihre jeweiligen Nationalen Olympischen Komitees (NOKs) zu schützen.«
IOC fordert integren Verband
Die Mitteilung des IOC erinnert außerdem noch ein weiteres Mal daran, dass das IOC kein drittes Mal das Boxen im Rahmen der Olympischen Spiele selbst organisieren werde. Daher sei Boxen gegenwärtig nicht im Programm der Olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles. Boxen in Los Angeles werde es nur geben, wenn es »von einem glaubwürdigen, gut geführten internationalen Verband organisiert werde«.
IOC: IBA-Boxer von Los Angeles ausgeschlossen
Das Statement des IOC schließt: »Es ist daher bereits klar, dass jeder Boxer, dessen Nationalverband der IBA angehört, nicht an den Olympischen Spielen LA28 teilnehmen kann. Das jeweilige NOK muss einen solchen Nationalen Boxverband aus seiner Mitgliedschaft ausschließen.«
Diese Schlussbemerkung lässt aufhorchen: Sollte damit gemeint sein, dass Boxerinnen und Boxer auch dann von den Spielen ausgeschlossen sind, wenn ihr Verband eine Doppelmitgliedschaft in der IBA und bei World Boxing anstrebt?
Denn genau das dürften sich einige Nationalverbände vielleicht erhofft haben: Auf der einen Seite an den Vorteilen einer spendabel auftretenden IBA teilhaben, auf der anderen Seite nach Paris 2024 durch einen eiligen Beitritt zu World Boxing die olympische Perspektive wahren.
Verwundern können solche Vorstellungen nicht, denn schließlich hatten sich viele daran gewöhnt, trotz fortbestehender Mitgliedschaft in der IBA nach wie vor schon auf irgendeinem Weg einen Zugang zu den Olympischen Spielen zu bekommen.
Kommentar von Ralf Elfering
Toxische Zuwendungen
Früher verlor das olympische Boxen nach Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen seine Talente oft an das sogenannte Profiboxen.
Heute ist es der ehemalige Verband des olympischen Boxens selbst, der sich nach Paris hemmungslos an der »Humanressource Sportler« bedienen will, um sich nach seiner Ausbootung durch das IOC vollends unter die Profiverbände einzureihen.
Dabei inszeniert sich ausgerechnet der Verband, der es geschafft hat, das olympische Boxen komplett ins Chaos zu stürzen und von der Liste der olympischen Sportarten zu entfernen, als Kümmerer. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so tragisch wäre.
Die IBA stellt die versprochenen Preisgelder als Anerkennung der Sportlerinnen und Sportler dar. Diese Preisgelder sind nur möglich durch das Geld des russischen Staatskonzerns Gazprom, von dem die IBA komplett abhängig ist.
Das Geld, darf man annehmen, soll die Welt des olympischen Boxens spalten. Möglicherweise sogar im Auftrag russischer Politik, vielleicht aber auch nur in vorauseilendem Gehorsam. Jedenfalls ein vergiftetes Geschenk, dass die Moral auf die Probe stellt.
Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang die Klarstellung des IOC, das erneut daran erinnert, dass sich die Nationalverbände in einem neuen, integren Verband organisieren müssen – den es übrigens mit World Boxing ja schon gibt.
Aufhorchen lässt die Schlussbemerkung des IOC: Man könnte sie so verstehen, dass die Olympischen Spiele völlig frei von allen Einflussmöglichkeiten und Beimengungen der IBA sein sollen. Das wäre nach den Erfahrungen der älteren und jüngsten Vergangenheit nur verständlich.
Wenn es so gemeint sein sollte, müssten die Nationalverbände nun tatsächlich Farbe bekennen: Entweder IBA oder World Boxing – aber nicht ein sowohl als auch.