Die Weltverband des olympischen Boxens AIBA und der russische Konzern Gazprom gaben heute eine bis 2022 vereinbarte Zusammenarbeit bekannt. Der Konzern wird damit Partner aller wichtigen AIBA-Veranstaltungen wie etwa die Weltmeisterschaften.
Finanzielle Stabilität
»Die finanzielle Stabilität der AIBA ist eines unserer Hauptziele. Deshalb ist uns die Partnerschaft mit dem größten Unternehmen der Welt wichtig, um gemeinsam die Aufgaben der Boxfamilie zu erfüllen. Heute freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass PJSC Gazprom der Partner der International Boxing Association geworden ist. Dies ist ein enormer und äußerst wichtiger Schritt für uns. Das Unternehmen engagiert sich aktiv in der Entwicklung des Sports und unterstützt nun die Werte des Boxens. Wir sind dankbar für das Vertrauensvotum und sind sicher, dass wir eine produktive Partnerschaft und viele neue gemeinsame Siege vor uns haben«, kommentierte AIBA-Präsident Umar Kremlev die Partnerschaft.
Details bleiben unter Verschluss
Über Details der Vereinbarung vereinbarten beide Parteien Stillschweigen, so dass zu dem finanziellen Volumen und weiteren inhaltlichen Punkten nichts bekannt wurde. Auch wenn Beträge ungenannt blieben, dürfte die Vereinbarung der AIBA vermutlich jedoch Luft verschaffen. Der Verband hatte aus vorherigen Amtszeiten eine Schuldenlast von etwa 16 Millionen Dollar angehäuft und war unter anderem auch dafür vom IOC gerügt worden.
Gazprom-Partnerschaft endet mit Amtszeit Kremlevs
Die Laufzeit der Vereinbarung (bis 2022) deckt sich mit der Amtszeit des neu gewählten AIBA-Präsidenten Umar Kremlev. Kremlev wurde zwar erst im Dezember 2020 gewählt, aber nach der Satzung der AIBA hat er ungeachtet des Zeitpunkts seiner Wahl zunächst die vierjährige Amtszeit des 2018 regulär gewählten Präsidenten Gafur Rakhimov zu beenden, der allerdings 2019 bereits zurücktrat. Nach diesem Rücktritt und bis zur mehrfach verschobenen Neuwahl wurde die AIBA lediglich interimistisch durch den Marokkaner Mohamed Moustahsane geleitet.
Das Staatsunternehmen Gazprom
Gazprom ist das weltweit größte Erdgasunternehmen und mit einem Umsatz von 122,6 und einem Gewinn von 22,6 Milliarden US-Dollar (2019) und über 470.000 Beschäftigten einer der größten Konzerne Europas.
Der Konzern ist fest unter Kontrolle des russischen Staates: Er hält 50 Prozent und eine Aktie an dem Unternehmen und im Aufsichtsrat die Mehrheit der Sitze. Seit 2001 ist Alexei Miller Vorstandsvorsitzender des Konzerns. Seit 2008 leitet der ehemalige russische Regierungschef Wiktor Subkow den Aufsichtsrat. Beide gelten als enge Vertraute des russischen Präsidenten Putin. Bis zur Ernennung Subkows als Aufsichtsratsvorsitzender bekleidete der spätere russische Präsident Dmitri Medwedew diesen Posten.
Im Sportsponsoring ist Gazprom ein bekannter Name. Das Unternehmen unterstützt unter anderem den Fußballbundesligisten Schalke 04 und ist seit der Saison 2012/2013 offizieller Partner der UEFA Champions League und seit 2015 offizieller Partner des Fußballweltverbands FIFA.
Kommentar von Ralf Elfering
Wer zahlt, bestimmt die Musik
Der Rubel rollt: Dank des gut vernetzten Russen Umar Kremlev, erst seit wenigen Monaten neuer AIBA-Präsident, fließt nun – so mag man es wohl ausdrücken dürfen – russisches Staatsgeld in die leeren Kassen der AIBA. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.
Die ehemals erdrückenden Schulden des Verbandes, der eine Zeitlang dem Vernehmen nach wohl kaum mehr wusste, wie er seine notwendigen Treffen oder die Miete im Lausanner »Maison du Sports« bezahlen soll, lösen sich nun wohl in Luft auf. Stattdessen erwarten nun einige eine rosige Zukunft: Pompös inszenierte Weltmeisterschaften, Boxen im Jet-Set-Modus, Geschenke hier, Geschenke dort.
Russisches Staatsgeld also. Auch wenn man – abgesehen von der Laufzeit – Details des Deals nicht kennt: Man darf gespannt sein, ob das Internationale Olympische Komitee (IOC) sich eine solche Lösung vorgestellt hatte, als es den Verband unter anderem auch wegen seiner Überschuldung gerügt hat.
Denn nicht nur die Finanzen des Verbandes standen in der Kritik, sondern ebenfalls seine Verstöße gegen Standards der guten Verbandsführung (Good Governance). Zu denen zählt aber auch die Gewährleistung einer prinzipiellen Unabhängigkeit.
Schon 2019 zeigte sich das IOC irritiert, als Umar Kremlev im Alleingang die Entschuldung der AIBA anbot. Die AIBA-Untersuchungskommission des IOC beanstandete damals in einem Bericht, dass die Herkunft des Geldes unklar sei und brachte damit wohl die Sorge vor einer Einflussnahme zum Ausdruck. Nun, die Quelle des Geldsegens ist nun klar – aber kann dies die Bedenken ausräumen?
Das russische Staatsgeld gibt Anlass zur Sorge, dass sich die AIBA in die unmittelbare Abhängigkeit des russischen Staates begeben könnte – oder vielleicht schon begeben hat – und zum sportpolitischen Instrument Russlands wird.
Die Laufzeit der Vereinbarung (das einzig greifbare Detail, das bislang bekannt wurde) ist geeignet, diese Sorge zu bekräftigen: Die Partnerschaft endet mit der Amtszeit des neuen russischen AIBA-Präsidenten. Wird er 2022 nicht wiedergewählt, steht die AIBA womöglich erneut vor dem Nichts. So sichert man sich Einfluss.
Weil der Verband es versäumte oder verweigerte, die vom IOC gestellte Aufgabe anzunehmen und sich mit tatsächlichen Reformen wirklich zu sanieren und unabhängig zu machen, mag er nun ein wehrloses Opfer geworden sein, das aus der Portokasse eines Unternehmens finanziert wird – und von diesen Geldern abhängig ist. Denn schließlich beißt man nicht ungestraft die Hand, die einen füttert.