Zwei par­al­le­le U19-Welt­meis­ter­schaf­ten wer­fen Schlag­licht auf das olym­pi­sche Boxen

In den USA und in Montenegro boxt die Jugend gleichzeitig

Die jun­gen Frau­en und Män­ner der Geburts­jahr­gän­ge 2006 und 2007 (Alters­klas­se U19) boxen in die­sem Okto­ber um die Medail­len und die Welt­meis­ter­ti­tel in den ver­schie­de­nen Gewichts­klas­sen. Zum ers­ten Mal in der Geschich­te des olym­pi­schen Boxens tun sie das aller­dings nahe­zu zeit­gleich im Rah­men zwei­er ver­schie­de­ner Turniere: 

Vom 23. Okto­ber bis zum 3. Novem­ber boxt der Nach­wuchs der IBA in Bud­va (Mon­te­ne­gro). Vom 26. Okto­ber bis zum 2. Novem­ber kämpft die Jugend von World Boxing in Pue­blo (Cole­ra­do, USA). Nicht nur die Boxe­rin­nen und Boxer kon­kur­rie­ren also im Ring – auch die bei­den Welt­ver­bän­de ste­hen mit­ein­an­der im Wettbewerb:

  • Auf der einen Sei­te mit der IBA (frü­her AIBA) jener Ver­band, der vie­le Jahr­zehn­te den Box­sport in der Fami­lie der olym­pi­schen Sport­ar­ten ver­tre­ten durf­te, die­se Posi­ti­on jedoch 2019 zunächst vor­läu­fig und 2023 schließ­lich end­gül­tig verlor.
  • Auf der ande­ren Sei­te mit World Boxing der 2023 neu gegrün­de­te Ver­band, der sich um die Aner­ken­nung des Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees (IOC) bemüht, um die Zukunft des Boxens als olym­pi­sche Sport­art zu sichern. 

Auch wenn die Anzahl der Natio­nal­ver­bän­de, die sich in den letz­ten Mona­ten World Boxing ange­schlos­sen haben, kon­ti­nu­ier­lich steigt: Die bei­den U19-Welt­meis­ter­schaf­ten unter­schei­den sich (noch) deut­lich in der Größe. 

Knapp 600 Sport­le­rin­nen und Sport­ler boxen in Bud­va, knapp 170 sind es in den USA. In den USA kann es daher mit einer täg­li­chen Ver­an­stal­tung (in zwei Rin­gen) ver­gleichs­wei­se ent­spannt zuge­hen. In Bud­va wer­den drei täg­li­che Ver­an­stal­tun­gen (eben­falls in zwei Rin­gen) benö­tigt, um das Pro­gramm abzuarbeiten.

Aus rein sport­li­cher Sicht ist die IBA-WM damit die grö­ße­re Her­aus­for­de­rung. So rich­tig deut­lich wird das vor allem in eini­gen Tur­nier­grup­pen der Frau­en. Bei der IBA-WM kon­kur­rie­ren z.B. im Super­schwer­ge­wicht sie­ben Boxe­rin­nen mit­ein­an­der, bei der WM von World Boxing sind es ledig­lich zwei. 

Medail­len­ge­win­ne sind hier wie dort also noch nicht ganz ver­gleich­bar: Der Weg auf das Sie­ger­po­dest ist bei der IBA-WM im Durch­schnitt länger.

Die World-Boxing-WM in den USA

Die 31 teil­neh­men­den Natio­nen (in Klam­mern die Zah­len der jewei­li­gen Athlet*innen):

Alge­ri­en (3), Aus­tra­li­en (11), Bra­si­li­en (5), Deutsch­land (10), Ecua­dor (4), Eng­land (10), Finn­land (3), Indi­en (19), Irak (2), Ita­li­en (12), Japan (8), Kana­da (6), Kasach­stan (5), Kir­gi­stan (5), Lett­land (4), Mon­go­lei (?), Neu­see­land (8), Nie­der­lan­de (2), Nige­ria (2), Phil­ip­pi­nen (5), Refu­gee-Team (1), Schwe­den (2), Schweiz (1), Sin­ga­pur (3), Süd­ko­rea (8), Tahi­ti (?), Thai­land (4), Tsche­chi­en (9), Ukrai­ne (4), USA, (10) und Wales (4).

Die IBA-WM in Montenegro

Die 74 teil­neh­men­den Natio­nen (in Klam­mern die Zah­len der jewei­li­gen Athlet*innen):

Afgha­ni­stan (3), Alba­ni­en (12), Arme­ni­en (13), Aser­bai­dschan (13), Aus­tra­li­en (4), Bela­rus (5), Bel­gi­en (4), Boli­vi­en (2), Bos­ni­en Her­ze­go­wi­na (4), Bra­si­li­en (5), Bul­ga­ri­en (9), Chi­le (3), Chi­na (22), Dem. Rep. Kon­go (5), Deutsch­land (7), Ecua­dor (6), Est­land (5), Frank­reich (5), Fran­zö­sisch Poly­ne­si­en (4), Geor­gi­en (8), Gha­na (6), Grie­chen­land (12), Gui­nea (2), Hong­kong (3), IBA-Neu­tral (11), Iran (4), Irland (8), Isra­el (7), Kasach­stan (25), Kir­gi­stan (14), Kolum­bi­en (12), Koso­vo (4), Kroa­ti­en (12), Kuba (8), Leso­tho (4), Lett­land (1), Litau­en (10), Mal­ta (1), Marok­ko (17), Mexi­ko (21), Mol­dau (12), Mon­te­ne­gro (2), Nepal (3), Neu­see­land (1), Nord­ko­rea (4), Nord­ma­ze­do­ni­en (8), Paki­stan (1), Paläs­ti­na (1), Para­gu­ay (1), Polen (20), Por­tu­gal (3), Puer­to Rico (11), Rumä­ni­en (21), Russ­land (25), Samoa (1), San­ta Lucia (2), Ser­bi­en (10), Sey­chel­len (2), Sier­ra Leo­ne (3), Slo­wa­kei (6), Slo­we­ni­en (10), Spa­ni­en (9), Süd­afri­ka (5), Tadschi­ki­stan (9), Tri­ni­dad und Toba­go (6), Tsche­chi­en (4), Tune­si­en (10), Tür­kei (23), Turk­me­ni­stan (8), Ungarn (13), Usbe­ki­stan (23), Vene­zue­la (13), Zim­bab­we (3) und Zypern (1).

Die neue Unüber­sicht­lich­keit im olym­pi­schen Boxen

Irland (aktu­ell noch IBA-Mit­glied) ist in Bud­va gleich mit zwei Teams ver­tre­ten. Das Team des in Irland vom Natio­na­len Olym­pi­schen Komi­tee aner­kann­ten Ver­ban­des star­tet wie gewohnt unter IRL. Das ande­re Team wur­de von der IBA unter »IBA-Neu­tral« zum Tur­nier zuge­las­sen. In ihm haben sich Sport­le­rin­nen und Sport­ler zusam­men­ge­tan, die der iri­sche Ver­band nicht für die WM nomi­niert hat­te. Der Pro­test des iri­schen Ver­ban­des gegen die­ses Vor­ge­hen ist eben­so ver­ständ­lich wie er jedoch von der IBA igno­riert wurde. 

Eine Rei­he von Län­der­na­men fin­det man in bei­den Tur­nie­ren ver­tre­ten. In der Regel dürf­te dies dadurch erklär­bar sein, dass die IBA in sol­chen Län­dern die Grün­dung neu­er »Ver­bän­de« unter­stützt oder gar ange­scho­ben hat, deren tra­di­tio­nel­le Natio­nal­ver­bän­de zu World Boxing gewech­selt sind. 

Man darf ver­mu­ten, dass die IBA damit zum einen die in ihrem Ver­ständ­nis abtrün­ni­gen Natio­nal­ver­bän­de abstra­fen möch­te, die sich nun plötz­lich im eige­nen Land mit einem zwei­ten Box­ver­band aus­ein­an­der­set­zen müs­sen, der einen (frei­lich ziem­lich aus­sichts­lo­sen) Anspruch auf die Ver­tre­tung des olym­pi­schen Boxens erhebt.

Zum ande­ren erweckt es den Anschein, als sei­en die­se Län­der unver­än­dert in ähn­li­cher Form in IBA-Wett­be­wer­ben ver­tre­ten wie schon immer – als sei der Aus­tritt die­ser Ver­bän­de somit im Grun­de wir­kungs­los geblieben. 

Dies betrifft bei die­ser IBA-WM u.a. Deutsch­land, Bra­si­li­en und Tsche­chi­en, die in Bud­va mit einem »Ver­band« ver­tre­ten sind. 

Von IBA gespon­sor­te Mini-Verbände

Dazu muss man jedoch wis­sen, dass die­se mit IBA-Hil­fe neu gegrün­de­ten »Ver­bän­de« nicht die Aner­ken­nung ihrer zustän­di­gen Natio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees genie­ßen. Sie sind sozu­sa­gen kei­ne »offi­zi­ell« aner­kann­te sport­li­che Ver­tre­tung ihres Staa­tes, wenn man im Sport über­haupt noch so amt­lich-diplo­ma­tisch for­mu­lie­ren darf. 

Hin­zu kommt: Die­se neu­en Ver­bän­de sind in der Regel ohne IBA-Spon­so­ring weder finan­zi­ell noch sport­lich wirk­lich lebens­fä­hig. Es man­gelt ihnen an Grö­ße, Basis und Erfahrung.

So ist bezeich­nend, dass bei der IBA-WM in Bud­va etwa die USA feh­len. Dabei hat­te die IBA kur­ze Zeit nach dem Aus­tritt von »USA Boxing« wie­der die Mit­glied­schaft der USA in der IBA vermeldet. 

Aller­dings war nicht etwa der renom­mier­te Ver­band »USA Boxing« zur IBA zurück­ge­kehrt, der immer­hin 2400 Box­ver­ei­ne zu sei­nen Mit­glie­dern zählt und vom Natio­na­len Olym­pi­schen Komi­tee der USA aner­kannt ist. 

Nein, ein­ge­tre­ten war ein Mini-Ver­band mit dem statt­li­chen Namen »US Boxing Fede­ra­ti­on«, der aber nur aus gan­zen 3 Gyms besteht, die Roy Jones juni­or gehö­ren – dem berühm­ten ehe­ma­li­gen Pro­fi­bo­xer, der sich seit Jah­ren für rus­si­sche Pro­pa­gan­da ein­span­nen lässt. Offen­bar ver­moch­te die­ser Ver­band dann doch kei­ne Dele­ga­ti­on nach Euro­pa zu senden.

World Boxing nimmt klu­ger­wei­se hin­ge­gen nur sol­che Natio­nal­ver­bän­de auf, die vom ihren jewei­li­gen Natio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees als offi­zi­el­le Ver­tre­tung für den olym­pi­schen Box­sport aner­kannt sind. Das mag viel­leicht nicht in allen, so aber doch in vie­len Fäl­len auf die Ein­hal­tung von Min­dest­stan­dards hof­fen lassen.

Doch auch bei der WM von World Boxing wirft der Blick auf die Teil­neh­mer­lis­te eini­ge Fra­gen auf: Am Wett­be­werb neh­men eine Rei­he von Natio­nen teil, die (zumin­dest nach öffent­lich zugäng­li­chen Quel­len) nicht World Boxing ange­schlos­sen sind. Von eini­gen ist aber immer­hin bekannt, dass sie unlängst ihren Wech­sel ange­kün­digt haben. So etwa im Fall von Alge­ri­en, Kasach­stan und der Schweiz. 

Vor­stell­bar, dass sie mit einer Art Gast­recht und im Vor­griff auf ihre bevor­ste­hen­de Mit­glied­schaft teil­neh­men dür­fen. Kasach­stan ist eigen­ar­ti­ger­wei­se jedoch auch bei der IBA-WM mit einem sehr gro­ßen Team vertreten. 

Wie auch immer: Die­se Unüber­sicht­lich­keit scha­det dem olym­pi­schen Box­sport, der sich im Gegen­satz zum so genann­ten »Pro­fi­bo­xen« lan­ge u.a. dadurch aus­zeich­ne­te, dass er eine ein­heit­li­che Sport­struk­tur vor­wei­sen konn­te, die denen der ande­ren Sport­ar­ten ähnel­te. Aktu­ell ist das – zumin­dest für Außen­ste­hen­de – nicht mehr gege­ben. Sogar jene, die am olym­pi­schen Box­sport in irgend­ei­ner Rol­le teil­ha­ben, wer­den nicht mehr in allen Fäl­len den Über­blick behalten.

World Boxing darf auf wei­te­ren Zuwachs hoffen

Im Anschluss an die Word-Boxing-WM fin­det in den USA ein Kon­gress des neu­en Welt­ver­ban­des statt. Es ist zu erwar­ten, dass in die­sem Zusam­men­hang bzw. im Nach­gang wei­te­re Bei­trit­te zu World Boxing zu ver­mel­den sein wer­den. Denn die Sat­zung des Ver­ban­des lässt in einem Zeit­raum von 90 Tagen vor einem Kon­gress gar kei­ne Ein­trit­te neu­er Mit­glie­der zu. 

Gut mög­lich also, dass der eine oder ande­re Antrag bereits seit eini­gen Wochen in der Schub­la­de liegt. Denn vor eini­ger Zeit hat­te das IOC klar­ge­stellt, dass kei­ne Boxer*innen 2028 in Los Ange­les star­ten dürf­ten, die noch in der Zustän­dig­keit der IBA boxen. – Ein Denk­an­stoß für jene Natio­nal­ver­bän­de, die lan­ge gedacht hat­ten, man kön­ne in der IBA blei­ben, aber wegen des Zugangs zu den Olym­pi­schen Spie­len irgend­wann ein­mal zusätz­lich bei World Boxing Mit­glied wer­den. Sie müs­sen sich nun beken­nen, wenn sie an der olym­pi­schen Per­spek­ti­ve ihres Sports fest­hal­ten wollen.

Und erst kürz­lich leg­te das IOC nach: Es gab den Natio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees den deut­li­chen Hin­weis, dass sie die Ver­bin­dun­gen zu sol­chen natio­na­len Box­ver­bän­den kap­pen müs­sen, die noch der IBA ange­hö­ren. Sie könn­ten hin­gen aber sol­che Ver­bän­de aner­ken­nen, die Mit­glie­der eines neu­en inter­na­tio­na­len Box­ver­ban­des sei­en, sich im Pro­zess der Mit­glied­schaft befän­den oder beab­sich­tig­ten, Mit­glied eines sol­chen Inter­na­tio­na­len Ver­ban­des zu wer­den, der für das olym­pi­sche Boxen gegrün­det wurde.

Das lässt hof­fen, dass nächs­te Tur­nie­re von World Boxing wie etwa die WM der erwach­se­nen Frau­en und Män­ner in Eng­land im Sep­tem­ber 2025 auf einer quan­ti­ta­tiv brei­te­ren Basis ste­hen wer­den – und somit wei­ter an sport­li­chen Wert gewin­nen werden.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: