WM in Russ­land: Ein abschlie­ßen­der Blick auf die Kampfurteile

93 Prozent der Kämpfe wurden nach Punkten entschieden

Etwa zur Halb­zeit der Welt­meis­ter­schaft im Olym­pi­schen Boxen hat­ten wir die bis dahin gefäll­ten Kamp­fur­tei­le bereits schon ein­mal sta­tis­tisch aus­ge­wer­tet. Nach Abschluss des Tur­niers mit dem Final­tag am 21. Sep­tem­ber 2019 kön­nen die Aus­wer­tun­gen nun abschlie­ßend für den gesam­ten Wett­be­werb vor­ge­nom­men werden.

Kampf­ent­schei­dun­gen und ihre Häufigkeit

Abb. oben: Die Ver­tei­lung der 8 bei einem Tur­nier mög­li­chen Kampf­ent­schei­dun­gen über den gesam­ten Tur­nier­ver­lauf hin­weg. Ein »Unent­schie­den« als Urteil ist bei Tur­nie­ren nicht mög­lich, da ja in jedem fall ein Gewin­ner ermit­telt wer­den muss, der in die nächs­te Tur­nier­run­de vorrückt.

Von den 357 Kämp­fen des Tur­niers wur­den 332 durch Punk­te ent­schie­den, gin­gen also in der Regel über die vol­le Kampf­di­stanz von 3 x 3 Minu­ten. Dies ent­spricht einem Anteil von 93 Pro­zent aller Kämp­fe. Die nach Punk­ten ent­schie­de­nen Kämp­fe gin­gen nur dann über eine kür­ze­re Distanz, wenn ein Unfall zur Ver­let­zung eines der bei­den Kämp­fer geführt hat­te und in die­sem Fall auch bei dem vor­zei­ti­gen Ende die Punkt­rich­ter ent­schei­den, wer zum Zeit­punkt des Kampf­ab­bruchs in Füh­rung gele­gen hat.

Mit 13 RSC-Ent­schei­dun­gen (»Refe­ree stops Con­test« wegen zu gro­ßer Über­le­gen­heit des einen Boxers oder wegen drei­ma­li­gen Anzäh­lens in einer Run­de oder sie­ben­ma­li­gen Anzäh­lens im gesam­ten Kampf) stellt die­ses Urteil den zweit­größ­ten Anteil der Kamp­fur­tei­le dar. Das ent­spricht unge­fähr 3,6 Pro­zent der Entscheidungen.

An drit­ter Stel­le fol­gen Walk-Over-Ent­schei­dun­gen (WO), in denen die Geg­ner zum Kampf nicht im Ring erschei­nen. Dies geschah in 6 von 357 Kämp­fen (ent­spricht etwa 1,7 Pro­zent der Fäl­le) und hat in der Regel sei­nen Grund dar­in, dass ein Sport­ler wegen einer im Kampf zuvor erlit­te­nen Ver­let­zung in der dar­auf­fol­gen­den Run­de nicht mehr kämp­fen kann. Der zum Kampf erschie­ne­ne Boxer gewinnt die­se Begeg­nung kampf­los. Da das Ver­let­zungs­ri­si­ko mit der Zahl der absol­vier­ten Kämp­fe steigt, häuf­ten sich die WO-Ent­schei­dun­gen natur­ge­mäß in der zwei­ten Hälf­te des 12-tägi­gen Wettbewerbs.

Nur in 4 von 357 Kämp­fen – also in etwa 1,1 Pro­zent der Fäl­le – wur­de das Gefecht durch einen KO ent­schie­den. In die­sem gerin­gen Pro­zent­satz drückt sich der gro­ße Unter­schied zum soge­nann­ten Pro­fi­bo­xen aus, in denen KOs sehr, sehr viel häu­fi­ger vor­kom­men. Zum einen, weil häu­fig stark unter­le­ge­ne Boxer als Geg­ner gesucht und gegen­ein­an­der gesetzt wer­den, zum ande­ren, weil die Kämp­fe über bis zu 12 Run­den aus­ge­tra­gen wer­den und bei so lan­gen Kampf­zei­ten irgend­wann die Abwehr­fä­hig­kei­ten dras­tisch nachlassen.

Ein Kämp­fer wur­de dis­qua­li­fi­ziert, Auf­ga­ben oder wegen tech­ni­scher Schwie­rig­kei­ten nicht zuen­de geführ­te Kämp­fe gab es gar nicht.

Ein­stim­mig­keit der Punkturteile

Abb. oben: Die Punk­tur­tei­le in der detail­lier­ten Betrach­tung. 5:0 bedeu­tet, dass alle 5 Punkt­rich­ter den­sel­ben Sport­ler als Sie­ger sahen. Die ande­ren Urtei­le sind Split-Decis­i­ons, bei denen es zwi­schen den Punkt­rich­tern von ein­an­der abwei­chen­de Ent­schei­dun­gen gab.

203 von 331 Punk­tur­tei­len wur­den ein­stim­mig gefällt (5:0‑Urteile). Dies ent­spricht einem Anteil von etwa 61,3 Pro­zent. Ein hoher Anteil an ein­stim­mi­gen Punk­tur­tei­len gilt stets als erstre­bens­wert, erst recht bei hoch­wer­ti­gen inter­na­tio­na­len Ver­an­stal­tun­gen. Punkt­rich­ter müs­sen sich Kri­tik gefal­len las­sen, wenn sie bei der Beur­tei­lung von Kämp­fen all­zu oft ein Min­der­hei­ten­vo­tum vertreten.

Ver­wun­dern muss daher ein wenig der ver­gleichs­wei­se hohe Anteil an beson­ders kri­tisch gese­he­nen 4:1‑Urteilen: 63 von 331 Punkt­ent­schei­dun­gen fal­len in die­se Kate­go­rie. Dies ent­spricht einem Anteil von etwa 19 Pro­zent aller Punk­tur­tei­le. Hier hat einer der 5 ein­ge­setz­ten Punkt­rich­ter den Kampf dia­me­tral anders bewer­tet hat als sei­ne 4 Kol­le­gen. Von die­sen Urtei­len hat es mehr gege­ben als 3:2‑Urteile.

Knapp 17 Pro­zent der Punk­tur­tei­le waren 3:2‑Urteile. In 56 von 331 Fäl­len kamen die Unpar­tei­ischen rund um den Ring zu die­sem Ergeb­nis, das eher noch als die 4:1‑Urteile für einen wirk­lich offe­nen Kampf auf Augen­hö­he steht, die Punkt­rich­ter durch­aus unter­schied­lich bewer­ten können.

Son­der­fäl­le von Punkturteilen

Rand­no­ti­zen sind hin­ge­gen die 4:0- und 3:1‑Entscheidungen, die so sel­ten vor­kom­men, dass auch nicht alle Box­sport­ler wis­sen, wie sol­che Ergeb­nis­se bei 5 wer­ten­den Punkt­rich­tern eigent­lich zustan­de kom­men kön­nen. Daher sei hier auf die­se Urtei­le noch kurz eingegangen:

Ein 4:0‑Urteil heißt, dass 4 Punkt­rich­ter sich für den­sel­ben Boxer ent­schie­den haben, aber ein Punkt­rich­ter ein Unent­schie­den gewer­tet hat. Zwar muss ein Punkt­rich­ter in jeder Run­de einen Sie­ger bestim­men, der dann für die­se Run­de 10 Punk­te zuge­spro­chen bekommt, aber die ein­zel­nen Run­den kön­nen durch­aus unter­schied­lich deut­lich und wech­selnd an den einen oder ande­ren Sport­ler ver­ge­ben wer­den, so dass bei der Addi­ti­on der Punk­te nach dem Ende des Kamp­fes ein Unent­schie­den ent­ste­hen kann. Zwar darf es einen »unent­schie­den« gewer­te­ten Kampf in einem Tur­nier nicht geben, da aber bei einem 4:0‑Urteil 4 der 5 Punkt­rich­ter den­sel­ben Sport­ler in Füh­rung haben, steht ein Sie­ger fest, obwohl einer der Punkt­rich­ter auf Unent­schie­den ent­schie­den hat.

Bei einem 3:1‑Urteil ist der Fall ähn­lich: 3 der 5 Punkt­rich­ter haben sich für den­sel­ben Sport­ler ent­schie­den, einer hat des­sen Geg­ner in Füh­rung gese­hen. Der fünf­te Punkt­rich­ter ist hin­ge­gen in sei­ner Ein­zel­wer­tung auf ein Unent­schie­den gekom­men. Auch hier ist durch das deckungs­glei­che Votum der 3 Punkt­rich­ter für einen der bei­den Sport­ler eine ein­deu­ti­ge Ent­schei­dung möglich.

Abb. oben: Die Ver­tei­lung der in die­sem Tur­nier getrof­fe­nen Punk­tur­tei­le auf die 12 Tage des Wett­be­werbs. Der letz­te Vor­run­den­tag (wenn man so will das Ach­tel­fi­na­le) dürf­te die AIBA beson­ders zufrie­den­ge­stellt haben: Hier über­wo­gen die ein­stim­mi­gen Ent­schei­dun­gen der Punkt­rich­ter sehr stark.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: