WBC warnt vor Kämp­fen zwi­schen Pro­fis und Olym­pi­schen Boxern

Profis bei Olympiastart mit 2-jähriger Startsperre bedroht

Ende Okto­ber trat im mexi­ka­ni­schen Can­cun die Jah­res­haupt­ver­samm­lung des Pro­fi­ver­ban­des WBC (World Boxing Coun­cil) zusam­men. Mit Blick auf die Olym­pi­schen Spie­le in Tokio 2020 waren Kämp­fe von Pro­fis gegen olym­pi­sche Boxer einer der Punk­te auf der Tagesordnung.

Im Nach­gang zu der Tagung des WBC ver­öf­fent­lich­te der Prä­si­dent des WBC Mau­ricio Sulaimán am 4. Novem­ber 2019 nun eine Erklä­rung, in der die Posi­ti­on des bekann­ten Pro­fi­ver­ban­des noch ein­mal ver­deut­licht wird.

WBC kri­ti­siert die AIBA für Fehlentwicklungen

Sulaimán wirft der AIBA vor, für eine Rei­he von Fehl­ent­wick­lun­gen im Olym­pi­schen Boxen ver­ant­wort­lich zu sein. Ins­be­son­de­re die seit Rio 2016 bestehen­de Mög­lich­keit, dass sich auch Pro­fis für die Olym­pi­schen Spie­le qua­li­fi­zie­ren kön­nen, erregt sei­nen Ärger.

Die­se Mög­lich­keit besteht auch 2020 in Tokio. Vor die­sem Hin­ter­grund spricht Sulaimán eine deut­li­che War­nung aus: »Kein pro­fes­sio­nel­ler Boxer soll­te gegen Ama­teur­bo­xer kämp­fen«, heißt es in sei­nem Statement.

Pro­fis droht bei Olym­pia­teil­nah­me eine 2‑jährige Sperre

Offen­bar macht das WBC dabei ernst. Der Ver­band droht Boxern mit Lizenz des WBC eine zwei­jäh­ri­ge Sper­re an, soll­ten sie bei den olym­pi­schen Spie­len in Tokio in den Ring stei­gen. Die­se Posi­ti­on hat­te das WBC schon vor den zurück lie­gen­den Spie­len in Rio 2016 vertreten.

Die Hal­tung des WBC moch­te jüngst auch den amtie­ren­den Schwer­ge­wichts­welt­meis­ter Andy Ruiz zu einem Mei­nungs­wech­sel bewo­gen haben: War er anfangs durch­aus inter­es­siert, Mexi­ko in Tokio zu ver­tre­ten, so woll­te er zuletzt lie­ber dem Nach­wuchs bei den Olym­pi­schen Spie­len den Vor­tritt lassen.

WBC führt 5 Grün­de für das Ver­bot an

Fünf Begrün­dun­gen führt der Prä­si­dent des Pro­fi­ver­ban­des für die Ableh­nung sol­cher sport­li­chen Ver­glei­che ins Feld:

  1. Im Pro­fi­bo­xen wer­de nicht zwi­schen den ver­schie­de­nen Pro­fis unter­schie­den. Es gebe kei­ne Levels, Gren­zen oder Kri­te­ri­en. Jemand, der vier Run­den boxe, sei genau­so ein Pro­fi wie ein Welt­meis­ter. Dabei exis­tie­ren zwi­schen ihnen ekla­tan­te Unter­schie­de im Hin­blick auf Kön­nen, Ent­wick­lung, Stär­ke, Rei­fe und die Fähig­keit, ande­re zu ver­let­zen bzw. selbst Ver­let­zun­gen zu ertragen.
  2. Pro­fis sei­en viel rei­fer und hät­ten im Ver­gleich zu jun­gen Ama­teur­kämp­fern eine über­le­ge­ne phy­si­sche und men­ta­le Stärke.
  3. Pro­fis müs­sen ihr Gewicht nur für einen Tag und für einen Kampf machen. Ama­teur­kämp­fer müs­sen für min­des­tens 15 Tage bei ihrem fest­ge­leg­ten Gewicht bleiben.
  4. Ziel und Zweck von Ama­teur­kämp­fern bestehen dar­in, Punk­te zu sam­meln. Beim Pro­fi­bo­xen gehe es eher dar­um, den Geg­ner zu bestrafen.
  5. Ama­teur­bo­xer sei­en moti­viert, als Ath­le­ten zu wach­sen und ihrer Gegend, Regi­on und ihrem Land Ruhm zu ver­lei­hen. Die Moti­ve der Pro­fi­bo­xer sei­en hin­ge­gen eng mit den geschäft­li­chen und finan­zi­el­len Inter­es­sen verknüpft.

Pro­fis durf­ten in Rio 2016 boxen, blie­ben aber erfolglos

Die Olym­pi­schen Spie­le in Rio de Janei­ro 2016 waren tat­säch­lich der ers­te olym­pi­sche Wett­be­werb seit lan­ger, lan­ger Zeit, bei dem Pro­fis prin­zi­pi­ell wie­der zuge­las­sen waren. Dies ging auf eine For­de­rung des IOC zurück, das unab­hän­gig von – aus sei­ner Sicht – undurch­sich­ti­gen Ver­bands­struk­tu­ren sicher­ge­stellt wis­sen woll­te, dass die bes­ten Boxer Zugang zu den Spie­len haben sollten.

Aller­dings muss­ten sich die Pro­fis nach den Bedin­gun­gen, Regeln und Bewer­tun­gen des olym­pi­schen Boxens für Rio 2016 qua­li­fi­zie­ren. In einem eigens hier­für aus­ge­rich­te­ten Tur­nier der AIBA in Vene­zue­la schei­ter­ten vie­le der Pro­fis. Von den­je­ni­gen, die es über ihre Qua­li­fi­ka­ti­on in Vene­zue­la nach Rio schaff­ten, kam spä­ter kei­ner über das Ach­tel­fi­na­le hinaus.

Kom­men­tar von Ralf Elfering

Das State­ment des WBC spricht Bände

Gut so. Das WBC ver­bie­tet sei­nen Pro­fis, in Tokio in den Ring zu stei­gen. So kön­nen wir alle auf ein sport­lich fai­res Tur­nier hof­fen, zumal es nun erst­ma­lig in den Hän­den des IOC lie­gen wird und dies sicher­lich für alle Betei­lig­ten eine neue, hof­fent­lich gute Erfah­rung sein wird.

Die Begrün­dun­gen, war­um die Pro­fis in Tokio nicht kämp­fen sol­len, wer­fen indes ein bezeich­nen­des Licht auf das so genann­te Pro­fi­bo­xen. Sie sind eine Mischung aus (unge­woll­ter?) Ehr­lich­keit und maß­lo­ser Selbst­über­schät­zung. So muss man es wohl werten.

Frank und frei gibt der WBC-Prä­si­dent Sulaimán zu, dass Pro­fi zu sein kein Qua­li­täts­merk­mal ist (vgl. Punkt 1). Darf man das nun bit­te auch mal den Medi­en mit­tei­len, die oft dritt­klas­si­ges Boxen immer noch zu einem Event auf­bau­schen, nur weil dubio­se Ver­an­stal­ter, Sport­ler und Trai­ner das Prä­fix »Pro­fi« für sich in Beschlag genom­men haben?

Im Ver­gleich dazu blei­ben selbst hoch­klas­si­ge Ver­an­stal­tun­gen des olym­pi­schen Boxens all­zu oft unbe­ach­tet. Die dies­jäh­ri­gen Meis­ter­schaf­ten im Rah­men der Ber­li­ner Finals sind hier­von frei­lich aus­drück­lich aus­zu­neh­men: Hier gelang im Zusam­men­spiel mit ARD und ZDF, dem DOSB und der Stadt Ber­lin eine zukunfts­wei­sen­de Dar­stel­lung des olym­pi­schen Boxsports.

Sulaimán gibt außer­dem zu, dass es in dem von ihm ver­tre­te­nem Pro­fi­bo­xen haupt­säch­lich nur um Geld geht (vgl. Punkt 5). Man darf viel­leicht hel­fend und auf­hel­lend ergän­zen: Um Sport geht es dann wohl nur sekun­där. Das bestä­tigt end­lich, was man eigent­lich schon immer wuss­te oder wis­sen konn­te. Im so genann­ten Pro­fi­bo­xen geht es um die Show – und zwar um jeden Preis, möch­te man sagen.

  • Daher wer­den die Kämp­fe über 12 Run­den aus­ge­tra­gen, weil dies infol­ge grö­ße­rer Erschöp­fung die KO-Quo­te hoch­treibt – zur Befrie­di­gung der Zuschau­er, die gei­fernd auf den Knock-Out hof­fen, weil in ihm sym­bo­lisch der Tod des Kämp­fers aufblitzt.
  • Aus glei­chem Grund wer­den unaus­ge­wo­ge­ne Kämp­fe zusam­men­ge­stellt, in denen einer vor­ab schon als Ver­lie­rer ein­ge­plant ist – mög­lichst bit­te als Ver­lie­rer durch KO.
  • Daher grei­fen Ring­rich­ter erst ver­gleichs­wei­se spät ein, weil ein Pofi­kampf­abend ohne KOs an Ver­kauf­bar­keit verliert.
  • Daher unter­stellt sich das Pro­fi­bo­xen viel­leicht auch nicht den Doping­kon­trol­len der vom IOC aner­kann­ten Antidopingagenturen.

Die Auf­zäh­lung lie­ße sich fort­set­zen. Vor die­sem Hin­ter­grund mutet es nach­ge­ra­de absurd an, dass Sulaimán sich den Anschein gibt, um den Schutz der olym­pi­schen Boxer besorgt zu sein. Wo sind denn Todes­fäl­le im Box­sport zu bekla­gen? Das soge­nann­te Pro­fi­bo­xen sticht hier nega­tiv her­aus, erst zuletzt durch tra­gi­sche Ereig­nis­se, die geeig­net sind, den Ruf des Boxens zu zerstören.

Im olym­pi­schen Boxen ging hin­ge­gen just eine WM zu Ende, in deren Rah­men 357 Kämp­fe aus­ge­tra­gen wur­den – und es gan­ze 4 KOs gab. Sulaimán scheint dies als Kin­der­bo­xen dar­stel­len zu wol­len (vgl. Punkt 2 u. 4). Dabei ist es viel­mehr das Ergeb­nis gleich­wer­ti­ger Kampf­paa­run­gen sowie eines Regel­werks, das den Schutz der Kämp­fer in den Mit­tel­punkt rückt – und auch ange­wandt wird.

Tat­säch­lich wird im olym­pi­schen Boxen welt­weit pro­fes­sio­nell trai­niert und gekämpft. Man möge da bit­te nur mal in die Stütz­punk­te in Kuba, Usbe­ki­stan oder Kasach­stan schau­en. Wer im olym­pi­schen Boxen eine WM oder ein olym­pi­sches Tur­nier gewinnt, hat im Boxen das höchs­te erreicht, was erreich­bar ist. Die­ses Qua­li­täts­sie­gel über­zeugt – offen­bar auch im Pro­fi­bo­xen. Denn seit Jahr­zehn­ten wedelt das Pro­fi­bo­xen nach Welt­meis­ter­schaf­ten und Olym­pi­schen Spie­len mit den Scheck­hef­ten – und zwar um gut aus­ge­bil­de­te olym­pi­sche Boxer.

Nahe­zu jeder bekann­te Pro­fi­bo­xer hat sei­ne Aus­bil­dung und Kampf­erfah­rung im olym­pi­schen Boxen erhal­ten und gesam­melt – für das Pro­fi­bo­xen wur­de er hin­ge­gen umge­formt, dem neu­en For­mat ange­passt. All­zu­oft ist dies mit einer Ver­schlech­te­rung ver­bun­den, die das (sel­ten wirk­lich fach­kun­di­ge) Publi­kum im Getö­se der media­len Insze­nie­rung nur nicht bemerkt. Im all­zu grel­len Licht der Schein­wer­fer glän­zen eben auch trü­be Din­ge. Wer im Pro­fi­zir­kus aller­dings die mone­tä­ren und media­len Erwar­tun­gen nicht erfüllt, fällt oft ohne jedes absi­chern­des Netz auf einen har­ten Boden.

Nein, olym­pi­sche Boxer soll­ten nicht gegen soge­nann­te Pro­fis boxen. Das ist eine gute Idee. Aller­dings nicht, weil sie kei­ne Chan­ce hät­ten, son­dern weil sie ein­fach einen ande­ren Sport betrei­ben. Pro­fis sind kei­ne Berei­che­rung einer Olym­pia­de, sie sind dort über­flüs­sig und fremd.

Dem olym­pi­schen Boxen wür­de ich aller­dings mehr Selbst­be­wusst­sein wün­schen. Denn auch hier wird in völ­lig unver­ständ­li­cher Selbst­ver­zwer­gung da und dort klamm­heim­lich zu den Pro­fis auf­ge­schaut. Bei Sport­lern, Trai­nern und auch Funk­tio­nä­ren. Dazu gibt es kei­nen Anlass.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: