Von der Boxwelt weitgehend unbemerkt hat sich offenbar in Berlin ein Verein in das Register des Amtsgerichtes Charlottenburg eintragen lassen, der sich nun unter dem Namen »German National Boxing Association e.V.« (GNBA) als neuer Boxverband ins Gespräch bringen will.
Auf ihrer Website https://gnbassociation.de/ (die bislang jedoch nur aus einer Startseite besteht) gibt die GNBA an, sich darauf spezialisiert zu haben, »deutschen Boxern die Teilnahme an prestigeträchtigen Veranstaltungen der International Boxing Association (IBA) zu ermöglichen«. Durch diese Spezialisierung stelle man sicher, »dass die deutschen Boxer weiterhin auf höchstem internationalen Niveau konkurrieren und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können.« Die GNBA engagiere sich dafür, »optimale Bedingungen für die Vorbereitung und Teilnahme der Athleten an IBA- und EUBC-Veranstaltungen zu schaffen.« Dies umfasse die Bereitstellung von Ressourcen, Training und Unterstützung, die notwendig seien, um auf internationaler Ebene erfolgreich zu sein, so die Selbstdarstellung der GNBA.
IBA hat mit den olympischen Spielen nichts mehr zu tun
Zum Hintergrund: Der frühere Weltverband des olympischen Boxens IBA war nach jahrelangen Streitigkeiten mit dem IOC im Jahr 2019 vorläufig aus der Familie der olympischen Sportverbände ausgeschlossen worden. Da sich die Beziehungen zwischen dem IOC und der IBA nicht nur nicht besserten, sondern sich unter dem aktuellen IBA-Präsidenten Umar Kremlev sogar noch verschlechterten, folgte der vorläufigen Suspendierung im Sommer 2023 der endgültige Rauswurf.
Die eskalierenden Konflikte bewogen eine Handvoll von nationalen Boxverbänden zur Gründung des neuen Weltverbandes »World Boxing«. Ziel der Neugründung ist, mit seiner angestrebten Anerkennung durch das IOC die Zukunft des Boxens als olympische Sportart zu retten. Inzwischen haben sich 27 Mitgliedsverbände aus allen Erdteilen »World Boxing« angeschlossen. Ein Schwerpunkt liegt dabei zur Zeit allerdings noch auf europäischen und amerikanischen Verbänden.
Austritte, Ausschlüsse und angekündigte Ausschlüsse
Die an der Gründung beteiligten nationalen Boxverbände bekommen (wenig verwunderlich) die strafende Hand der IBA zu spüren: Sofern sie inzwischen nicht selbst die IBA verlassen haben (wie etwa die USA), wurden Ausschlüsse ausgesprochen oder angedroht. Dabei traf es auch den Deutschen Boxsport-Verband, der (zusammen mit Tschechien und den Niederlanden) im Dezember 2023 von der IBA aus der Mitgliederliste gestrichen wurde und als Folge dieses Ausschlusses auch vom europäischen Kontinentalverband EUBC nicht mehr als Mitglied geführt wird. Weitere Ausschlüsse nationaler Boxverbände dürften in nächster Zeit folgen.
Die drei Personen, die auf der Website der GNBA als Vorstand des neuen Verbandes vorgestellt werden, sind im olympischen Boxsport unbekannte Namen. Recherchen bringen sie statt mit dem Boxsport eher mit MMA und dem russischen Kampfsport Sambo in Verbindung. Über die drei Namen hinaus gibt es keine Angaben zu weiteren Amts- oder Funktionsträgern des neuen Verbandes. Auch ist nicht erkennbar, ob oder wie viele Vereine sich dem Verband aktuell angeschlossen haben. Eine sportliche Tätigkeit oder Struktur ist derzeit ebensowenig ersichtlich wie irgendwelche Dokumente abzurufen wären (z.B. Satzung oder Ordnungen).
IBA empfängt Renegaten offenbar mit offenen Armen
Obschon nicht klar ist, ob der Verband überhaupt aus mehr als einer kleinen Handvoll Personen besteht (bei einem eingetragenen Verein müssen immerhin mindestens 7 Personen die Satzung unterzeichnen), wird die »German National Boxing Association e.V.« von der IBA inzwischen als »provisorisches Mitglied« geführt.
Das weckt Erinnerungen an andere IBA-Beitritte der jüngsten Vergangenheit: Auf dem zurückliegenden Weltkongress im Dezember in Dubai nahm die IBA unter anderem die Norfolk Island Boxing Association (bestehend aus einem Verein mit 15 Boxer*innen) sowie die Tuvalu Amateur Boxing Association (bestehend aus 4 Vereinen mit zusammen 60 Boxer*innen) auf.
Auch die USA sind seit Dezember übrigens wieder in der IBA vertreten. Allerdings nicht mit dem durch das us-amerikanischen Olympischen Komitee anerkannten Verband »USA Boxing«, dem über 2.400 Vereine angeschlossen sind, sondern mit dem fix gegründeten Kleinstverband »US Boxing Federation«, dem drei Vereine mit insgesamt 130 Boxer*innen angehören.
Man muss den Eindruck gewinnen, dass es derzeit einigermaßen einfach ist, am Tisch der IBA ein Plätzchen zu ergattern. Jedenfalls dann, wenn man aus einem Land kommt, dessen olympisch anerkannter nationaler Boxverband in gewisser Opposition zur IBA stand oder steht.
Das mag durchaus eine Versuchung sein – vor allem wohl für Akteure aus der dritten oder vierten Reihe. So förderte die IBA etwa komplett an eigentlich zuständigen Verbänden vorbei selbst organisierte Teilnahmen an der zurückliegenden WM in Taschkent – und brach damit alle Konventionen des organisierten Sports.