
Nachdem der Chemiepokal in Halle erst im letzten Jahr durch die AIBA zu einem 3‑Sterne-Turnier aufgewertet worden und das internationale Top-Ereignis des Weltverbandes gewesen war, wird das Traditionsturnier in diesem Jahr leider ausfallen. Es hätte im April zum 46. Mal ausgerichtet werden sollen, wurde aber heute durch den Deutschen Boxsport-Verband (DBV) abgesagt.
Land Sachsen-Anhalt und Lotto Sachsen-Anhalt in der Kritik
»Die Politik des Landes Sachsen-Anhalt hat uns im wahrsten Sinne des Wortes im Stich gelassen«, klagt DBV-Präsident Jürgen Kyas und erklärt: »Die Hauptgründe liegen in den angekündigten drastischen Reduzierungen von Fördermitteln bei gleichbleibenden Anforderungen der Zuwendungsgeber Land Sachsen-Anhalt und LOTTO Sachsen-Anhalt und nicht erfüllbarer bürokratischer Auflagen.«
In der Presseerklärung des DBV ist die Rede von »nicht zu erfüllenden Nachforderungen und Auflagen des Landes Sachsen-Anhalt« und einer »bis zu 30prozentigen Kürzung der Fördersumme durch LOTTO Sachsen-Anhalt«. Gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung soll die Lotto-Gesellschaft jedoch betont haben, dass sie dem DBV bereits Mitte Dezember mit 30.000 EUR die gleiche Fördersumme wie im Vorjahr zugesichert habe.
Der DBV sieht sich nach Aussage des Vizepräsidenten für Finanzen Erich Dreke unter diesen Umständen jedenfalls nicht in der Lage, notwendige vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Für die Suche nach weiteren Sponsoren bleibe außerdem kaum noch Zeit.
Suche nach Alternativen im Gange
Der Sportdirektor des DBV Michael Müller ergänzt, dass man »intensiv an einer Alternative für die Fortführung an einem anderen Standort« arbeite und dies in Kürze veröffentlichen werde.
Ausdrücklich dankt er abschließend den bisherigen Partnern und auch der Stadt Halle, deren Sportausschuss erst letzte Woche noch die Förderung der Veranstaltung beschlossen haben soll und sich deswegen wohl ebenfalls von der Absage des Turniers überrascht zeigen dürfte.
Hintergrund zum Chemiepokal
In der Vergangenheit war der Chemiepokal vielfach die Bühne, auf der spätere Olympiasieger und Weltmeister ihren Weg zu boxsportlichem Weltruhm einschlugen.
Stellvertretend sei hier nur der Kubaner Guillermo Rigondeaux genannt, der in den Jahren 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 den ersten Platz im Bantamgewicht abonniert hatte. Auch Henry Maske und Vitali Klitschko konnten im Chemiepokal schon brillieren.
Der Name des Turniers ist aus heutiger Sicht vielleicht erklärungsbedürftig: Die Region um Halle war zu Zeiten der DDR ein Schwerpunkt der Chemieindustrie. Als das Turnier 1970 zum ersten Mal ausgetragen wurde, war es naheliegend, sich bei der Suche nach einem Namen daran zu orientieren.
Schon im ersten Jahr war es mit 85 Sportlern aus 10 teilnehmenden Nationen international ausgerichtet. Für heutige Verhältnisse unvorstellbare 12.000 Zuschauer verdeutlichen den damaligen Stellenwert des Amateurboxens in der DDR und anderen sozialistischen Ländern.