Im normalen boxsportlichen Jahresverlauf ist der Herbst (neben dem Frühjahr) die zweite wettkampfintensive Phase des Jahres. In den Monaten September, Oktober und November bündeln sich die vielen Vereinsveranstaltungen sowie auf Landes- und Bundesebene die Meisterschaften der Erwachsenen, bevor es dann im Dezember wieder ruhiger wird und der Trainings- und Wettkampfbetrieb zum Ende des Jahres und über den Jahreswechsel hinweg zumeist in eine Pause geht.
Über der bevorstehenden herbstlichen Wettkampfphase schwebt 2020 jedoch das Damoklesschwert der Corona-Pandemie. Sie schien hierzulande nach dem radikalen Lockdown des Frühjahrs in den letzten zwei Monaten weitgehend unter Kontrolle: Nachdem es Ende März und Anfang April an Spitzentagen des Infektionsgeschehens über 6000 tägliche Neuerkrankungen gegeben hatte, pendelten sich die Zahlen von Juni bis zum zweiten Juli-Drittel im unteren dreistelligen Bereich ein.
Kontaktsport und Wettkampf unter Auflagen
Der Rückgang der Neuinfektionen rechtfertigte Lockerungen im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben. Auch Sport wurde in stufenweisen Schritten wieder möglich – zuletzt auch Kontaktsport in Hallen. Dabei gelten allerdings noch (je nach Bundesland unterschiedlich strenge) Auflagen: In Nordrhein-Westfalen dürfen aktuell (Stand Ende Juli) immerhin 30 Personen miteinander Kontaktsport betreiben, in Hamburg hingegen nur 10. Coronaspezifische Hygienekonzepte und die Erfassung der Teilnehmenden sind überall obligatorisch.
Die in Deutschland lange Zeit vergleichsweise kleinen Infektionszahlen, das sommerliche Wetter und weitere Lockerungen beförderten zuletzt eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit dem Virus: Nicht überall wird noch mit jener Genauigkeit auf Abstand, Alltagsmaske und Desinfektion geachtet wie noch vor wenigen Wochen. Vieles ging gut: Weder die im späten Frühjahr eine Zeitlang wachsenden Proteste gegen die Corona-Maßnahmen noch die großen Antirassismus-Demonstrationen aus Anlass des Todes von George Floyd durch einen us-amerikanischen Polizisten führten zu einem messbaren Anstieg der Infektionszahlen.
Nicht zuletzt diese Beobachtungen halfen dabei, genauer einschätzen zu können, welche Umstände tatsächlich ein hohes Infektionsrisiko mit sich bringen. Offenbar ist ein Aufeinandertreffen unter freiem Himmel weniger kritisch, als man zunächst annahm – erst recht, wenn dabei Abstand gehalten, eine Alltagsmaske getragen wird und die Infektionsrate der Bevölkerung zudem auf ein niedriges Niveau gedrückt werden konnte.
Zentral für Infektionen: Geschlossene Räume
Die zurückliegenden relevanten Ausbrüche hatten hingegen meist mit geschlossenen Räumen oder Gebäuden zu tun, in denen entweder
- viele Menschen mit geringem Abstand und womöglich ohne Alltagsmaske aufeinandertrafen (z.B. Sammelunterkünfte von Geflüchteten oder Produktionshelfern, aber auch Familienfeierlichkeiten etc.)
- oder eine erhöhte körperliche Aktivität ausgeübt wurde (Arbeit in der Fleischindustrie, Gesang bei religiösen Feierlichkeiten etc.).
Als relevante Übertragungswege von COVID-19 rückten daher die Tröpfchen- und die Aerosolinfektionen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Rolle von Schmierinfektionen bei der Verbreitung der Krankheit trat hingegen nach verbreiteter Auffassung in ihrer Bedeutung etwas zurück.
Bei der Tröpfcheninfektion infizieren sich andere dadurch, dass der Infizierte beim Sprechen, Niesen und Husten ganz unvermeidlich kleine, virenbelastete Tröpfchen ausstößt. Diese Tröpfchen (man kann sie im Gegenlicht gelegentlich auch sehen) werden von anderen Personen eingeatmet, die sich in unmittelbarer Nähe zum Infizierten aufhalten (etwa in einer Gesprächssituation). Man weiß, dass die Gefahr einer Tröpfcheninfektion steigt, je geringer der Abstand zwischen einem Infizierten und Nichtinfizierten ist. Darauf gehen die Empfehlungen zum Mindestabstand und zum Tragen der Alltagsmaske zurück.
Die Bedeutung der Tröpfchen- und Aerosolinfektionen
Bei der Aerosolinfektion infizieren sich andere dadurch, dass die infizierte Person allein schon durch das Ausatmen mikroskopisch feine Tröpfchen ausstößt, die natürlich ebenfalls virenbelastet sind. Diese kleinsten Tröpfchen kann man mit dem bloßen Auge schon nicht mehr sehen. Ihre geringe Größe und ihr geringes Gewicht bewirken, dass sie sehr lange in der Luft schweben bleiben können. Bereits geringe Luftbewegungen tragen sie in der Luft weit fort.
Unter freiem Himmel führt dieser Abtransport der kontaminierten Aerosole durch Bewegungen der Luft oder der infizierten Person schon recht bald nach der Ausatmung zu einer Verdünnung, die eine Infektion anderer vergleichsweise unwahrscheinlich werden lässt.
In geschlossenen Räumen verhält es sich hingegen anders: Wo der Luftaustausch fehlt oder nur gering ist, kommt es bei Anwesenheit einer infizierten Person zu einer steigenden Konzentration von kontaminierten Aerosolen, da sie aus dem Raum nicht oder nicht ausreichend entweichen können. Wegen der Verteilung der Aerosole steigt die Konzentration sogar im gesamten Raum – und nicht nur im Nahumfeld des Infizierten wie bei der Tröpfcheninfektion. In der Folge dieser Verteilung können sich in geschlossenen Räumen Menschen anstecken, die dem Infizierten gar nicht wirklich nahe gekommen sind.
Als besonders kritisch muss körperliche Tätigkeit in geschlossenen Räumen eingeschätzt werden: Infolge des erhöhten Sauerstoffbedarfs intensiviert sich die Atemtätigkeit. Der Infizierte stößt kräftiger und mehr virenbelastete Aerosole aus. Körperliche Arbeit oder Sport in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen birgt ein hohes Infektionsrisiko, wenn nur eine einzige infizierte Person anwesend ist – und zwar für alle Anwesenden.
Steigende Infektionszahlen
Aus vielen Ländern, die die Corona-Pandemie mit großen Anstrengungen zunächst unter Kontrolle gebracht hatten, werden in den letzten Wochen wieder steigende Infektionszahlen gemeldet. Zurückgewonnene Freiheiten mussten vielerorts wieder mehr oder weniger stark eingeschränkt werden. Auch in Deutschland stiegen die täglichen Neuinfektionen zuletzt spürbar an. Steigende Neuinfektionen bedeuten aber, dass die Zahl derjenigen, die infektiös sind, also andere anstecken können, zunimmt. Statistisch wächst damit die Möglichkeit, auf Infizierte zu treffen.
Dabei ist kritisch, dass infizierte Personen die Krankheit übertragen können, obwohl sie symptomfrei sind. Sie haben also keine Ahnung, dass sie infiziert sind. Das ist in der Inkubationszeit der Fall, also in dem Zeitraum zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit. Zudem gibt es Krankheitsverläufe mit so geringen oder unspezifischen Symptomen, dass die betreffenden Personen ihre Infektion gar nicht erkennen. Trotzdem können sie andere schon anstecken.
Kommen wir zurück auf den Boxsport und die bevorstehende herbstliche Wettkampfphase: Sie setzt also ausgerechnet zu einer Zeit ein, für die (wenn der aktuelle Trend nicht gestoppt werden kann) wieder steigende Infektionszahlen zu fürchten sind und für die daher insgesamt auch eine steigende Zahl von aktiv Erkrankten zu erwarten ist. Ein möglicher Eintrag von Infektionen durch sommerliche Urlaubs- oder Besuchsreisen in Risikogebiete könnte hinzukommen.
Zudem wird sich ab September immer mehr an gesellschaftlichem Leben witterungsbedingt wieder in geschlossenen Räumen abspielen: Das betrifft gastronomische Angebote, Sport- und Freizeitaktivitäten aber auch das Zusammenkommen von Verwandten und Freunden. Nach allem, was man bislang über COVID-19 weiß, dürften diese Umstände das Infektionsgeschehen abermals befeuern.
Boxveranstaltungen und Infektionsgefahren
Betrachten wir einmal die uns wohl bekannten Abläufe und Begleitumstände einer durchschnittlichen Boxveranstaltung, wie sie vor Corona auf Vereinsbasis überall im Land zu beobachten war, durch die »Corona-Brille«:
- Teilnehmer und Helfer
Bei 15 angesetzten Kämpfen sind 30 Sportler beteiligt. Vor Ort und an der Waage erscheinen meist aber noch mitgereiste Reserveboxer, die darauf hoffen, dass sie wegen wegen Ausfällen und Umstellungen der Kampfansetzungen noch zum Zuge kommen könnten. Nehmen wir hierfür weitere 10 Sportler an. Dazu kommen je Sportler zwei Sekundanten. Da ein Sekundant in der Regel aber mehrere Sportler in den Kampfansetzungen hat, sind hier nicht 60 zusätzliche Personen anzunehmen, sondern vielleicht 30. Wir kommen im ersten Zwischenergebnis nun auf 70 Personen. Weiterhin sind das Kampfgericht und die Offiziellen am Delegiertentisch einzurechnen. Wir wollen dies, da wir von einer kleineren Veranstaltung ausgehen, mit weiteren 10 Personen ansetzen. Vielleicht weitere 15 Personen sind seitens des Veranstalters für Auf- und Abbau, für den Einlass sowie für den Verkauf von Speisen und Getränken vorgesehen. Mit diesen zusammen kommen wir auf nun auf 95 Personen, die als sportlich oder organisatorisch Mitwirkende an der Veranstaltung teilnehmen. Alle diese Personen müssen mit Name, Vorname, Adresse, Mailadresse, Telefonnummer und Uhrzeit erfasst werden, damit die Behörden im Fall einer Infektion eines Anwesenden alle anderen Beteiligten für etwaige Quarantänemaßnahmen oder Testungen erreichen können. Die Daten müssen 4 Wochen aufbewahrt und anschließend vernichtet werden. - Wiegen und ärztliche Untersuchung
Hier ist ein dichtes Gedränge üblich, das entzerrt werden müsste. Entzerrt heißt aber nicht, dass nur einzeln in den Wiegeraum eingetreten werden darf. Auch vor dem Wiegeraum und in den Kabinen muss auf den Mindestabstand geachtet werden. Befreundete Sportler oder Trainer sollten einander, wenn sie sich treffen, weder in der Warteschlange noch sonstwo mit Umarmungen oder Handschlag begrüßen. Das Tragen einer Maske wäre (ähnlich wie in öffentlichen Verkehrsmitteln) sicherzustellen. Die Anwesenheit vieler Personen erfordert eine gute Belüftung. Die ärztliche Untersuchung oder das Wiegen z.B. in einem fensterlosen Regie- oder Geräteraum der Sporthalle durchzuführen, ist daher in dieser Zeit keine gute Idee. Eine bessere Idee könnte sein, feste Zeit-Slots für Waage und Arzt zu vergeben, so dass immer nur eine begrenzte Zahl von Leuten überhaupt in das Gebäude gelassen wird. Allerdings dürfte dies an üblichen Unpünktlichkeiten praktisch scheitern. Dass (wenn um 18 Uhr die Kämpfe beginnen sollen) aber um 16 Uhr alle Sportler und Trainer dicht beieinander vor dem Wiegeraum stehen, wäre eine gefährliche Leichtsinnigkeit. - Umziehen und Erwärmung
Auch hier ist auf Abstand und gute Belüftung zu achten. Wenn sich in einer Umkleidekabine 4 oder 5 Sportler unter Anwesenheit von Vereinsfreunden und Trainer wettkampffertig umziehen und womöglich teilweise auch dort erwärmen, sind Mindestabstände und Kontaktverbote nicht einzuhalten. Optimal wäre 1 Kabine je Sportler und die dazu gehörenden zwei Sekundanten. Findet in der Kabine auch die Erwärmung statt (die ja schon mit körperlicher Tätigkeit verbunden ist), müsste sie (gerade auch für nachfolgende Nutzer) belüftet werden können. Für einen reibungslosen Ablauf müssten 6 oder 8 Kabinen zur Verfügung stehen, deren Nutzung durch die Teams nach einem Plan eingeteilt und beaufsichtigt werden muss. Dann stünden einem Sportler etwa 40 bis 50 Minuten Zeit für Umziehen und Erwärmung zur Verfügung. Das Trinken an Waschbecken sollte unterbunden werden, da die Wasserhähne nach gemeinsamer Nutzung ein kritischer Punkt sein können. Zwischendesinfektionen von Kontaktflächen wären in den Kabinen bzw. Aufwärmbereichen angeraten. Zu vermeiden ist jedenfalls, dass sich Sportler in zu großer Enge und ohne ausreichende Belüftung umziehen und erwärmen. Platzverhältnisse in Einfeldturnhallen mit vielleicht 2 Sammelumkleiden dürften hier kritisch werden. - Wettkampf und Boxring
Berührungen und die Unterschreitung aller Abstände, die zur Vermeidung von Tröpfcheninfektionen geboten sind, sind im Boxkampf natürlich unvermeidlich. Ist am Boxkampf ein unwissentlich Infizierter beteiligt, wird die Ansteckungsgefahr für den Gegner vermutlich sehr hoch sein, für den Ringrichter hoch und für die Personen unten rund um den Ring (Punktrichter, Sekundanten, ggf. auch Delegierte) wahrscheinlich immer noch relevant sein. Ob man den Sportlern nach dem Kampf eine Umarmung zum Abschied untersagt, wird hingegen eher von symbolischer Bedeutung sein: Wer sich eben noch im Nahkampf verklammert hatte, dürfte durch eine Umarmung zum Abschied das Infektionsrisiko nicht mehr wesentlich erhöhen. Der anschließende Jubel mit oder der Trost durch Freunde oder Sportfreunde steht hingegen wieder auf einem anderen Blatt und sollte vermieden werden. Zur Vermeidung von Schmierinfektionen sind Desinfektionsmaßnahmen zwischen den Kämpfen erforderlich. Sie betreffen alle Dinge am und um den Ring, die mit den beiden Sportlern und ihren Trainern in direkte Berührung gekommen sind, z.B. die Ringeckenpolster und die Ringseile. Mit Stoff umwickelte Hanfseile werfen hier durch ihre Offenporigkeit Probleme auf. - Zuschauer
Für die Anwesenheit von Zuschauern sind natürlich die jeweils aktuell und regional geltenden Corona-Beschränkungen oder ‑Auflagen für Veranstaltungen, Sportveranstaltungen und die betreffenden Gebäude zu beachten. Man darf erwarten, dass im Kern die vollständige Erfassung und die Einhaltung von Mindestabständen und Desinfektionsmaßnahmen zu gewährleisten sind. Dazu kann es ggf. Auflagen zu Teilnehmerzahlen, Alltagsmasken und namentliche Sitzplatzbindungen oder die Verbindung von beidem geben. Dichte Trauben von Menschen vor der Halle, vor dem Imbissstand und Rudelbildungen von laut schreienden Unterstützern an der Ringecke oder gemeinsames Feiern des Sieges in Kabinen oder Korridoren sind jedenfalls kritisch und sollten – so verständlich zumindest Siegesfeiern sind – nicht zugelassen werden.
Die oben beschriebenen Aspekte befassen sich nicht ausschließlich, aber in erster Linie mit den Gefahren von Schmier- und Tröpfcheninfektionen. Sie sind wahrscheinlich auch noch gar nicht abschließend aufgegriffen. Man wird sicherlich noch viele zu berücksichtigende Details finden.
Die eingangs beschriebene Infektion durch Aerosole ist hingegen wesentlich schwieriger zu vermeiden, da hier Desinfektionsmaßnahmen gar nicht, Abstandsgebote kaum und Alltagsmasken wohl nur bedingt schützen. Hier wären zusätzlich zum Mindestabstand und Alltagsmasken massiv durchlüftete Hallen oder am besten Freiluftveranstaltungen der wirksamste Schutz – doch wir reden von der herbstlichen Wettkampfphase in Deutschland, in denen Freiluftveranstaltungen nicht durchführbar sind. Und wir reden von ganz unterschiedlichen Sporthallen, die im Hinblick auf ihre Belüftbarkeit sehr unterschiedliche Bedingungen bieten werden. In manch einer Halle lassen sich gar keine Fenster mehr öffnen, in manchen einige Fenster nur auf Kippstellung öffnen, andere Hallen mögen wenigstens ebenerdig einige Notausgänge unmittelbar ins Freie haben. Ob das aber zur angemessenen Belüftung einer mit 200 oder 300 Personen gefüllten Halle ausreicht, mag bezweifelt werden.
Hygienekonzepte in Theorie und Praxis
Sicher: Mit sehr viel Aufwand wären halbwegs sichere Boxveranstaltungen auch unter Pandemie-Bedingungen möglich. So, wie eben auch die Fußballbundesliga (ohne Zuschauer) unter Hochsicherheitsbedingungen zu Ende geführt werden konnte. Allerdings nahm die Bundesliga ihren Spielbetrieb wieder auf, als das Infektionsgeschehen durch den Lockdown und einer damals vergleichsweise großen Disziplin der Bevölkerung und dem hohen Anteil wetterbedingter Freiluftaktivitäten auf ein geringes Niveau gedrückt werden konnte.
Nicht zu vergessen auch, dass alle am Spielbetrieb der Liga Beteiligten (Sportler, Trainer, Physiotherapeuten, Schiedsrichter usw.) umfangreichen Testungen und Quarantänemaßnahmen unterzogen wurden, bevor der Ball wieder rollte. Dazu kommt: Die finanziellen, organisatorischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen im hochprofessionell und effizient organisierten Fußball und seinen Sportstätten erlaubten die Durchführung eines Hygienekonzeptes, an dem sich andere Sportarten, die zwar engagiert, aber im wesentlichen amateursportlich ausgeübt werden, leicht verheben können.
Eine herkömmliche Boxveranstaltung, wie wir sie aus der Zeit vor Corona kennen, dürfte nach allem, was man über die Verbreitung von COVID-19 weiß, aus epidemiologischer Sicht derzeit nicht ganz unriskant sein. Dabei dürfte schon ein kritischer Punkt sein, wenn Sportler und Trainer in einer Kontaktsportart wie dem Boxen in größerer Zahl aus einem größeren Einzugsgebiet ohne frische und negative Corona-Tests zum Wettkampf zusammenkommen – zumindest dann, wenn in den Herkunftsregionen der Beteiligten von einem erhöhten Infektionsgeschehen ausgegangen werden muss.
So sehr wir den Wettkampfbetrieb vermissen und als Trainer kreativ werden müssen, um die Sportler (und namentlich die Wettkämpfer) motiviert zu halten: Dass zumindest auf Vereinsebene aktuell halbwegs sichere Boxveranstaltungen möglich sein könnten, darf vielleicht ganz vorsichtig bezweifelt werden, wenn man den Tatsachen ins Auge schaut. Allzu groß erscheint der organisatorische und damit auch finanzielle Aufwand, allzu ungewohnt die neu zu organisierenden Abläufe – und vielleicht auch zu gering die Bereitschaft einiger Trainer, Sportler und Zuschauer, solche neuen Abläufe zu akzeptieren und sich in sie zum Schutze aller einzufügen. Auf der Ebene der Bundeskader, die etwa an Olympiastützpunkten trainieren, mag das durchaus anders sein.
Das Desaster wären Boxveranstaltungen als Superspreader-Event
Dies ist natürlich keine schöne Einschätzung. Sie erhebt auch keinen Anspruch auf Endgültigkeit. Sie ist aber eine Schlussfolgerung, zu der auch ein medizinischer Laie auf Grundlage der aktuellen und allgemein anerkannten Erkenntnislage kommen kann, wenn man die Erfahrungen aus üblichen Boxveranstaltungen mit dem Wissen über die Pandemie abgleicht.
Natürlich: Das Wissen erweitert sich, manche Einschätzung mag sich ändern. Auch ist denkbar, dass sich das Infektionsgeschehen doch anders entwickelt, als man jetzt vielleicht für den Herbst befürchten muss. Auch darf man bislang für 2021 mit einigem Optimismus auf einen Impfstoff und verbesserte Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung hoffen. All das kann und wird der Pandemie nach und nach vermutlich viel von ihrem Schrecken nehmen.
Doch einstweilen scheint Vorsicht angeraten, wenn man (etwa als Trainer oder Veranstalter) Verantwortung für Sportler, Mitarbeiter und Besucher trägt. Am Ende wäre der Schaden groß, wenn sich Boxveranstaltungen als Superspreading-Event herausstellten. Zuallererst natürlich für die erkrankten Sportler, Trainer, Kampfrichter, Mitarbeiter und Besucher – zumal sich herausgestellt hat, dass auch zunächst leicht verlaufende Erkrankungen mitunter längere Folgen haben können.
Aber auch den Boxsport würde es insgesamt in ein schlechtes Licht rücken, wenn sich herausstellen sollte, dass Hygienekonzepte am Ende das Papier nicht wert waren, auf dem sie geschrieben wurden, weil sie organisatorisch, infrastrukturell oder wegen mangelnder Mitwirkung der Beteiligten schlichtweg nicht eingehalten wurden. Nicht zuletzt könnten für Veranstalter womöglich auch straf- oder zivilrechtliche Fragen aufgeworfen werden, wenn im Zusammenhang mit Infektionen vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen Auflagen festgestellt werden.