Vor gut sieben Jahren tauchte einmal ein brasilianischer Boxer, der auf seiner Europareise auch Deutschland besuchte, überraschend bei uns im Training auf. Sein Besuch erwies sich gewissermaßen als Vorhut einer brasilianisch-italienischen Delegation, die wir im Jahr darauf in Hamburg begrüßen durften.
Seit 2015 gewachsenes Netzwerk
Aus diesen Besuchen erwuchs allmählich ein Netzwerk an Kontakten zu brasilianischen und italienischen Boxsportlern und Trainern, das mit den Jahren immer größer, doch zugleich auch immer enger wurde und auch die schwierige Zeit der Pandemie schadlos überstand.
An den sich verdichtenden Verbindungen war dabei besonders spannend, dass alle Beteiligten gleichermaßen emanzipatorische Ansprüche mit soliden boxsportlichen Zielen verbanden. So kamen z.B. aus den Reihen unserer brasilianischen Freunde mehrfach WM- und Olympiateilnehmer*innen.
Die Entfernungen und später auch die pandemiebedingten Reisebeschränkungen brachten es mit sich, dass dieses Netzwerk (von den eingangs erwähnten Besuchen abgesehen) bislang virtuell gepflegt werden musste: Man tauschte Mails aus, man chattete – und intensivierte den Austausch auf diesem Weg.
Mit viel Aufwand und nach Lösung einiger zollrechtlicher Schwierigkeiten im Empfängerland gelang es im letzten Jahr immerhin, einige T‑Shirts und Aufkleber über den Atlantik nach Brasilien zu senden. Freilich ein schwacher Ersatz für ein ersehntes Wiedersehen.
Einladung aus Italien
Als uns nun vor einigen Wochen eine Einladung des Vereins »Pugilistica Navile« aus Bologna in Italien erreichte, uns an einem dreitägigen Workshop zu beteiligen, in dem es um Sport und sozialpolitische Themen gehen sollte, war dies endlich die passende Gelegenheit, die Kontaktpflege in realen Begegnungen fortzuführen.
In einem intensiven und konstruktivem Austausch mit Giuni Ligabue von »Pugilistica Navile« waren schnell alle offenen Fragen und Details geklärt, so dass unser Trainer Ralf Elfering als Vertreter der Boxabteilung die Sachen packen, das Auto volltanken und das Navi mit Ziel Bologna einstellen konnte.
Vom 9. bis zum 11. Juni war er dann also bei den Sportfreunden von »Pugilistica Navile« zu Gast – einem Boxverein mit Wurzeln in der Bewegung der italienischen »Palestre Populari« (emanzipatorisch gedachten Sportprojekten, die oftmals aus besetzten Strukturen hervorgingen). Seinen Namen trägt der Verein nach einem Stadtteil im Norden Bolognas.
Workshop in Bologna
Im Rahmen des dreitägigen Workshops gab unser Trainer in einem Park des Stadtteils ein offenes Boxtraining, an dem Sportler mehrerer Boxvereine aus Bologna teilnahmen. Schwerpunkt des Trainings waren die Aspekte der kinetischen Kette im Boxen.
Am zweiten Tag übernahm Emilo Suarez aus Chiapas (Mexiko) den praktischen, also sportlichen Teil. Er leitete mit seiner ruhigen und charismatischen Art ein Calisthenics-Training an, das an verschiedenen Stationen im Park durchgeführt wurde.
Am Abend des zweiten Tages gab es noch die Vorführung eines Films über das Boxen in Kuba, den Giuni Ligabue und Chiara Gregoris 2014 gedreht haben. Es schloss ich daran noch eine Art Podiumsdiskussion an, zu der aus Mexiko und Brasilien live Teilnehmer hinzu geschaltet wurden.
Die beteiligten Projekte stellten sich vor und umrissen die sozialpolitischen Themenstellungen, mit denen sie in ihrem Alltag befasst sind.
Namentlich im Vergleich zu dem eindrücklichen Bericht von Emilo Suarez aus Chiapas (Mexiko) wurde dabei deutlich, wie privilegiert unsere Situation in Europa ist. Dort in Mexiko ist etwa die Beschaffung von sauberem Trinkwasser ein Alltagsproblem, das auch sein Sportprojekt beschäftigt.
Fortsetzung erwünscht
Der dritte und letzte Tag fand schließlich in dem Gym statt. Man nutzte das Beisammensein, um sich in vielen wechselnden informellen Gesprächen auszutauschen. Dabei wurde klar, dass man menschlich, sportlich und sozialpolitisch auf so ähnlicher Frequenz funkt und empfängt, dass der Kontakt unbedingt fortgeführt werden soll.
Hoffentlich dann auch recht bald unter Beteiligung der brasilianischen Freunde, die in Bologna schmerzlich vermisst wurden. Und vielleicht ja auch mit einer Ausweitung der sportlich Beteiligten, etwa bei einer gemeinsamen Wettkampfveranstaltung.