Am 2. und 3. November 2018 wird die AIBA in Moskau eine richtungsweisende Entscheidung treffen: Im Weltverband des olympischen Boxens steht die Wahl des neuen, regulären Präsidenten an. Eine Personalie, die nicht nur in der Boxwelt, sondern auch durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufmerksam beobachtet werden wird. Der bevorstehende AIBA-Kongress entwickelt sich dabei immer mehr zu einem Krimi: Das Opfer könnte am Ende das olympische Boxen sein.
Verschuldung und Misswirtschaft: Chin-Kuo Wu musste 2017 Gafur Rakhimov Platz machen
Aktuell leitet der 67-jährige Usbeke Gafur Rakhimov als Interimspräsident die Geschäfte des Weltverbandes. Rakhimov, seit 1998 einer der Vizepräsidenten der AIBA, löste 2017 den Taiwanesen Chin-Kuo Wu ab, der von 2006 bis 2017 elf Jahre lang an der Spitze des Weltverbandes stand.
Wu war letztlich an der Etablierung des Profiboxens unter dem Dach der AIBA gescheitert. Für diesen Plan hatte sich der Weltverband erheblich verschuldet und geriet in finanzielle Schieflage. Der taiwanesische Bauunternehmer konnte sich daraufhin nicht mehr länger im Amt halten.
Umstrittener Interims-Präsident: IOC droht Boxen aus dem olympischen Programm zu streichen
Offenbar war das IOC aber auch von dem neuen Interimspräsidenten der AIBA wenig begeistert: Es forderte die AIBA zu grundlegenden Reformen auf und fror alle Zuwendungen ein, bis sich die Lage bessere.
IOC-Präsident Bach soll außerdem gedroht haben, Boxen 2020 in Tokio aus dem olympischen Programm zu nehmen, wenn Rakhimov im November durch den AIBA-Kongress (dann als regulärer Präsident) im Amt bestätigt werde.
Nach Informationen des Deutschlandfunks soll der IOC-Verantwortliche für Ethik und Compliance, Päquerette Girard Zappelli, daher Rakhimov unlängst in einem Brief gewarnt haben: Es würden für die Zukunft des Boxens in der Olympischen Bewegung nur Kandidaten akzeptiert, die über jeden Zweifel erhaben seien.
Die Ablehnung des aktuellen Interimspräsidenten durch das IOC dürfte damit zu tun haben, dass Rakhimov, Unternehmer und Vizepräsident des usbekischen Boxverbandes, immer wieder von verschiedenen Seiten mit der organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht wird.
Opposition kalt gestellt? Gegenkandidat darf nicht kandidieren und EUBC-Präsident suspendiert
Die Drohungen des IOC blieben anscheinend nicht ohne Wirkung. Frühere Unterstützer des aktuellen Interims-Präsidenten schienen zuletzt von ihm abzurücken. So soll der aktuelle Präsident des europäischen Kontinentalverbandes EUBC, Franco Falcinelli, den offenbar einzigen Gegenkandidaten Serik Konakbayev unterstützt haben.
Pikant ist allerdings, dass die AIBA den Kasachen Konakbayev gar nicht (mehr) auf der Liste der wählbaren Kandidaten führt. In den gestern am 2. Oktober 2018 an die 203 Mitgliedsverbände der AIBA verschickten Unterlagen ist sein Name jedenfalls nicht aufgeführt. Eurosport Frankreich weiß zu berichten, dass Konakbayev hiergegen juristische Schritte plant.
Zudem berichtete die AIBA heute am 3. Oktober von einem Beschluss des Exekutiv-Komitees, die Zugehörigkeit des EUBC-Präsidenten Franco Falcinelli zum Exekutiv-Komitee wegen eines nicht näher benannten »rechtswidrigen Verhaltens« auszusetzen.
Die bislang innerhalb der AIBA sichtbare Opposition gegen Rakhimov scheint damit ausgeschaltet zu sein, wenn Gerichte nicht noch anders entscheiden. Findet sich kein zweiter Kandidat für das Amt des AIBA-Präsidenten, wird am Ende gar nicht gewählt: Die Regularien der Wahl sehen für diesen Fall vor, dass der einzige Kandidat ohne jede Abstimmung zum regulären Präsidenten wird.
Streichung des Boxens aus dem olympischen Programm würde auch die sportliche Basis an den Vereinen treffen
Sollte Rakhimov, womöglich sogar durch eine ggf. unlautere Ausschaltung von Gegenkandidaten, Anfang November vom Interimspräsidenten zum regulären Präsidenten der AIBA werden, droht dem Boxsport – zumindest vorübergehend – das Ende als olympische Disziplin mit einem anschließenden Sturz in die Bedeutungslosigkeit.
Ohne olympische Perspektive würde die finanzielle und strukturelle Unterstützung des Boxsports aus staatlichen und öffentlich-rechtlichen Quellen vermutlich drastisch gekürzt, wenn nicht gar komplett gestrichen werden. Das betrifft an erster Stelle natürlich unmittelbar den Spitzensport, dürfte aber auch über Landesverbandebenen bis in die Realitäten der Vereine hineinreichen.