AIBA: Auf­he­bung der Abgren­zung zum Profiboxen?

Interimspräsident Mohamed Moustahsane zur Zukunft des Boxsports

Boxverband AIBA

Der süd­pa­zi­fi­sche Insel­staat Fiji ist Gast­ge­ber des zwei­ten der vier geplan­ten AIBA-Kon­ti­nen­tal-Foren. Auf die­sen Foren möch­te der ange­schla­ge­ne und vom Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tee (IOC) aktu­ell sus­pen­dier­te Welt­ver­band im Vor­feld sei­nes Welt­kon­gres­ses mit sei­nen Mit­glieds­ver­bän­den über die Zukunft des Ver­ban­des und des olym­pi­schen Boxens ins Gespräch kommen.

AIBA-Kon­ti­nen­tal­fo­ren vor dem Weltkongress

Das ers­te AIBA-Kon­ti­nen­tal­fo­rum für den ame­ri­ka­ni­schen Raum wur­de vor kur­zem in Pana­ma abge­hal­ten. Nach dem Forum in Fiji (für den Raum Ozea­ni­en) folgt Ende Febru­ar das euro­päi­sche AIBA-Kon­ti­nen­tal­fo­rum im ita­lie­ni­schen Assi­si. Den Abschluss bil­det schließ­lich das Forum für den asia­ti­schen Raum, das par­al­lel zum IOC-Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nier in der jor­da­ni­schen Haupt­stadt Amman geplant ist.

Moustah­sa­ne: Ein natür­li­cher Weg zum Profi

In Fiji äußer­te sich der Inte­rims­prä­si­dent der AIBA Moha­med Moustah­sa­ne aus sei­ner Sicht nun zum künf­ti­gen Ver­hält­nis des olym­pi­schen Boxens zum Pro­fi­bo­xen, da eini­ge Ver­bän­de die­se Fra­ge auf­ge­wor­fen hät­ten. Er wol­le die Bezie­hun­gen zwi­schen die­sen bei­den Lagern ver­bes­sern, ist zu hören. Die Zukunft lie­ge in einer enge­ren Zusam­men­ar­beit zwi­schen Ama­teur- und Profiboxen.

»Enge­re Zusam­men­ar­beit« ist dabei wohl eher eine zurück­hal­ten­de Beschrei­bung. Moustah­sa­ne arti­ku­liert in wei­te­ren Äuße­run­gen zu die­sem The­ma weit­rei­chen­de Zie­le: Man wer­de ver­su­chen, die Gren­ze zwi­schen Pro­fis und Ama­teu­ren zu besei­ti­gen. Es soll, so der Prä­si­dent mit limi­tier­ter Amts­zeit, in Zukunft einen natür­li­chen Weg geben vom natio­na­len Level bis zum Pro­fi­bo­xen, und das ohne jede Begrenzung.

Kreml­ev nimmt eine wich­ti­ge Rol­le bei den Kon­ti­nen­tal­fo­ren ein

Auf den bis­he­ri­gen bei­den Foren (in Pana­ma und jetzt in Fiji) spielt der Gene­ral­se­kre­tär des rus­si­schen Box­ver­ban­des Umar Kreml­ev eine wich­ti­ge Rol­le. Fotos, die von bei­den Kon­fe­ren­zen im Umlauf sind, zei­gen ihn an der Sei­te des Noch-Prä­si­den­ten der AIBA Moha­med Moustah­sa­ne, des­sen Über­gangs­amts­zeit im März enden wird.

Mit Kreml­evs Amt in der AIBA ist das allein nicht voll­ends zu erklä­ren: Im Welt­ver­band ist er der Vor­sit­zen­de der neu­ge­schaf­fe­nen Mar­ke­ting-Kom­mis­si­on, also eher im wirt­schaft­li­chen Bereich tätig. Die Kom­mis­si­on soll nach neu­en Ver­mark­tungs­we­gen des olym­pi­schen Boxens suchen.

Kreml­ev ver­spricht Ozea­ni­en ein »Boxing Center«

Die Äuße­run­gen Kreml­evs haben hin­ge­gen hör­bar einen prä­si­dia­len Ton­fall und Inhalt: So ver­sprach er der Regi­on Ozea­ni­en auf dem Kon­ti­nen­tal­fo­rum gene­rös die Errich­tung eines »Ocea­nic Boxing Cen­ter« und wei­te­re Unterstützung.

Unklar bleibt dabei, aus wel­chen Mit­teln das geleis­tet wer­den könn­te. Die Kas­sen der AIBA sind jeden­falls leer: Aus der Regent­schaft des frü­he­ren Prä­si­den­ten Wu haben sich hohe Schul­den ange­sam­melt und das IOC hat wegen der Ver­hält­nis­se in der AIBA seit eini­ger Zeit alle Zah­lun­gen eingestellt.

Die Kas­se des rus­si­schen Ver­ban­des schei­nen hin­ge­gen gut gefüllt zu sein: Die Serie der aktu­el­len Kon­ti­nen­tal­fo­ren ließ die AIBA durch den rus­si­schen Ver­band finan­zie­ren. Dies mag die star­ke Rol­le und den prä­si­dia­len Habi­tus des rus­si­schen Prä­si­den­ten womög­lich eher erklä­ren als sei­ne for­ma­le Zuständigkeit.

Kom­men­tar von Ralf Elfering

L’É­tat, c’est moi

Wer die Par­ty bezahlt, bestimmt die Musik. Die­sen Ein­druck erwe­cken die der­zeit von der AIBA durch­ge­führ­ten Kon­ti­nen­tal­fo­ren, die mit Gel­dern des rus­si­schen Box­ver­ban­des über­haupt erst ermög­licht wurden.

Sie wur­den als eine Dis­kus­si­ons­platt­form vor­ge­stellt, auf dem der Welt­ver­band des olym­pi­schen Boxens mit sei­nen Mit­glieds­ver­bän­den das Gespräch über die Zukunft suchen möch­te. So weit, so gut. Das könn­te man als Dia­log- und Lern­be­reit­schaft deuten.

Nun macht es aller­dings immer mehr den Anschein, als gerie­ten sie zur Wahl­kampf­tour­nee des Gene­ral­se­kre­tärs des rus­si­schen Ver­ban­des Umar Kreml­ev, dem Ambi­tio­nen nach­ge­sagt wer­den, dem Inte­rims­prä­si­den­ten der AIBA Moha­med Moustah­sa­ne im Amt fol­gen zu wollen.

In Fiji ver­sprach Kreml­ev nun groß­zü­gig die Errich­tung eines »Ocea­nic Boxing Cen­ter«. Das muss vor dem Hin­ter­grund der anste­hen­den Wahl einen gewis­sen Arg­wohn erwe­cken, denn es wirkt – erst recht bei völ­lig unkla­rer Finan­zie­rung – wie ein aus dem Ärmel geschüt­tel­tes Wahlkampfversprechen.

Wo, wann und wie ein Stütz­punkt von kon­ti­nen­ta­ler Bedeu­tung errich­tet und betrie­ben wird, muss eigent­lich ein Ergeb­nis einer lang­fris­ti­gen und stra­te­gi­schen Pla­nung zur Ent­wick­lung des olym­pi­schen Boxen sein. Zu stra­te­gi­schen Über­le­gun­gen die­ses For­mats, darf man anneh­men, ist die um sich selbst krei­sen­de, tau­meln­de und um ihr Über­le­ben rin­gen­de AIBA der­zeit aber gar nicht in der Lage.

Wo Kreml­ev nicht selbst redet, wir­ken die Äuße­run­gen des Noch-Prä­si­den­ten der AIBA Moha­med Moustah­sa­ne mitt­ler­wei­le immer mehr wie von den Inter­es­sen des rus­si­schen Box­ver­ban­des RBF diktiert.

So auch die nun ins Gespräch gebrach­te Auf­he­bung aller Unter­schie­de zwi­schen dem olym­pi­schen Boxen und dem Pro­fi­bo­xen. Dies ent­spricht der Agen­da (Link öff­net den Arti­kel vom 12.12.2019 hier­zu in einem neu­en Fens­ter) des rus­si­chen Ver­ban­des, der nach der Doping-Sper­re der WADA schon laut damit droh­te, sich aus dem olym­pi­schen Boxen zurückzuziehen.

Erschre­ckend, wie die Idee des olym­pi­schen Boxens ent­wer­tet und geop­fert wird. Unver­ständ­lich, wie Funk­tio­nä­re, die dem olym­pi­schen Box­sport ver­pflich­tet sind, ihn abschaf­fen wol­len, statt mit Ver­stand und Herz eine Sport­art zu erhal­ten und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, die (trotz aller Schwie­rig­kei­ten) im Gegen­satz zum Pro­fi­bo­xen an der Idee des ech­ten sport­li­chen Ver­gleichs zwei­er Boxer festhält.

Eine Spiel­art des Boxens, bei dem Geld die pri­mä­re Moti­va­ti­on ist und (Welt-)Meisterschaften aus­ge­han­del­te, sin­gu­lä­re Kämp­fe statt Ergeb­nis­se eines Tur­niers sind, an dem sich nach nach­voll­zieh­ba­ren Qua­li­fi­ka­ti­ons­kri­te­ri­en die Bes­ten betei­li­gen, kann nicht die Per­spek­ti­ve unse­res Spit­zen­spor­tes sein. Es wäre der Tod des Box­sports wie wir ihn betreiben.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: