»Yoga and Sports«: Boxen auf Les­bos mit Refugees

»Yoga and Sports« als verlässlicher Ort des sozialen Miteinanders

Unser Mit­glied, frü­he­rer Wett­kämp­fer und heu­ti­ger Arzt Gabri­el Riehl war im Som­mer eini­ge Wochen in Grie­chen­land. Auf der grie­chi­schen Les­bos (bekannt durch gro­ße Lager, in denen Geflüch­te­te unter men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen leben müs­sen) nahm er am Pro­gramm der Orga­ni­sa­ti­on »Yoga and Sports« teil, die mit einem Sport­an­ge­bot den Geflüch­te­ten einen Ort des ver­läss­li­chen Mit­ein­an­ders bie­ten will. Sei­ne Erfah­run­gen schil­dert er in einem Bericht, den wir ger­ne veröffentlichen.

Seit eini­ger Zeit wuchs in mir der Drang unter­stüt­zend mit Geflüch­te­ten in Län­dern der EU-Außen­gren­zen zu arbei­ten. Die­sen Som­mer soll­te es end­lich soweit sein. Acht Wochen hat­te ich die Mög­lich­keit, auf Les­bos in der Nähe des Geflüch­te­ten­camps im Parea Gelän­de, in dem Geflüch­te­te ver­schie­dens­te Orga­ni­sa­tio­nen zur Unter­stüt­zung vor­fin­den, zu arbeiten. 

Neben Sprach­klas­sen, Rechts­be­ra­tung und psy­cho­lo­gi­scher Betreu­ung exis­tiert dort eine wei­te­re Orga­ni­sa­ti­on, die für die geis­ti­ge und kör­per­li­che Gesund­heit der Geflüch­te­ten und aller ande­ren, die sich betei­li­gen wol­len, von gro­ßer Wich­tig­keit ist. In all der Unsi­cher­heit ist Yoga and Sports (YSR) zu einem ver­läss­li­chen Ort des sozia­len Mit­ein­an­ders gewachsen.

Ers­ter Kontakt

Ich lern­te Yoga and Sports (YSR) Les­bos durch mei­ne Teil­nah­me am Box­trai­ning ken­nen. Es ist ein Ort an dem sowohl Geflüch­te­te als auch Mitarbeiter*innen der ver­schie­de­nen Orga­ni­sa­tio­nen und Men­schen aus den umlie­gen­den Ort­schaf­ten herz­lich will­kom­men sind, um sich kos­ten­los mit­ein­an­der auf sport­li­che Wei­se zu begeg­nen und Bar­rie­ren und Unter­schie­de zu überwinden.

Unver­gess­lich sind die Momen­te in denen zur Auf­wär­mung außer­halb des Gyms der benach­bar­ten Hügel in der gar nicht so mil­den Nach­mit­tags­son­ne hin­auf und hin­ab gejoggt wur­de und die moti­vie­ren­de und mit­rei­ßen­de Stim­me von Estel­le, einer der Grün­de­rin­nen von YSR, die in ver­schie­de­nen Spra­chen immer wie­der zum Durch­hal­ten auf- und mehr Ein­satz einforderte.

Die Mis­si­on

Estel­le und ihre Kolleg*innen haben es sich mit der Grün­dung von Yoga and Sports zur Auf­ga­be gemacht ein Ange­bot für Geflüch­te­te zu bie­ten, dass einer­seits für men­ta­len Aus­gleich und Abwechs­lung sorgt und ande­rer­seits einen Bei­trag zur kör­per­li­chen Gesund­heit leis­tet. Ein wei­te­rer wich­ti­ger Pfei­ler ist die Ein­be­zie­hung von Men­schen aus der Refu­gee-Com­mu­ni­ty in die Arbeit rund um und inner­halb der Sport­pro­gram­me. Neben den zahl­rei­chen Koordinator*innen aus der Geflüch­te­ten-Com­mu­ni­ty konn­ten z.B. bereits über 70 Trainer*innen aus der Geflüch­te­ten Gemein­schaft bei Yoga and Sports arbei­ten, ihre sport­li­che Aus­bil­dung aus dem frü­he­ren Leben ein­brin­gen und dadurch unter­schied­lichs­te Sport­ar­ten in pro­fes­sio­nel­lem sport­li­chem Rah­men anbieten.

Die Insel Les­bos liegt nah vor der tür­ki­schen Küs­te. Die­se Lage macht sie zu einer Zwi­schen­sta­ti­on auf der Flucht­rou­te nach Europa.

Drei­mal die Woche durf­te ich nun also wie­der boxen, Men­schen ken­nen­ler­nen und mich aus­po­wern. Die Trai­nings­ta­ge haben immer einen der Schwer­punk­te Tech­nik, Kon­di­ti­on oder Spar­ring, wobei das Kon­di­ti­ons­trai­ning sicher­lich am meis­ten dazu führ­te, den Team­geist aller Teil­neh­men­den zu verstärken.

In einer alten Gewer­be­hal­le ist durch Lie­be, Impro­vi­sa­ti­on, Sach­spen­den und viel Enga­ge­ment ein Gym gewach­sen, in dem neben Gerä­te­trai­ning und Bould­ern regel­mä­ßig ein Box­trai­ning mit mehr als 30 Leu­ten statt­fin­den kann. Schu­he zum Jog­gen, Hand­schu­he, Ban­da­gen, Prat­zen und Spring­sei­le, gekauft von Spen­den oder erhal­ten als Sach­spen­den, lie­gen für alle Teil­neh­men­den zur Nut­zung vor. Das Trai­ning war wie ein Trai­ning sein muss, ener­ge­tisch, fokus­siert, solidarisch.

Das Gym von »Yoga and Sport with Refu­gees« auf Les­bos: Viel Betrieb zu den Trainingsstunden.

Posi­ti­ve Auswirkungen

Vie­le der Geflüch­te­ten erzähl­ten mir, dass die Trai­nings­ein­hei­ten weit mehr als eine siche­re und ver­läss­li­che Abwechs­lung in dem von Unsi­cher­heit, Angst, Anspan­nung und Dis­kri­mi­nie­rung gepräg­ten All­tag sind. Es ist nicht vor­zu­stel­len, was es bedeu­tet, als jun­ger Mensch oft jah­re­lang ohne jeg­li­che Mög­lich­kei­ten sowohl gesetz­lich als auch finan­zi­ell gezwun­gen zu sein, in einem Camp unter wid­rigs­ten Bedin­gun­gen zu leben und auf die oft so will­kür­lich wir­ken­de Ent­schei­dung von Behör­den zu war­ten, von der abhängt, ob man zurück in das Land muss, aus dem man vor Hun­ger, Gewalt, Krieg oder Ver­fol­gung geflo­hen ist.

Durch das gemein­sa­me Trai­ning und die Begeg­nun­gen, die sich dar­aus erga­ben, wuchs mein Inter­es­se und die Begeis­te­rung für das Pro­jekt von Yoga and Sports. Neben YSR Les­bos exis­tie­ren auch YSR Athen und Habi­bi and Sport Ioan­ni­na, die alle ein Ort der Begeg­nung und Inte­gra­ti­on sind, in dem Orts­an­säs­si­ge und »Peo­p­le on the move« will­kom­men sind zu trai­nie­ren, an denen Gemein­schaft gebil­det wird, das Wohl­erge­hen der Sport­le­rin­nen und Sport­ler wich­tig genom­men wird und durch Teil­nah­me an öffent­li­chen Sport­ver­an­stal­tun­gen Geflüch­te­ten die Chan­ce gege­ben wird, eine posi­ti­ve Erwäh­nung in Medi­en und der Öffent­lich­keit zu finden.



Mehr Infor­ma­tio­nen über das Projekt:

 

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: