
In Hamburg ist seit seit dem 1. Juli wieder Kontaktsport möglich – und das auch in Sporthallen. Mit dieser Lockerung ist im Sportbetrieb der Boxabteilung jedoch bei weitem noch keine Normalität eingekehrt. Ohne Abstand dürfen in der Hansestadt nämlich aktuell nur 10 Personen zum Sport zusammen kommen.
Im normalen Sportbetrieb vor Corona nahmen jedoch mehrfach in der Woche 20 bis 40 Personen am Training der unterschiedlichen Gruppen teil. In allen Trainingseinheiten wurden dabei (mindestens für Partnerübungen, aber natürlich in der Regel ebenso für das Sparring) auch die Boxhandschuhe angezogen.
Nur die Wettkämpfer trainieren aktuell mit Kontakt
Ein Trainingsbetrieb wie vor der Pandemie ist also zur Zeit noch nicht möglich. Mit Boxhandschuhen trainieren aktuell nur die Wettkämpfer, zu denen abwechselnd solche Sportler eingeladen werden, für die auf der Grundlage ihrer bisherigen Fortschritte, ihres bisherigen Einsatzes, ihrer Verlässlichkeit und ihres Alters eine besondere Wettkampfperspektive angenommen werden kann.
Die Mehrheit der Sportler trainiert hingegen einmal wöchentlich in einem Fitness-Parcour im Park hinter der Trainingshalle und einmal wöchentlich kontakftrei Technik. Alles findet outdoor statt, aber das Techniktraining wenigstens überdacht (dennoch von den Seiten gut durchlüftet) und damit regensicher.
Referat über Viren und Infektionswege
Grundlage des Wettkampftrainings, in dem Kontakt erlaubt ist, ist ein mit dem Ringarzt der Abteilung entwickeltes und beim Hauptverein vorgelegtes Hygienekonzept. Vor dem ersten Kontakttraining stand direkt Theorie auf dem Plan: In einem knapp einstündigen Referat wurden die Sportler über Viren, Übertragungswege und insbesondere die Corona-Pandemie unterrichtet.
»Für die gegenwärtigen Einschränkungen des Trainings- und Wettkampfbetriebes findet man bei den Sportlern umso mehr Verständnis, je mehr sie die Lage ganz anschaulich begriffen haben«, erläutert der Trainer Ralf Elfering. »Dabei gilt es eine Gratwanderung zu meistern: Auf der einen Seite soll das Training Spaß machen und nicht im Schatten einer dunklen Corona-Wolke stattfinden, auf der anderen Seite müssen gewisse Dinge aktuell einfach anders laufen.«
Erweiterte Regeln und Zustimmung der Erziehungsberechtigten
In der Tat sind die Abläufe für die Wettkämpfer derzeit anders als sonst:
- Die Teilnehmer mussten sich durch Unterschrift auf coronaspezifische Trainingsregeln verpflichten. Bei unter 18-jährigen Sportlern mussten die Erziehungs- oder Sorgeberechtigten dem Training schriftlich zustimmen.
- Vor dem Training wahren alle Abstand und tragen Mund-Nasen-Schutz. Erste Maßnahme nach dem Eintreffen ist eine kontaktlose Fiebermessung, dann die Handdesinfektion, dann das Eintragen aller Kontaktdaten auf einer Liste.
- Nach jeder Benutzung der Sanitärräume wird zwischendesinfiziert, an den Wasserhähnen darf nicht getrunken werden, Trainingsmaterial darf nicht getauscht oder verliehen werden. nach jeder Trainingseinheit desinfizieren die Trainer Kontaktflächen wie z.B. Handläufe und Türgriffe.

Sichere Wettkampfperspektive unklar
Ob es für die Wettkämpfer schon bald wieder sportliche Vergleiche im Ring geben wird, ist aktuell eher fraglich. Die Einschätzung des Trainers hierzu:
»Corona wird die Welt nicht anhalten können. Natürlich wird es also irgendwann wieder Wettkämpfe geben. Aber bis jetzt haben wir weder einen Impfstoff noch wirklich wirksame Behandlungsmöglichkeiten. Und für Herbst und Winter muss man leider von einem steigenden Infektionsgeschehen ausgehen. Die erste und wichtigste Aufgabe für mich als Trainer ist jetzt, möglichst alle gesund durch diese Pandemie zu bringen, soweit es meinen Anteil daran betrifft. Gut möglich, dass da und dort Boxveranstaltungen versucht werden, weil es die Vorschriften gerade noch hergeben mögen. Ich sehe das ehrlich gesagt kritisch. Wenn man sich vor Augen führt, wie normale Vereinsveranstaltungen ablaufen, dann hat das nach meiner Auffassung alle Zutaten, die daraus leicht ein Super-Spreading-Event machen können, wenn sich nur einer in der Halle befindet, der mit COVID-19 infiziert ist. Unseren Boxsport auf Vereinsebene können wir nicht mit der Fußballbundesliga gleichsetzen. Dort mag mit viel Geld, Logistik, Platz, Manpower und ohne Zuschauer vielleicht einigermaßen sicher ein Spielbetrieb durchführbar sein. Aber in den Schulturnhallen, in denen wir normalerweise Boxveranstaltungen durchführen? Mit den Massen an Sportlern, Trainern und Zuschauern, die sich da an der Waage, in den Kabinen und rund um den Ring tummeln? Ich halte das vor dem Hintergrund, was man bis jetzt über COVID-19 weiß, für riskant. Und ich frage mich auch, ob unter solchen Rahmenbedingungen Hygienekonzepte eine Belastbarkeit haben können. Ich würde es im Grunde begrüßen, wenn der Boxsport auf Vereinsebene für einige weitere Monate den Wettkampfbetrieb unterbricht. Das würde einen unseligen Konkurrenzdruck rausnehmen, der manche zu leichtsinnigen Entscheidungen verleiten kann. So könnten sich die Vereine ganz auf einen sicheren Trainingsbetrieb konzentrieren, was auch schon keine leichte Aufgabe sein dürfte.«
Aus der Krise gestärkt herauskommen
Für Pessimismus besteht aber aus der Sicht des Trainers kein Anlass: »Obwohl wir lange Zeit gar kein Training hatten und dann erst stufen- und auch nur teilweise zurück ins Kontakttraining gekommen sind, haben sich ausgerechnet in dieser problematischen Zeit einige neue junge Sportler an den Wettkampfbereich angenähert. Sie werden nun auf Einladungsbasis zum Kontakttraining hinzugezogen, wenn die Teilnehmerzahlen es erlauben. Wer, wie die bestehenden Wettkämpfer, unter solchen Umständen bei der Sache bleibt oder, wie die neuen Kandidaten, potenziell zum Wettkampfsport findet, stellt damit eine Reihe wichtiger Wettkampftugenden unter Beweis: Intrinsische Motivation, Geduld, Frustrationstoleranz und Disziplin. Das stimmt mich sehr zuversichtlich.«