Drei Boxer des FC St. Pauli starteten am vergangenen Wochenende beim 6. Ostsee-Cup in Cottbus. Für das Turnier waren 176 Sportlerinnen und Sportler aus 38 teilnehmenden Vereinen in die knapp 100.000 Einwohner*innen zählende Stadt in der Niederlausitz gekommen.
Benannt nach einem künstlichen See
Wer sich jetzt wundert, warum in der Niederlausitz ein Ostsee-Cup ausgetragen wird: Der Wettbewerb ist nicht etwa nach dem baltischen Meer benannt, das von Cottbus immerhin rund 350 km entfernt ist, sondern nach einem künstlichen See, der Reste des Braunkohletagebergbaus auffüllt und – wenn er fertig befüllt ist – mit 1900 Hektar Wasserfläche der größte künstliche See Deutschlands sein wird. Das winterliche Wetter und der Zeitplan des Turniers sprachen aber gegen eine Besichtigung des wachsenden Sees. Stattdessen hatten sich Cedric Walkenhorst (Elite), Arash Alawoddin und Mustafa Hemati (beide U19) die turnierüblichen Wartezeiten vor dem Wiegen und vor den jeweiligen Kampfeinsätzen um die Ohren zu schlagen.
Als erster kam Mustafa Hemati (U19, bis 57 kg) zum Einsatz. Die eingegangenen Meldungen in dieser Alters- und Gewichtsklasse machten klar, dass er eine schwere Aufgabe zu lösen haben würde. Seine beiden Konkurrenten in dieser Turniergruppe hatten mehr als sieben- bzw. viermal so viele Kämpfe absolviert wie unser Kiezkämpfer, der damit der Papierlage nach ohne Zweifel als Underdog gelten musste.
Mustafa Hemati kegelt Favoriten aus dem Turnier
In seinem Auftaktkampf traf er gleich auf den ringerfahrensten seiner beiden Kontrahenten. Für Mukhamed Borchashvili vom KSSV Zwickau war es der sechzehnte Kampf seiner Boxbiografie, für Mustafa erst der dritte. Mustafa ging konzentriert zur Sache, blieb meist klug in der langen Distanz und wusste mit konsequenter Vorwärtsbewegung und hoher Aktivität den Raum für sich zu nutzen. So zwang er seinen Gegner über weite Teile des Kampfes in die Rückwärtsbewegung und an die Ringseile. Dabei war es nicht nur eine bloße Kraft- oder Ausdauerleistung, die ihm schlussendlich den Punktsieg einbrachte: Der Kiezkämpfer zeigte dabei z.B. mit Ebenenwechseln auch technische Finessen. Nach der dritten Runde und dem verkündeten Punktsieg war klar, dass er sich mutig ins Finale geboxt hatte.
Arash mit Niederlage im Auftaktkampf
Als zweiter Kiezkämpfer war Arash Alawoddin an der Reihe (U19, bis 63,5 kg). Auch in seiner Turniergruppe lagen die Erfahrungsvorteile bei den Kontrahenten, wenngleich nicht so extrem wie bei Mustafa. Damit war auch hier klar, dass keine Geschenke verteilt würden, sondern dass der Erfolg ein Stück weit auch erzwungen werden musste. Der Wechsel in die Gewichtsklasse bis 63,5 kg hatte Arash etwas Kraft gekostet, so dass er in seinem Turniereinstieg gegen Said Abusaid aus Cottbus die eigenen Aktionen etwas zu sehr verwaltete. Damit gab er ein wenig zu oft die Initiative aus der Hand und geriet stattdessen in die Rolle des Reagierenden. Diesen Eindruck mochten auch die Punktrichter*innen am Ende gehabt haben, die ihm nur den letzten Durchgang zusprachen, aber die ersten beiden Runden an den Gegner gaben. Mit dieser Niederlage im Auftaktkampf sollte es für Arash am Sonntag dann immerhin noch um Platz drei oder vier gehen.
Nur ein Kurzeinsatz für Cedric
Den Abschluss des ersten Turniertages machte schließlich Cedric Walkenhorst, der gegen Friedrich Bräuning vom Wiking Boxteam Wolgast antrat. Ein nur kleiner Moment nachlassender Aufmerksamkeit setzte dem Kampf ein jähes Ende: Nach einem Kopftreffer wurde Cedric angezählt, zeigte sich anschließend zwar wieder kampfbereit – aber eben noch nicht wieder komplett kampffähig. Kurz nach Wiederaufnahme des Kampfes setzte der Gegner zu einer zweiten Attacke an, die, obschon dieses Mal zum Körper, Cedric dann doch zur falschen Zeit erwischte. Der Ringrichter brach den Kampf daraufhin ab, so dass es nur ein kurzer Einsatz des Kiezkämpfers war. Da seine Turniergruppe aus nur drei Sportlern bestand, gab es in dieser Gewichtsklasse auch keinen Kampf mehr um den dritten Platz. Cedric trug diese Niederlage nach vorangegangenen drei Siegen in Folge mit Gelassenheit.
Am zweiten Turniertag sollten damit also noch Mustafa Hemati und Arash Alawoddin zu zweiten Einsätzen im Ring kommen: Mustafa in der Entscheidung um Gold oder Silber, Arash im Kampf um Bronze.
Mustafa macht nächstem Favoriten das Leben schwer
Wieder fiel Mustafa der Auftakt zu. Er musste sich mit Arian Sahiti vom Berliner TSC vergleichen, der durch Freilos direkt schon im Finale stand. Für Arian war es zwar »erst« der zehnte Kampf, aber von seinen neun zuvor bestrittenen Gefechten hatte er immerhin sieben für sich entscheiden können – eine Kampfbilanz, die durchaus für kämpferische Qualität spricht. Auch diese Aufgabe ging Mustafa mutig an. Wieder schaffte er es, diesmal dem Berliner die Rückwärtsbewegung aufzuzwingen und Raum abzunehmen. Aus der Defensive wusste der sich aber besser zu verteidigen, so dass sich unter dem Strich eine sehr ausgewogene Auseinandersetzung entwickelte, deren Ausgang bis zum Ende für offen gelten musste. So blieb es spannend, welcher Arm nach dem Abschluss des dritten Durchgangs durch den Ringrichter gehoben werden würde. Als es der Arm des Berliners war, ging das in Ordnung. Ein guter Kampf war es allemal.
Arash mit taktischer Umstellung zurück auf Siegerstraße
Nach der Veranstaltungspause war Arash an der Reihe. In seiner Turniergruppe aus vier Wettkämpfern war Bronze nur durch einen Sieg zu erkämpfen. Seinen zweiten Kampf im Rahmen des Ostsee-Cups ging er nach der Niederlage des Vortags daher mit einer geänderten Taktik an. Von Beginn an machte er Druck, war viel im Vorwärtsgang unterwegs und überzeugte durch eine hohe Schlagfrequenz. Da er dies über alle drei Runden aufrecht erhielt, entwickelte sich eine wachsende Dominanz im Ring, die auch den Punktrichter*innen nicht verborgen blieb. Nach neun Minuten Kampf war es daher keine große Überraschung, dass das Urteil zugunsten des Kiezkämpfers ausfiel, der sich nach einer taktischen Umstellung mit kämpferischen Herz und kühlem Verstand auf einen Medaillenplatz vorgeboxt hatte.
Die Bilanz des Trainers Ralf Elfering:
Die Niederlage von Cedric ist ärgerlich, aber im Boxen können Millisekunden entscheiden. Die zweite Angriffswelle traf Cedric, als er noch nicht ganz wieder hergestellt war. Nur zehn Sekunden später – und es hätte anders laufen können. Insofern hat es der Gegner taktisch richtig gemacht. Mustafa ist in diesem Turnier über sich selbst herausgewachsen. Seine Gegner hatten ein vielfaches seiner Erfahrung, aber er hat ihnen im ersten Kampf einen Sieg abgerungen und in dem zweiten Kampf bis zuletzt um den Sieg mitgeboxt. Es wäre keine Überraschung gewesen, wenn er auch den zweiten Kampf noch für sich entschieden hätte. Chapeau! Arash steckte der Gewichtsklassenwechsel noch ein wenig in den Knochen. Aber nach der Niederlage hat er mit der taktischen Umstellung seine kämpferische Variabilität und Intelligenz unter Beweis gestellt und sich im laufenden Turnier zurück auf die Siegerstraße geboxt. Detlef Jentsch, dem BC Cottbus und allen Helferinnen und Helfern danken wir für die perfekte Organisation des Turniers!