Kurz bevor am 2. November die Frist abgelaufen ist, innerhalb derer die Nationalverbände dem Weltverband AIBA die Kandidaten zur Präsidentschaft melden müssen, hat der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) nun einen eigenen Kandidaten nominiert: Um das Amt an der Spitze der AIBA bewirbt sich mit dem 3‑Sterne-AIBA-Kampfrichter und DBV-Kampfrichterobmann Ramie Al-Masri ein sechster Kandidat. Gewählt wird im Rahmen eines virtuell am 12. und 13. Dezember durchgeführten Kongresses.
Sechs Kandidaten bewerben sich um das Amt
Er tritt gegen Suleyman Mikayilov (Aserbaidschan), Domingo Solano (Dominikanische Republik), Anas Al Otaiba (Vereinigte Arabische Emirate), Boris van der Vorst (Niederlande) und Umar Kremlev (Russland) an. Insbesondere der Präsident des russischen Boxverbandes Umar Kremlev gilt allgemein als Schwergewicht in der Reihe der Kandidaten, der unlängst behauptete, er sei von 50 Mitgliedverbänden der AIBA um eine Kandidatur gebeten worden.
Deutscher Kandidat erfahren, aber unbelastet
Zwei wesentliche Punkte machen die Kandidatur interessant: Der Vertreter des DBV gilt einerseits auf dem internationalen Boxparkett als erfahren, auf der anderen Seite jedoch mit Blick auf die skandalträchtige Vergangenheit der AIBA als unbelastet. Hinzu kommt, dass Deutschland 2017 Ausrichter der Weltmeisterschaft der Männer in Hamburg gewesen war, also mit dem Turnier auf internationaler Ebene eine Visitenkarte abgeben konnte.
Weltmeisterschaft in Hamburg als Visitenkarte
Nun kann allerdings auch Russland darauf verweisen, im zurückliegenden Jahr die zwei Weltmeisterschaften der Männer und Frauen erfolgreich über die Bühne gebracht zu haben. Beide Turniere fanden jedoch nach der Suspendierung der AIBA durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) statt und hatten für die Olympiaqualifikation somit schon keine Bedeutung mehr – ein Umstand, der die beiden Wettbewerbe in ihrer Bedeutung etwas einschränkt.
Russische Kandidatur von Dopingvorwürfen überschattet
Die Kandidatur Kremlevs, der vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in der Welt des olympischen Boxens omnipräsent schien, ist außerdem überschattet von den Dopingskandalen im russischen Sport. Tausende von Daten, so der Vorwurf der WADA, sollen in russischen Kontrolllaboren systematisch manipuliert worden sein, um mögliche Dopingverstöße zu vertuschen. Die russische nationale Antidoping-Agentur »RUSADA« verlor in diesem Zusammenhang die Zulassung der WADA.
Russischer Kandidatur gegebenenfalls belastet
Vor dem Hintergrund dieser Vorwürfe entschied die Welt-Antidoping-Agentur WADA Ende 2019, russische Sportler und Funktionäre für 4 Jahre zu sperren. So diese Entscheidung Bestand hat (ein Widerspruchsverfahren ist aktuell am CAS anhängig), dürfte dies einige Fragezeichen hinter der Kandidatur Kremlevs setzen, der in diesem Fall für das IOC kaum noch als Ansprechpartner gelten könnte. Doch gute Kontakte zu möglichst unbelastetem Führungspersonal werden notwendig sein, um das Verhältnis der AIBA zum IOC reparieren zu können.
IOC-Beauftragter Nenad Lalović forderte »völlig neue Leute«
Der Kandidat des DBV könnte also für alle eine interessante Alternative sein, die die Gefahr eines endgültigen Ausschlusses der AIBA aus der olympischen Famile ernst nehmen. Ihnen mögen die Worte von Nenad Lalović noch im Ohr klingen. Der Präsident des Weltringerverbandes und Vorsitzende des serbischen olympischen Komitees war vom IOC beauftragt worden, den Reformprozess der AIBA zu beobachten und hatte sich wiederholt mit den Fortschritten der AIBA unzufrieden gezeigt. Er formulierte deutlich die Erwartung (Link öffnet neues Browserfenster), dass völlig neue Leute in der AIBA Verantwortung übernehmen müssten.