
Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Infektionsgeschehens häufen sich in vielen Sportarten inzwischen die Absagen von Wettbewerben, weil in Mannschaften beziehungsweise in Trainer- und Betreuerteams Corona-Infektionen oder entsprechende Verdachtsfälle auftraten oder vorsorglich Quarantänemaßnahmen angeordnet werden mussten.
Die Abbildungen weiter unten zeigen Momentaufnahmen eines einzigen (!) Tages aus der Sportberichterstattung der »Hamburger Morgenpost« vom 21.10.2020. Der Wettkampfbetrieb des Fußballs, Handballs, Radsports und des Basketballs zeigt sich durch die Corona-Pandemie empfindlich gestört. Dies dürften aber nicht die einzigen Sportarten sein, die betroffen sind.
Ausfälle und Absagen bestimmen das Bild
Die in den Beispielen genannten Mannschaften und Sportler gehören in ihrer jeweiligen Sportart zum Spitzensport und absolvieren ihr Training und ihre Wettkämpfe sicherlich unter Bedingungen, von denen Sportler unterer Spielklassen und Leistungsebenen wahrscheinlich nur träumen können.
Man sollte also denken können, dass – wenn überhaupt irgendwo Corona klein gehalten werden kann – es im mit viel Aufwand betriebenen Spitzensport gelingen könnte. Zumal es dort in der Regel auch um Geld geht. Dass aber sogar dort die Corona-Pandemie viele Planungen durcheinander bringt, sollte aufhorchen lassen.
Im sportlichen Unterbau, wo bei der Durchführung des Trainings- und Wettkampfbetriebes nicht derselbe Aufwand betrieben werden kann wie an der Leistungsspitze und Sportler wie auch Trainer den Sport eher als »Hobby« denn als Beruf ausüben, dürfte die Corona-Pandemie sogar noch größere Auswirkungen haben.
Zweifel, ob der Amateurfußball die Saison zu Ende bringen kann
In der Tat führen im Amateurfußball coronabedingte Spielausfälle schon vergleichsweise kurz nach dem Start der Saison zu einem wachsenden Problem: Mancherorts stehen schon jetzt so viele Nachholspiele an, dass Zweifel immer lauter werden, ob die Saison selbst dann zu Ende gebracht werden kann, wenn der Spielbetrieb prinzipiell erlaubt bleiben sollte.
Auch hört man, dass im Amateurfußball immer mehr Sportler genauer überlegen, ob sie das Risiko von (vielleicht sogar wiederholten) Quarantänemaßnahmen noch eingehen wollen. Bei Arbeitgebern könnten sie damit auf wenig Verständnis stoßen. Nicht zuletzt sind auch soziale Umfelder (Familie, Freunde) durch die verordnete Isolation belastet.
Die Sportberichterstattung in der »Hamburger Morgenpost« vom 21.10.2020 macht deutlich, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie sogar auf den auf den professionellen Sportbetrieb hat.




Coronafälle belasten auch andere Bereiche der Gesellschaft immer stärker
Andere gesellschaftlichen Bereiche zeigen sich ebenfalls in wachsendem Maße betroffen: Am zurückliegenden Wochenende meldeten sich die Außenminister Österreichs und Belgiens nach einem Treffen unter europäischen Amtskollegen in Luxemburg mit positiven Corona-Befunden vorerst von der öffentlichen Bühne ab.
Auch Bundespräsident Walter Steinmeier musste sich in Selbstisolation begeben, nachdem einer seiner Personenschützer positiv getestet wurde. Gleiches widerfuhr zwei Tage zuvor der EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen, als in ihrem Büro-Team eine Corona-Infektion bekannt wurde.
Immer klarer wird an diesen Beispielen jedenfalls, dass die zuletzt wieder stark steigenden Infektionszahlen auf nahezu alle Lebensbereiche Auswirkungen haben. In die Berichterstattung der Medien schaffen es jedoch nur Fälle von öffentlichem Interesse.
Im Boxsport scheint es vergleichsweise ruhig
Derweil hört man aus dem olympischen Boxsport bislang vergleichsweise wenig von coronabedingten Störungen. Sollte sich ausgerechnet die Zweikampf- und Vollkontaktsportart Boxen als überraschend corona-resistent erweisen?
Richtig publik wurden nur zwei Fälle: Einmal die nahezu komplette Infektion des Olympiakaders einschließlich Trainer und Betreuer im österreichischen Trainingslager im September, dann jüngst ein Infektionsfall in Baden-Württemberg, der durch den betroffenen Trainer selbst bekannt gemacht wurde, aber anscheinend durch schnelle Reaktion und ein gut funktionierendes Corona-Management eingegrenzt werden konnte.
Angesichts massiv steigender Infektionszahlen und (was möglicherweise noch aussagekräftiger ist) einer ebenso wachsenden Positiv-Testrate stellt sich allerdings die Frage, ob das im Boxsport eigentlich alles gewesen sein dürfte, wenn doch der Sportbetrieb in anderen Sportarten mittlerweile in erkennbar wachsendem Umfang betroffen ist. Zumal sich im September und Oktober Vereine und Landesverbände (mit zum Teil sehr unterschiedlichen Hygienekonzepten) wieder an Wettkampfveranstaltungen gewagt hatten.
Das Infektionsriskiko dürfte im Boxsport grundsätzlich hoch sein
Dass der Boxsport im Training und im Wettkampf per se ein geringes Infektionsrisiko hätte, sich dort also COVID-19 weniger stark als etwa im Fußball verbreiten kann, darf (nach allem was man über die Verbreitungswege weiß bzw. begründet annehmen muss) stark bezweifelt werden:
Zu eng und zu lang ist der Kontakt zwischen den beiden Kontrahenten oder auch nur Trainingspartnern, als dass man noch von einem geringen Risiko wird sprechen können, wenn einer der Beteiligten infiziert ist. Der Körperkontakt ist im Boxsport nun einmal zentral, unvermeidlich, fortgesetzt und findet in der Regel im geschlossenen Raum statt – während der Zweikampf etwa im Fußball primär dem Ball gilt, außerdem seltener und von kürzerer Dauer ist und überdies unter freiem Himmel ausgetragen wird.
Auch darf bezweifelt werden, dass im Boxsport die planerischen und organisatorischen Aufwände zur Infektionsprophylaxe im Vergleich zu anderen Sportarten eine Spitzenstellung einnehmen. Was man in dieser Hinsicht bislang zu lesen, zu hören und zu sehen bekam, war von stark unterschiedlicher Qualität und jedenfalls nicht immer wirklich überzeugend oder überzeugend umgesetzt.
Hinter vorgehaltener Hand hört man dann allerdings doch von weiteren Corona-Fällen im olympischen Boxsport. Wie belastbar diese Hinweise sind, muss offen bleiben. Zudem gilt: Selbst wenn die Hinweise bestätigt würden, wäre es unangemessen, konkrete Fälle herauszustellen, wenn doch die Vermutung im Raum steht, dass Corona den Boxsport womöglich in größerem Maße betreffen könnte, als es jetzt wahrnehmbar ist.
Bleibt Corona im Boxen »unter dem Radar«?
In Sportarten, die im Gegensatz zum Boxen in einem Ligabetrieb durchgeführt werden, bedeutet der Ausfall einer Mannschaft stets die Absage einer vorab fest im Spielplan veröffentlichten und verpflichtend terminierten Begegnung. Ein solcher Spielausfall bleibt nicht unbemerkt – nicht von den Konkurrenten der jeweiligen Liga und auch nicht von der Öffentlichkeit, da Spielansetzungen und ‑ergebnisse bzw. eben auch ihre Absagen im Internet und in anderen Medien veröffentlicht werden. Die Abbildungen oben geben ein Beispiel dafür. Im Falle des gut organisierten Fußballbetriebs werden Spielabsagen sogar bis hinunter in die untersten Spielklassen sichtbar.
Im olympischen Boxsport hingegen gehören kurzfristige Absagen im Vorfeld einer Boxveranstaltung seit je her zum üblichen Geschäft: Schon immer wurden bis zum letzten Moment fortlaufend noch Kämpfe umgestellt, weil Sportler ausfallen oder ganze Vereine nicht anreisen. Ersatz findet sich oft – und selbst wenn nicht, wird niemand bemerken, dass an einem solchen Kampfabend (vielleicht ja coronabedingt?) eben nur 14 statt 16 Kämpfe stattfinden. Erst recht nicht, wenn die Absagen gegenüber dem Veranstalter mit anderen Begründungen erfolgen. Der Kampfabend findet am Ende meist trotzdem statt. Nach Außen mag es dann so wirken, als habe er von Corona unbeeinflusst durchgeführt werden können.
Strukturen des Trainings- und Wettkampfbetriebes mit großem Dunkelfeld
Dazu kommt, dass in den meisten Boxvereinen nur die vergleichsweise wenigen Wettkämpfer und Trainer eine gewisse Anbindung an den Verband haben – und die auch nur dann, wenn sie auf freiwilliger Basis an Wettkämpfen teilnehmen. Der Großteil des sportlichen Betriebs, nämlich das breitensportliche Boxen, findet in großer Ferne zu Verbandsstrukturen ausschließlich in den Trainingshallen der Vereinen statt. Was dort passiert, bleibt für Verbände (und erst recht für die Öffentlichkeit) vielerorts ein Dunkelfeld. Dabei wird auch im Breitensport mit Partnerübungen und Sparring häufig in Trainingsformen trainiert, die in Hinblick auf Infektionsgefahren dem Wettkampf nicht sehr viel nachstehen dürften.
Es stellt sich die Frage, ob die Art und Weise des Trainings- und Wettkampfbetriebes im Boxsport coronabedingte Auswirkungen vergleichsweise schwer erkennbar werden lassen. Sie könnten wegen des fehlenden Ligabetriebs mit verpflichtenden Wettkampfterminen und des großen breitensportlichen Dunkelfeldes ohne Präsenz im Verband womöglich länger »unter dem Radar« bleiben als in anderen Sportarten. Denn dass Corona ausgrechnet im Boxsport weniger Einschläge verursacht als etwa im Fußball, scheint aus sportartspezifischer Sicht nicht wirklich erklärbar zu sein. Jedenfalls taugen »erfolgreich« durchgeführte einzelne Wettkampfveranstaltungen kaum als Beleg für einen vergleichsweise wenig betroffenen Boxsport.
