Coro­na: Infek­ti­ons­we­ge über Aero­so­le rücken in den Fokus

Was könnten die neuen Erkenntnisse für den Boxsport bedeuten?

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Welt­weit for­schen vie­le Wis­sen­schaft­ler inten­siv über das neu­ar­ti­ge Coro­na-Virus SARS-CoV‑2, das sich seit Anfang des Jah­res mit hoher Geschwin­dig­keit um die gan­ze Welt ver­brei­tet und gan­ze Gesell­schaf­ten und Volks­wirt­schaf­ten lahm leg­te. Ent­spre­chend wächst nun all­mäh­lich auch das Wis­sen über das Virus, die von ihm aus­ge­lös­ten Erkran­kun­gen und die Wege sei­ner Verbreitung.

Nicht nur die Lun­ge betroffen

Nach­dem man SARS-CoV‑2 anfangs haupt­säch­lich nur mit Lun­gen­ent­zün­dun­gen in Ver­bin­dung brach­te, stellt sich die Sache nun etwas umfas­sen­der dar.

Im Zusam­men­hang mit durch SARS-CoV‑2 aus­ge­lös­ten COVID-19-Erkran­kun­gen zeig­ten sich nicht sel­ten auch die Leber, die Nie­re und häu­fig auch die Blut­ge­fä­ße und das Herz betrof­fen. So waren bei Obduk­tio­nen von COVID-19-Ver­stor­be­nen Throm­bo­sen und als deren Fol­ge auch Lun­gen­em­bo­lien dia­gnos­ti­ziert worden.

Sogar das zen­tra­le Ner­ven­sys­tem scheint COVID-19 mit­un­ter anzu­grei­fen: Die Beein­träch­ti­gun­gen von Geruchs- und Geschmacks­sinn sind inzwi­schen offi­zi­ell der Lis­te der typi­schen Sym­pto­me hin­zu­ge­fügt worden.

Gene­sung komplizierter

Aber auch Men­schen, die eine COVID-19-Erkran­kung ver­gleichs­wei­se gut über­stan­den und als gene­sen gel­ten, schei­nen durch­aus stär­ker betrof­fen sein zu kön­nen, als man zu Beginn der Pan­de­mie annahm.

Bei Tauch­sport­lern, die eine Infek­ti­on mit nur leich­ten Sym­pto­men hin­ter sich gebracht hat­ten, wur­den jeden­falls nach der Gene­sung so gra­vie­ren­de Schä­di­gun­gen an den Lun­gen fest­ge­stellt, dass ihnen der Tauch­sport zumin­dest vor­erst nicht mehr mög­lich ist.

Es bleibt abzu­war­ten, wie weit die­se neu in den Blick­punkt gerück­ten Sym­pto­me ver­brei­tet sind und ob sie mit der Zeit rest­los abhei­len wer­den. Womög­lich ist aber die anfäng­li­che Ein­schät­zung etwas zu rela­ti­vie­ren, dass die gro­ße Mehr­heit der Men­schen eine Infek­ti­on ohne grö­ße­re Fol­gen über­ste­hen werde.

Blick auf die klas­si­schen Infektionswege

Als recht früh klar wur­de, dass das Virus sich nicht nur von Tie­ren auf Men­schen über­trägt, son­dern sehr effek­tiv auch von Mensch zu Mensch wei­ter­ge­ge­ben wird, tra­ten schnell die übli­chen Infek­ti­ons­we­ge in den Mit­tel­punkt der Auf­klä­rung und Prävention:

  • Die Schmier­in­fek­ti­on, bei der ein Erre­ger übli­cher­wei­se durch kon­ta­mi­nier­te Hän­de auf Schleim­häu­te (Augen, Nase und Mund) über­tra­gen wird. – Gegen die Schmier­in­fek­ti­on emp­fahl man die Rei­ni­gung bzw. Des­in­fek­ti­on häu­fig berühr­ter Flä­chen, vor allem aber das häu­fi­ge und gründ­li­che Hän­de­wa­schen mit Seife.
  • Die Tröpf­chen­in­fek­ti­on, bei der vor allem durch Nie­sen und Hus­ten, aber auch bei lau­tem Spre­chen, Rufen oder Sin­gen virus­be­las­te­te Trop­fen aus­ge­schie­den wer­den, die ande­re anste­cken kön­nen. – Gegen die Gefahr der Tröpf­chen­in­fek­ti­on soll­te die Ein­hal­tung der soge­nann­ten »Nies- und Hus­te­n­eti­ket­te« hel­fen, bei der man in die Arm­beu­ge nie­sen und hus­ten soll. Vor allem aber ging es um die Ver­rin­ge­rung der sozia­len Kon­tak­te und die Ein­hal­tung der Abstandsgebote.

Infek­tio­nen durch Aero­so­le wahrscheinlich

Erst spä­ter geriet noch ein wei­te­rer mög­li­cher Infek­ti­ons­weg ins Blick­feld: Die Anste­ckung über viren­be­las­te­te Aerosole.

Areo­so­le sind kleins­te, mit dem blo­ßen Augen nicht sicht­ba­re Par­ti­kel, die nicht wie die ungleich grö­ße­ren Tröpf­chen mehr oder weni­ger schnell zu Boden sin­ken, son­dern infol­ge ihrer gerin­gen Grö­ße und ihres gerin­gen Gewich­tes lan­ge in der Luft schwe­ben bleiben.

Auch Men­schen sto­ßen beim Atmen unver­meid­lich sol­che mikro­spko­pisch klei­nen Tröp­chen aus, die als Aero­so­le lan­ge in der Luft ver­blei­ben. Der Aus­stoß ver­stärkt sich mit stei­gen­der kör­per­li­cher Tätig­keit, da der höhe­re Sau­er­stoff­be­darf zu ver­mehr­tem und ver­stärk­tem Ein- und Aus­at­men führt.

Bei COVID-19-Infi­zier­ten ent­hal­ten die­se Aero­so­le Viren. Vor allem in geschlos­se­nen Räu­men, in denen die Luft nicht effek­tiv aus­ge­tauscht wird, kann sich bei län­ge­rem Auf­ent­halt infi­zier­ter Per­so­nen die Kon­zen­tra­ti­on viren­be­las­te­ter Aero­so­le so weit erhö­hen, dass Anste­ckun­gen mög­lich werden.

Infek­tio­nen in geschlos­se­nen, vol­len Räumen

Wahr­schein­lich reicht schon Sin­gen aus, um den Aero­sol-Aus­stoß kri­tisch anstei­gen zu las­sen. Die grö­ße­ren Coro­na-Aus­brü­che der letz­ten Zeit in Deutsch­land haben jeden­falls in geschlos­se­nen Räu­men statt­ge­fun­den, in denen sich Men­schen nahe kamen, gefei­ert und viel­leicht auch getanzt und gesun­gen haben:

  1. Am 10. Mai infi­zier­ten sich in Frank­furt am Main im Rah­men eines Got­tes­diens­tes min­des­tens 200 Mit­glie­der einer Bap­tis­ten­ge­mein­de. Offen­bar wur­de auf Mund-Nasen-Schutz ver­zich­tet und wäh­rend des Got­tes­diens­tes gesungen.
  2. Am 15. Mai steck­ten sich im Land­kreis Leer min­des­tens 38 Per­so­nen bei einem Restau­rant­be­such mit COVID-19 an. Für knapp 300 Men­schen wur­den infol­ge des Aus­bruchs Qua­ran­tä­ne-Auf­la­gen verordnet.
  3. In einer frei­kirch­li­chen Gemein­de in Bre­mer­ha­ven infi­zier­ten sich Ende Mai meh­re­re Dut­zend Mit­glie­der. Unklar ist, ob die Anste­ckun­gen im Rah­men der Got­tes­diens­te oder im pri­va­ten Umfeld durch die engen sozia­len Kon­tak­te der Mit­glie­der unter­ein­an­der erfolg­ten. Jeden­falls muss­ten zwi­schen 200 und 300 Per­so­nen unter Qua­ran­tä­ne gestellt wer­den. Der Land­kreis Bre­mer­ha­ven über­schritt am 4. Juni durch die­sen Aus­bruch die kri­ti­sche Gren­ze von 50 Infi­zier­ten je 100.000 Ein­woh­nern und muss nun Maß­nah­men ergreifen.
  4. In Göt­tin­gen sind bei Fei­ern im Zusam­men­hang mit dem Ende des Rama­dan am 23. Mai über 100 Per­so­nen an COVID-19 erkrankt. Eine ent­schei­den­de Rol­le bei dem Aus­bruch spielt offen­bar auch eine Fei­er in einem eigent­lich geschlos­se­nen Lokal. Als Fol­ge des Aus­bruchs muss­ten in Göt­tin­gen wie­der mas­si­ve Ein­schrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens ver­ord­net werden.

Für den Hal­len­sport ergänz­te der DOSB sei­ne »Leit­plan­ken«

Für die Rück­kehr des Ver­eins­spor­tes for­mu­lier­te der Deut­sche Olym­pi­sche Sport­bund (DOSB) bereits vor eini­ger Zeit zehn so genann­te »Leit­plan­ken« (s.u.), die sport­art­über­grei­fend skiz­zier­ten, unter wel­chen Richt­li­ni­en der Sport wie­der hoch­ge­fah­ren wer­den könnte.

Die Rück­kehr des Sports begann mit Indi­vi­du­al­sport und Out­door­trai­ning, aber seit kur­zem ist auch Sport in Hal­len wie­der erlaubt. Dabei sind je nach Bun­des­land unter­schied­li­che Hygie­ne­vor­schrif­ten und orga­ni­sa­to­ri­sche Auf­la­gen zu beach­ten. Wesent­li­che Kern­punk­te sind aber eigent­lich über­all: Abstand, kein Kon­takt, Des­in­fek­ti­on, Ein­schrän­kun­gen bei der Nut­zung der Sani­tär­be­rei­che und Erfas­sung der Teilnehmer.

Die zuletzt immer deut­li­che­ren Hin­wei­se auf Aero­so­le als mög­li­cher Über­tra­gungs­weg ver­an­lass­ten den DOSB mit Blick auf den Sport in der Hal­le unlängst jedoch zu einer Ergän­zung sei­ner Leit­plan­ken: An ers­ter Stel­le die­ser Ergän­zung ist deut­lich das Gebot for­mu­liert, »durch regel­mä­ßi­ges und inten­si­ves Lüf­ten einen kon­ti­nu­ier­li­chen Luft­aus­tausch zu gewähr­leis­ten« (s.u.).

Ange­sichts der jüngs­ten Aus­bruchs­ge­sche­hen (s. Auf­zäh­lung oben) scheint die Auf­la­ge, für den Hal­len­sport »Lüf­tungs­plä­ne« zu erar­bei­ten, durch­aus begrün­det. Auch bei redu­zier­ten Teil­neh­mer­zah­len kann ange­sichts der übli­cher­wei­se hohen kör­per­li­chen Anstren­gun­gen im Box­trai­ning die Kon­zen­tra­ti­on von Aero­so­len in einer Sport­hal­le stark stei­gen, wenn an Durch­lüf­tung nicht gedacht wird oder sie schlecht mög­lich ist.

Befin­det sich in der Trai­nings­grup­pe ein (unwis­sent­lich) Infi­zier­ter, kann die Viren­be­las­tung ein Maß errei­chen, dass zur Anste­ckung aus­reicht. Dage­gen hel­fen weder Des­in­fek­tio­nen der Hän­de und Flä­chen noch Kon­takt­ver­bo­te und Abstands­wah­rung, da die Über­tra­gung über das Ein­at­men der viren­be­las­te­ten Aero­so­le erfolgt, die sich schwe­bend im Raum verteilen.

Luft und noch­mals Luft

Die Ver­ant­wort­bar­keit von Trai­nings­maß­nah­men in geschlos­se­nen Räu­men scheint also ent­schei­dend von tat­säch­lich durch­ge­führ­ten und wirk­sa­men Durch­lüf­tun­gen abzu­hän­gen. Eine Rück­kehr in die Sport­hal­len ohne ein sol­ches wirk­sa­mes Lüf­tungs­kon­zept ist nach gegen­wär­ti­gem Wis­sens­stand womög­lich fragwürdig.

Kli­ma­an­la­gen, die Luft im wesent­li­chen nur Umwäl­zen, bewir­ken dabei kei­ne Durch­lüf­tung im Sin­ne eines Luft­aus­tau­sches. Zu klä­ren ist, ob gege­be­nen­falls in die Anla­ge ein­ge­bau­te Fil­ter­sys­te­me Par­ti­kel von Viren­grö­ße her­aus­fil­tern kön­nen. Dies wäre aller­dings eine eher eine Aus­nah­me: Meist sind Fil­ter­sy­te­me nur auf die wesent­lich grö­ße­ren Bak­te­ri­en ausgelegt.

Abb. oben: Eine typi­sche Trai­nings­si­tua­ti­on in der Box­hal­le mit Gerä­te- und Part­ner­ar­beit (letz­te­re ist nach den aktu­el­len Bestim­mun­gen aber zur Zeit nicht erlaubt). Rund um die Sport­ler ent­steht eine halb­kreis­för­mi­ge Tröpf­chen­wol­ke, die in einem Umkreis von etwa 2 Metern zu Boden geht (genau hängt es aber von Art und Inten­si­tät der Übun­gen und Bewe­gun­gen ab). Part­ner­ar­beit mit einem Infi­zier­ten birgt ein hohes Anste­ckungs­ri­si­ko, da man sich unver­meid­lich in der Tröpf­chen­wol­ke des Infi­zier­ten auf­hält. Die Sport­ler links und rechts an den Sand­sä­cken ste­hen hin­ge­gen nur in ihren eige­nen Tröpf­chen­wol­ken. Den­noch ist die Situa­ti­on kri­tisch: Im Unter­schied zu den Tröpf­chen­wol­ken blei­ben aus­ge­at­me­te Aero­so­le lan­ge in der Luft und ver­tei­len sich daher weit im Raum (im Bild als waa­ge­rech­te Wol­ke ein­ge­zeich­net). Durch eine viren­be­las­te­te Aero­sol­wol­ke sind auch jene Sport­ler gefähr­det, die mit dem Infi­zier­ten gar kei­ne räum­li­che Nähe hatten.

Die Doku­men­te des DOSB als PDF (Links öff­nen sich im neu­en Browserfenster):

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: