Die AIBA im Griff des rus­si­schen Box-Verbandes?

Monat um Monat wächst der Einfluss des russischen Verbandes im olympischen Boxen

Der rus­si­sche Box-Ver­band RBF enga­giert sich unter dem Vor­sitz sei­nes rüh­ri­gen Gene­ral­se­kre­tärs Umar Kreml­ev immer stär­ker in dem vom Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tee (IOC) sus­pen­dier­ten und finan­zi­ell stark ange­schla­ge­nen Welt­ver­band des olym­pi­schen Boxens AIBA:

  • Den Auf­takt mach­te 2019 das Ange­bot des rus­si­schen Box-Ver­ban­des, die Schul­den der AIBA in Höhe von 16 Mil­lio­nen Dol­lar zu über­neh­men. Angeb­lich, um damit die Sus­pen­die­rung der AIBA durch das IOC abzu­wen­den. Die AIBA lehn­te dies damals jedoch ab. Wohl des­we­gen, weil man am Sitz der AIBA annahm, dass das IOC in die­ser Geld­sprit­ze weni­ger die gefor­der­te finan­zi­el­le Sanie­rung des Ver­ban­des als viel­mehr eine gefähr­li­che Abhän­gig­keit erken­nen würde.
  • Es folg­te noch im sel­ben Jahr die Aus­rich­tung der Welt­meis­ter­schaf­ten der Män­ner als auch der Frau­en in Russ­land – trotz eini­ger Strei­tig­kei­ten zwi­schen dem rus­si­schen Ver­band und der AIBA und dem Bedeu­tungs­ver­lust der Tur­nie­re, die nach der zwi­schen­zeit­li­chen Sus­pen­die­rung der AIBA durch das IOC kei­ne Rol­le mehr für die Olym­pia­qua­li­fi­ka­ti­on spiel­ten. Den­noch konn­ten die Wett­be­wer­be mit hoher Teil­nah­me und guter Orga­ni­sa­ti­on überzeugen.
  • Auf obers­ter Ebe­ne der AIBA konn­te Umar Kreml­ev im Novem­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res eine neue, wich­ti­ge Rol­le ein­neh­men: Das Exe­ku­tiv­ko­mi­tee der AIBA wähl­te ihn ein­stim­mig zum Vor­sit­zen­den der »AIBA Deve­lo­p­ment, Attrac­tion and Invest­ment and Mar­ke­ting Com­mis­si­on«, die mit neu­en, krea­ti­ven Ideen nach Wegen der Ent­schul­dung des Welt­ver­ban­des suchen soll.
  • Nun stellt sich her­aus, dass die Serie der von der AIBA orga­ni­sier­ten Kon­ti­nen­tal­fo­ren maß­geb­lich vom rus­si­schen Box­ver­band finan­ziert wur­de. Im Rah­men der Foren will die AIBA mit den Mit­glieds­ver­bän­den über die Zukunft des olym­pi­schen Boxens dis­ku­tie­ren. »Ja, wir haben die Haupt­kos­ten bezahlt«, zitiert das Nach­rich­ten­por­tal insi​de​the​ga​mes​.com Umar Kreml­ev. »In unse­ren Sta­tu­ten wird erwähnt, dass wir den Ver­bän­den hel­fen müs­sen, das Boxen welt­weit zu ent­wi­ckeln, nicht nur in Russ­land. (…) Der Rus­si­sche Box­ver­band hat vie­le Spon­so­ren und Partner.«
  • Für Novem­ber 2020 hat Russ­land jetzt die Aus­rich­tung eines Boxing-World­cups ange­kün­digt, in dem Pro­fis und olym­pi­sche Boxer aus 16 Län­dern in Teams antre­ten sol­len. Im Gespräch ist ein Preis­geld von 5 Mil­lio­nen Dol­lar – offen­bar von Russ­land finan­ziert. Beden­ken, ob Russ­land ein sol­ches Tur­nier wegen der aktu­ell ver­häng­ten Doping­sper­re über­haupt aus­rich­ten dür­fe, wischt der Inte­rims­prä­si­dent der AIBA Moha­med Moustah­sa­ne bei­sei­te: »Ich den­ke nicht, dass die­ser Wett­be­werb betrof­fen wäre, da es sich nicht um eine Welt­meis­ter­schaft handelt.«

Das Enga­ge­ment des rus­si­schen Ver­ban­des macht eini­ge nach­ge­ra­de schwin­de­lig – ein gewis­ses Unwohl­sein ein­ge­schlos­sen. Geld spielt in Russ­land anschei­nend kei­ne gro­ße Rol­le, wenn man die Offer­ten und Hand­lungs­spiel­räu­me betrach­tet. Der Welt­ver­band AIBA scheint Monat um Monat in eine grö­ße­re Abhän­gig­keit von Russ­land zu gera­ten. Schon längst wer­den Umar Kreml­ev Ambi­tio­nen nach­ge­sagt, den Inte­rims­prä­si­den­ten Moha­med Moustah­sa­ne bald als regu­lä­rer neu­er Prä­si­dent im Amt zu beer­ben. Beim AIBA-Welt­kon­gress im März in Buda­pest böte sich die Gele­gen­heit hierzu.

Geld spielt anschei­nend kei­ne Rol­le: Die Kas­sen oder Zugriffs­mög­lich­kei­ten des rus­si­schen Box­ver­ban­des schei­nen nahe­zu gren­zen­los zu sein und machen die Macht­ver­schie­bung zwi­schen dem Dach­ver­band und sei­nes Mit­glieds­ver­ban­des deutlich.

Ob dies das IOC über­zeu­gen wür­de, die AIBA wie­der in den Kreis der olym­pi­schen Sport­ver­bän­de auf­zu­neh­men, darf mit Span­nung erwar­tet – und viel­leicht auch ein wenig bezwei­felt wer­den. Schließ­lich hat­ten die Her­ren der Rin­ge mit star­ken Män­nern an der Spit­ze des Welt­ver­ban­des des olym­pi­schen Boxens zuletzt schlech­te Erfah­run­gen gemacht: Der Usbe­ke Gaf­ur Rak­hi­mov, dem Ver­bin­dun­gen zur orga­ni­sier­ten Kri­mi­na­li­tät nach­ge­sagt wur­den, war auch in der Welt der nicht immer ganz sau­be­ren Sport­funk­tio­nä­re am Ende nicht trag­bar gewesen.

Für die Box­sport­ler ist die Ent­wick­lung ein gro­ßes Wag­nis: Die Geduld des IOC könn­te bald auf­ge­braucht sein. Wenn die AIBA jetzt nicht mit wirk­li­chen Refor­men über­zeugt, son­dern statt­des­sen einen Spor­to­lig­ar­chen inthro­nis­ert, droht die vor­über­ge­hen­de Sus­pen­die­rung des Ver­ban­des zur end­gül­ti­gen Aus­boo­tung zu werden.

Es ist kaum zu erwar­ten, dass das IOC ein zwei­tes Mal den olym­pi­schen Box­sport im Rah­men der Som­mer­spie­le selbst orga­ni­siert. Eher wird das olym­pi­sche Boxen wohl aus dem Sport­pro­gramm der Spie­le gestri­chen oder aber einem Pro­fi­ver­band geschenkt. Die Fol­gen einer Strei­chung aus dem olym­pi­schen Pro­gramm wären für den Box­sport hier­zu­lan­de immens, da wesent­li­che Tei­le der staat­li­chen För­de­rung vom Sta­tus einer olym­pi­schen Sport­art abhängen.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: