Der deutsche Boxsport-Verband (DBV) hat zum 15. Juni 2019 eine Ombudsstelle eingerichtet und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Cherkeh als ersten Ombudsmann eingesetzt. Er sieht den Ombudsmann als vertraulichen Ansprechpartner für mögliche Missstände und Verstöße innerhalb des Verbandes insbesondere in folgenden Themenbereichen:
- (mögliche) Verstöße gegen Korruptionstatbestände, Betrug, Untreue, Unterschlagung
- (mögliche) sonstige Delikte
- (mögliche) Verstöße gegen die Verhaltensrichtlinie des DBV zur Prävention vor sexualisierter Gewalt
- (mögliche) Verstöße gegen die Straftatbestände des Wettbetrugs, der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe und des Anti-Doping-Gesetzes
Externer Ansprechpartner für Missstände
Der Verband will mit diesem Schritt nach eigenen Angaben »Regelverstößen frühzeitig entgegenwirken und Schäden vom DBV und seinen Mitarbeitern / Funktionsträgern abwenden«. Durch den Schutz des Hinweisgebers, der dem DBV seine Informationen ansonsten nicht anvertrauen würde, habe der DBV künftig eine weitere Möglichkeit, gravierende Verstöße und Fehlerquellen zu erkennen, zu beheben und regelkonformes Verhalten innerhalb des DBV sicherzustellen.
Der Ombudsmann, so betont der DBV, sei aber keine »allgemeine Beschwerdestelle«. Wer also beispielsweise die Wettkampfbestimmungen des DBV oder sportfachliche Entscheidungen des Verbandes kritisieren will, findet in dem neu eingesetzten Ombudsmann nicht den richtigen Ansprechpartner. Wer hingegen aber etwa Kenntnis davon erlangt, dass in einem Verein oder Verband Doping praktiziert wird, der fände in ihm sehr wohl einen Ansprechpartner.
Vertraulichkeit für Informanten
Der DBV weist in seiner Bekanntgabe darauf hin, dass der benannte Ombudsmann »auf der Grundlage seiner anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, dem anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrecht und dem grundsätzlichen Verbot einer Beschlagnahme anwaltlicher Akten den Hinweisgeber vor einer Offenlegung seiner Identität schützen« wird.
Eine Offenlegung der Identität des Hinweisgebers an den DBV erfolge nur dann, wenn der Hinweisgeber dies wünsche. Ferner werde der Ombudsmann den Namen und die Identität des Hinweisgebers keinem Dritten ohne dessen Zustimmung verfügbar machen, es sei denn, die Offenlegung sei gesetzlich angeordnet. Nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Hinweisgebers würden dessen Informationen gemeinsam mit rechtlichen Handlungsempfehlungen an den DBV weitergegeben.
Der Hinweisgeber muss sich also weder dem DBV noch anderen gegenüber offenbaren. Ja, seine Hinweise werden nur mit seiner ausdrücklichen Zustimmung überhaupt an den DBV weitergegeben.
Diese weitreichende Vertraulichkeit hat einen guten Grund: Oft können Menschen gerade deswegen Hinweise auf unsaubere oder kriminellen Vorgänge in Institutionen geben, weil (in welcher Rolle und an welcher Stelle auch immer) sie selbst in der betroffenen Institution tätig sind. Würden sie sich nur an die Institution selbst wenden können, würden sie sich diesen Schritt wahrscheinlich gut überlegen – und am Ende womöglich aus nachvollziehbaren Gründen unterlassen. Zu groß mag die Gefahr sein, damit die berufliche oder sportliche Karriere zu gefährden.
Der neue Ombudsmann ist Experte für Sportrecht
Rainer Cherkeh ist Mitinhaber der Kanzlei »Kern Cherkeh« in Hannover. Dort sind seine Arbeitsschwerpunkte Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht, Sportrecht, Vereinsrecht, Medienrecht, Presserecht, Compliance, IT-Recht und nationales und internationales Schiedsverfahrensrecht. In seiner Eigenschaft als Anwalt ist er bereits für mehrere Institutionen als Ombudsmann tätig und darüber hinaus auch Anti-Doping-Beauftragter des Niedersächsischen Leichtathletik-Verbandes.
Die Kontaktdaten des Ombudsmannes sind auf der Website des Deutschen Boxsport-Verbandes nachzulesen: http://www.box-sport-verband.de/dbv-ombudsmann/ (Link öffnet sich in neuem Fenster.)
Kommentar
Richtiger und wichtiger Schritt
In einer Zeit, in der das Internationale Olympische Komitee (IOC) die AIBA als Weltverband des olympischen Boxens wegen zahlreicher Missstände aus der Familie der olympischen Sportverbände ausgeschlossen hat, kann die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle ein richtiger Schritt sein, um den Boxsport wenigstens auf nationaler Ebene sauberer zu halten.
An heikle Informationen aus dem Inneren einer Institution wird man nämlich nur auf diesem Weg gelangen. Denn wo immer Korruption, (Macht)missbrauch und weitere Straftaten und Verstöße sich tief in Strukturen festgesetzt haben, werden Menschen mit Kenntnissen von solchen Dingen nur dann reden, wenn sie geschützt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die neue Stelle nicht für Intrigen und Verleumdungen missbraucht wird. Gerade dort, wo es gar nicht um (das große) Geld, sondern um Leidenschaft für eine Sache (manchmal auch um Anerkennung oder Macht) geht, können enttäuschte Hoffnungen und verweigerte Wertschätzung oft große Dynamiken freisetzen. Im Boxen, soviel ist bekannt, wird dann auch abseits des Rings mit harten Bandagen gekämpft.
Wichtig ist ein solcher Schritt vor allem auch als Vorbeugung von Fehlentwicklungen: Wo klar ist, dass Fehlverhalten bekannt werden kann, dürfte sich solches mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit entwickeln. Womöglich ist diese prophylaktische Wirkung vielleicht sogar der wichtigste Effekt.
Ralf Elfering