Ein detail­lier­ter Rück­blick auf das olym­pi­sche Box­tur­nier in Paris 2024

Der versuch einer Einordnung und Bewertung

Die 33. Olym­pi­schen Som­mer­spie­le der Neu­zeit began­nen am 26. Juli mit der Eröff­nungs­ze­re­mo­nie an und auf der Sei­ne und ende­ten am 11. August mit der Abschluss­fei­er im Pari­ser Sta­de de France. Seit­dem das Olym­pi­sche Feu­er in Paris erlo­schen ist, ist also nun eini­ge Zeit ver­gan­gen. Aus der Distanz wol­len wir einen Rück­blick auf das olym­pi­sche Box­tur­nier wagen.

10.764 Sportler*innen gewan­nen 1039 Medaillen

Die Olym­pi­schen Spie­le sind ein Groß­ereig­nis von glo­ba­ler Dimen­si­on: 10.764 Athlet*innen aus 204 Natio­nen nah­men an den Wett­be­wer­ben teil. In den 48 Dis­zi­pli­nen der 32 betei­lig­ten Sport­ar­ten wur­den ins­ge­samt 328 Gold‑, 327 Sil­ber- und 384 Bron­ze­me­dail­len ver­lie­hen – zusam­men­ge­rech­net gab es in Paris also 1039 mal Edel­me­tall zu gewinnen.

Die Teil­neh­men­den ver­teil­ten sich wie in dem unten ste­hen­den Dia­gramm auf­ge­schlüs­selt auf die fünf »olym­pi­schen Kon­ti­nen­te« (Aus­tra­li­en, Neu­see­land und die pazi­fi­schen Inseln bil­den Ozea­ni­en) sowie zwei klei­nen Teams von Geflüch­te­ten (37 Teil­neh­men­de) und indi­vi­du­ell star­ten­den Athlet*innen (32 Personen).

Dia­gramm oben: Die olym­pi­schen Spie­le sind zwar ein glo­ba­les Sport­er­eig­nis, aber euro­pä­isch dominiert.
Dia­gramm oben: Die Ein­woh­ner­zah­len der 5 olym­pi­schen Kon­ti­nen­te in Mil­li­ar­den. Der Ver­gleich mit dem Dia­gramm oben zeigt, dass Asi­en als bevöl­ke­rungs­reichs­ter Kon­ti­nent bei den Zah­len der Teil­neh­me­rin­nen unter­re­prä­sen­tiert ist. Ozea­ni­en hin­ge­gen ist stark überrepräsentiert.

Ein­schrän­kun­gen für Rus­sen und Belarussen

Vor dem Hin­ter­grund des andau­ern­den Angriffs­krie­ges Russ­lands gegen die Ukrai­ne waren rus­si­sche und bela­rus­si­sche Sportler*innen nur unter Ein­schrän­kun­gen zuge­las­sen: Sie durf­ten nicht in Mann­schafts­wett­be­wer­ben star­ten und auch kei­ne natio­na­len Sym­bo­le verwenden. 

Unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ver­zich­te­te der rus­si­sche und bela­rus­si­sche Sport auf eine zen­tral koor­di­nier­te Teil­nah­me an den Olym­pi­schen Spie­len: Ledig­lich 15 rus­si­sche und 17 bela­rus­si­sche Sportler*innen kamen nach Paris. Sie bil­de­ten das 32-köp­fi­gen Team der indi­vi­du­ell star­ten­den Athlet*innen.

Die weit­ge­hen­de Abwe­sen­heit vor allem rus­si­scher Athlet*innen dürf­te in Paris in so man­chen Wett­be­wer­ben den Weg zu den Medail­len­plät­zen etwas ver­ein­facht haben: Rus­si­sche Athlet*innen beleg­ten in Tokyo immer­hin den 5. Platz im Medaillenspiegel.

IOC rich­te­te das Box­tur­nier zum zwei­ten Mal selbst aus

Das olym­pi­sche Box­tur­nier in Paris 2024 fand – wie schon das Tur­nier 2021 in Tokyo – zum zwei­ten Mal unter der Zustän­dig­keit des Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tees (IOC) statt. Dies schloss erneut auch die vor­ge­schal­te­ten fünf kon­ti­nen­ta­len und zwei welt­wei­ten Qua­li­fi­ka­ti­ons­wett­be­wer­be mit ein.

Hier­für hat­te das IOC eigens eine »Paris Boxing Unit« gegrün­det. Dass das IOC selbst die sport­fach­li­che und orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung für eine olym­pi­sche Sport­art über­nimmt, ist ein­zig­ar­tig. Grund hier­für sind die lang­jäh­ri­gen und eska­lie­ren­den Strei­tig­kei­ten zwi­schen dem IOC und dem frü­he­ren Welt­ver­band des olym­pi­schen Boxens IBA (ehe­mals AIBA). 

Der Kon­flikt führ­te 2019 zu einer vor­läu­fi­gen und 2023 schließ­lich end­gül­ti­gen Aberken­nung des Ver­ban­des. Um den Box­sport den­noch im olym­pi­schen Pro­gramm hal­ten zu kön­nen, sprang das IOC nun erneut selbst als Aus­rich­ter des Box­tur­niers ein.

Die kon­ti­nen­ta­len Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nie­re rich­te­te das IOC die­ses Mal jedoch nicht selbst aus, son­dern hob (was den Box­sport angeht) die kon­ti­nen­ta­len Mul­ti­sport­events in den Rang von Qua­li­fi­ka­ti­ons­wett­be­wer­ben. Die »Paris Boxing Unit« des IOC behielt hier aber die Ver­ant­wor­tung und Aufsicht.

248 Teil­neh­men­de in 7 Gewichts­klas­sen der Män­ner und 6 Gewichts­klas­sen der Frauen

In fünf kon­ti­nen­ta­len Tur­nie­ren und zwei nach­fol­gen­den Welt­tur­nie­ren qua­li­fi­zier­ten sich ins­ge­samt 248 Boxe­rin­nen und Boxer aus 69 Natio­nen für Paris. Aus den oben bereits genann­ten Grün­den waren rus­si­sche und bela­rus­si­sche Athlet*innen jedoch nicht dabei.

Ein Doping­ver­stoß beim euro­päi­schen Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nier führ­te zu der nach­träg­li­chen Dis­qua­li­fi­ka­ti­on eines tür­ki­schen Boxers. Sei­nen Platz nahm als kurz­fris­tig beru­fe­ner Nach­rü­cker der deut­sche Boxer Mago­med Schach­idov ein.

Nach­dem Frau­en über­haupt erst 2012 in Lon­don bei den Olym­pi­schen Spie­len boxen durf­ten, waren die Start­plät­ze nun­mehr zwi­schen Män­nern und Frau­en gleich ver­teilt: 124 Frau­en und 124 Män­ner tra­ten in der fran­zö­si­schen Haupt­stadt im Box­tur­nier an.

Aller­dings box­ten die Män­ner in sie­ben Gewichts­klas­sen, die Frau­en hin­ge­gen nur in sechs Kate­go­rien. Dadurch fie­len bei den Frau­en eini­ge Tur­nier­grup­pen grö­ßer aus als bei den Män­nern – mit der Fol­ge, dass dort die Wege zu Medail­len­plät­zen je nach Los­glück einen Kampf län­ger sein konnten.

Die größ­ten Teams konn­ten Aus­tra­li­en (12 TN: 6 Män­ner, 6 Frau­en), Usbe­ki­stan (11 TN: 7 Män­ner, 4 Frau­en), Bra­si­li­en (10 TN: 5 Män­ner, 5 Frau­en), Irland (10 TN: 6 Frau­en, 4 Män­ner) und Kasach­stan (10 TN: 7 Män­ner, 3 Frau­en) nach Paris schicken. 

Mit jeweils nur einer Per­son nah­men Arme­ni­en, Kroa­ti­en, Däne­mark, Finn­land, Hai­ti, Kir­gi­stan, Koso­vo, Mali, Mon­te­ne­gro, die Nie­der­lan­de, Pana­ma, Paläs­ti­na, Papa Neu­gui­nea, Rumä­ni­en, Samoa, die Slo­wa­kei, Ton­ga und Tune­si­en teil.

Dia­gramm oben: Zwi­schen Tokyo 2021 und Paris 2024 erlitt das Boxen als olym­pi­sche Sport­art einen Bedeu­tungs­ver­lust: Die Zahl der Teilnehmer*innen sank von 289 auf 248. Erst­ma­lig waren in Paris eben­so vie­le Frau­en wie Män­ner am Tur­nier betei­ligt. Für Män­ner mach­te die­se über­fäl­li­ge Gleich­stel­lung den Weg zu den Olym­pi­schen Spie­len schwie­ri­ger. Es bleibt abzu­war­ten, wie vie­le Start­plät­ze dem Boxen 2028 in Los Ange­les ein­ge­räumt wer­den – wenn es denn über­haupt im Pro­gramm bleibt.

Beson­de­re Vor­komm­nis­se im Turnier

Drei beson­de­re Vor­komm­nis­se mach­ten kurz­fris­ti­ge Ände­run­gen im Ablauf des olym­pi­schen Box­tur­niers erforderlich:

  1. Das äthio­pi­sche Team konn­te für sei­nen Boxer Fik­re­ma­ri­am Yade­sa Leta bei der Akkre­di­tie­rung nicht alle erfor­der­li­chen Doku­men­te vor­le­gen. Der Ath­let wur­de daher nicht zum Tur­nier zuge­las­sen. In der Gewichts­klas­se bis 57 kg ver­rin­ger­te sich die Zahl der Teil­neh­mer dadurch von 18 auf 17 Boxer.
  2. Die nige­ria­ni­sche Boxe­rin Cyn­thia Temi­tayo Ogun­se­mil­o­re (–60 kg) wur­de (noch bevor sie ihren ers­ten Kampf bestrei­ten konn­te) posi­tiv auf eine ver­bo­te­ne Sub­stanz getes­tet und dis­qua­li­fi­ziert. Hier­durch konn­te die Tai­wa­ne­sin Shih Yi Wu kampf­los ins Vier­tel­fi­na­le vor­rü­cken und benö­tig­te bis zum spä­te­ren Gewinn der Bron­ze­me­dail­le nur einen statt zwei Siege.
  3. Die ägyp­ti­sche Boxe­rin Yom­na Ayyad über­schritt in der Gewichts­klas­se bis 54 kg vor ihrem Tur­nier­ein­stieg das Gewichts­li­mit um 700 g und ver­lor daher ihren Auf­takt­kampf ohne einen Ein­satz im Ring durch WO (Walk Over – Nicht Antreten).

Fast aus­schließ­lich Punktentscheidungen

Bis in allen Gewichts­klas­sen alle Medail­len ver­ge­ben waren, muss­ten in Paris an 14 Wett­kampf­ta­gen und in 28 Ver­an­stal­tun­gen 235 Wett­kampf­ent­schei­dun­gen gefällt wer­den. Dabei kamen 40 Kampfrichter*innen aus 31 Natio­nen zum Ein­satz, dar­un­ter die bei­den Deut­schen Hol­ger Kuß­maul und Sus­an Köpke.

Bei der Ermitt­lung der Wett­kampf­ent­schei­dun­gen waren in Paris vor allem die Punktrichter*innen gefragt: Bei den Män­nern fiel in 98,29 % der Fäl­le eine Punkt­ent­schei­dung, bei den Frau­en waren es 97,46 %.

Bei den Män­nern kam es jeweils in einem Fall zu einem RSC und KO. Bei den Frau­en sind neben den ganz über­wie­gen­den Punk­tur­tei­len jeweils noch ein WO (Walk Over, also Nicht­an­tre­ten), eine Dis­qua­li­fi­ka­ti­on (DSQ) und eine Auf­ga­be (ABD) zu ver­zeich­nen. (Zu den Hin­ter­grün­den des Walk Over und der Dis­qua­li­fi­ka­ti­on sie­he oben.)

Die Medail­len­ge­win­ner und ‑gewin­ne­rin­nen

Män­ner
-51 kg Gold Hasan­boy Dusmatov Usbe­ki­stan
Sil­ber Bill­al Bennama Frank­reich
Bron­ze David de Pina Kap Ver­de
Bron­ze Yuni­or Alcant­a­ra Reyes Domi­nik. Republik
- 57 kg Gold Abdu­ma­lik Khalokov Usbe­ki­stan
Sil­ber Mun­ar­bek Seiit­bek Uulu Kir­gi­stan
Bron­ze Char­lie Senior Aus­tra­li­en
Bron­ze Javier Iba­nes Diaz Bul­ga­ri­en
-63,5 kg Gold Eris­lan­dy Alva­rez Borges Kuba
Sil­ber Sofia­ne Oumiha Frank­reich
Bron­ze Lasha Guru­li Geor­gi­en
Bron­ze Wyatt San­ford Kana­da
-71 kg Gold Asadkhu­ja Muydinkhujaev Usbe­ki­stan
Sil­ber Mar­co Alon­so Ver­de Alvarez Mexi­ko
Bron­ze Oma­ri Jones USA
Bron­ze Lewis Richard­son Groß­bri­tan­ni­en
-80 kg Gold Olek­san­dr Khyzhniak Ukrai­ne
Sil­ber Nur­bek Oralbay Kasach­stan
Bron­ze Arlen Lopez Cardona Kuba
Bron­ze Javier Chris­ti­an Pinales Domi­nik. Republik
-92 kg Gold Laziz­bek Mullojonov Usbe­ki­stan
Sil­ber Loren Ber­to Alfon­so Dominguez Aser­bai­dschan
Bron­ze Dav­lat Boltaev Tadschi­ki­stan
Bron­ze Enma­nu­el Reyes Pla Spa­ni­en
+92 kg Gold Bak­ho­dir Jalolov Usbe­ki­stan
Sil­ber Ayoub Ghad­fa Dris­si El Aissaoui Spa­ni­en
Bron­ze Nel­vie Raman Tiafack Deutsch­land
Bron­ze Dja­mi­li-Dini Abou­dou Moindze Frank­reich
Frau­en
-50 kg Gold Yu Wu Chi­na
Sil­ber Buse Naz Cakiroglu Tür­kei
Bron­ze Nazym Kyzai­bay Kasach­stan
Bron­ze Aira Vil­le­gas Phil­ip­pi­nen
-54 kg Gold Yuan Chang Chi­na
Sil­ber Hati­ce Akbas Tür­kei
Bron­ze Chol­mi Pang Nord­ko­rea
Bron­ze Aeji Im Süd­ko­rea
-57 kg Gold Yu Ting Lin Tai­wan
Sil­ber Julia Sze­re­me­ta Polen
Bron­ze Esra Yil­diz Kahraman Tür­kei
Bron­ze Nesthy Pete­cio Phil­ip­pi­nen
-60 kg Gold Kel­lie Harrington Irland
Sil­ber Wen­lu Yang Chi­na
Bron­ze Bea­triz Ias­min Soares Ferreira Bra­si­li­en
Bron­ze Shih Yi Wu Tai­wan
-66 kg Gold Ima­ne Khelif Alge­ri­en
Sil­ber Liu Yang Chi­na
Bron­ze Jan­jaem Suwannapheng Thai­land
Bron­ze Nien Chin Chen Tai­wan
-75 kg Gold Qian Li Chi­na
Sil­ber Atheyna Bibei­chi Bylon Pana­ma
Bron­ze Cait­lin Parker Aus­tra­li­en
Bron­ze Cin­dy Win­ner Djan­keu Ngamba IOC Ref. Team

Medail­len­spie­gel

Die Medail­len­spie­gel sind bei sport­li­chen Wett­be­wer­ben in der Regel das Maß aller Din­ge. Das in ihnen erziel­te Ran­king gilt weit­hin als der aus­schlag­ge­ben­de Erfolgs­nach­weis. Vie­ler­orts hän­gen staat­li­che Unter­stüt­zun­gen von den Plat­zie­run­gen im Medail­len­spie­gel ab. 

Dazu muss man jedoch wis­sen: Medail­len­spie­gel gewich­ten Gold­me­dail­len unver­hält­nis­mä­ßig stark. Sil­ber- und Bron­ze­me­dail­len flie­ßen über­haupt nur dann ein, wenn Natio­nen bei Gold­me­dail­len einen Gleich­stand haben oder gar kei­ne Gold­me­dail­len gewin­nen konnten.

Gesamt Män­ner Frau­en
Platz Land G S B T G S B T G S B T
1 Usbe­ki­stan 5 5 5 5
2 Chi­na 3 2 5 3 2 5
3 Tai­wan 1 2 3 1 2 3
4 Kuba 1 1 2 1 1 2
5 Alge­ri­en 1 1 1
5 Irland 1 1 1
5 Ukrai­ne 1 1 1 1
8 Frank­reich 2 1 3 2 1 3
8 Tür­kei 2 1 3 0 2 1 3
10 Spa­ni­en 1 1 2 1 1 2
Gesamt Män­ner Frau­en
Platz Land G S B T G S B T G S B T
10 Kasach­stan 1 1 2 1 1 1 1
12 Aser­bai­dschan 1 1 1 1
12 Kir­gi­stan 1 1 1 1
12 Mexi­ko 1 1 1 1
12 Pana­ma 1 1 1 1
12 Polen 1 1 1 1
17 Aus­tra­li­en 2 2 1 1 1 1
17 Domi­nik. Rep. 2 2 2 2
17 Phil­ip­pi­nen 2 2 2 2
20 Bra­si­li­en 1 1 1 1
Gesamt Män­ner Frau­en
Platz Land G S B T G S B T G S B T
20 Bul­ga­ri­en 1 1 1 1
20 Kana­da 1 1 1 1
20 Kap Ver­de 1 1 1 1
20 IOC Ref. Team 1 1 1 1
20 Groß­bri­tan­ni­en 1 1 1 1
20 Geor­gi­en 1 1 1 1
20 Deutsch­land 1 1 1 1
20 Süd­ko­rea 1 1 1 1
20 Nord­ko­rea 1 1 1 1
20 Thai­land 1 1 1 1
20 Tad­shi­ki­stan 1 1 1 1
20 USA 1 1 1 1
Sum­men: 13 13 26 52 7 7 14 28 6 6 12 24

Natio­nen­wer­tung

Einen detail­lier­te­ren Blick auf die sport­li­che Qua­li­tät der Teams bie­tet die Natio­nen­wer­tung. In ihr wer­den für jeden Sieg eines Teams Punk­te vergeben:

  • Sieg in einem Vor­run­den­kampf = 1 Punkt
  • Sieg in einem Halb­fi­nal­kampf = 2 Punkte
  • Sieg in einem Final­kampf = 3 Punkte

(Als Vor­run­den­kämp­fe zäh­len in die­ser Wer­tung die Kämp­fe aller Tur­nier­run­den bis ein­schließ­lich des Viertelfinales.)

Der Vor­teil die­ser Wer­tung: Erfol­ge in den Vor­run­den flie­ßen in das Ran­king ein. Eben­so die län­ge­ren Wege im Tur­nier bei grö­ße­ren Tur­nier­grup­pen. Ein Team, das eine gan­ze Rei­he von Boxer*innen mit Vier­tel­fi­nal­erfol­gen auf­zu­wei­sen hat, wür­de im Medail­len­spie­gel leer aus­ge­hen, hät­te in der Natio­nen­wer­tung immer­hin jedoch so eini­ge Punk­te sam­meln können.

Zwei wei­te­re Aus­wer­tungs­ka­te­go­rien der Natio­nen­wer­tung sind die Berech­nung von »Punk­ten je Boxer*in« und »Kämp­fen je Boxer*in«. In ihnen drückt sich gewis­ser­ma­ßen die Effi­zi­enz bzw. die durch­schnitt­li­che indi­vi­du­el­le Qua­li­tät der Boxer*innen aus. Teams, deren Teilnehmer*innen im Tur­nier weit kom­men, wer­den hier hohe Wer­te errei­chen und gute Plät­ze belegen.

Aller­dings bevor­tei­len die­se bei­den Aus­wer­tun­gen klei­ne, aber erfolg­rei­che Teams sehr stark. Ein ein­zi­ges Aus­nah­me­ta­lent in einem klei­nen Team kann hier bereits für einen Spit­zen­platz sorgen.

Sie­ge ver­teilt auf
Platz Land Boxer Vorrd. H‑Fin Fin N K K/Boxer Pkt Pkt/Boxer
1 Usbe­ki­stan 11 15 5 5 6 31 2,8 40 3,6
2 Chi­na 8 12 5 3 5 25 3,1 31 3,9
3 Tai­wan 6 9 1 1 5 16 2,7 14 2,3
4 Tür­kei 7 10 2 7 19 2,7 14 2,0
5 Frank­reich 8 9 2 8 19 2,4 13 1,6
6 Kuba 5 6 1 1 4 12 2,4 11 2,2
7 Kasach­stan 10 9 1 10 20 2,0 11 1,1
8 Irland 10 3 1 1 9 14 1,4 8 0,8
9 Spa­ni­en 6 6 1 6 13 2,2 8 1,3
10 Alge­ri­en 5 2 1 1 4 8 1,6 7 1,4
Sie­ge ver­teilt auf
Platz Land Boxer Vorrd. H‑Fin Fin N K K/Boxer Pkt Pkt/Boxer
10 Ukrai­ne 3 2 1 1 2 6 2,0 7 2,3
12 Polen 5 5 1 5 11 2,2 7 1,4
13 Phil­ip­pi­nen 5 7 5 12 2,4 7 1,4
14 Bul­ga­ri­en 5 7 5 12 2,4 7 1,4
15 USA 8 6 8 14 1,8 6 0,8
16 Aser­bai­dschan 5 3 1 5 9 1,8 5 1,0
16 Mexi­ko 4 3 1 4 8 2,0 5 1,3
18 Aus­tra­li­en 12 5 12 17 1,4 5 1,4
18 Domi­nik. Rep. 3 5 3 8 2,7 5 1,7
20 Bra­si­li­en 10 5 10 15 1,5 5 0,5
Sie­ge ver­teilt auf
Platz Land Boxer Vorrd. H‑Fin Fin N K K/Boxer Pkt Pkt/Boxer
20 Thai­land 8 5 8 13 1,6 5 0,6
22 Kir­gi­stan 1 2 1 1 4 4,0 4 4,0
22 Pana­ma 1 2 1 1 4 4,0 4 4,0
24 Kolum­bi­en 5 4 5 9 1,8 4 0,8
24 Indi­en 6 4 6 10 1,7 4 0,7
26 Ecua­dor 3 3 3 6 2,0 3 1,0
26 Ungarn 3 3 3 6 2,0 3 1,0
26 Jor­da­ni­en 3 3 3 6 2,0 3 1,0
29 Kana­da 2 2 2 4 2,0 2 1,0
Sie­ge ver­teilt auf
Platz Land Boxer Vorrd. H‑Fin Fin N K K/Boxer Pkt Pkt/Boxer
29 Kap Ver­de 2 2 2 4 2,0 2 1,0
29 IOC Ref. Team 2 2 2 4 2,0 2 1,0
29 Groß­bri­tan­ni­en 6 2 6 8 1,3 2 0,3
29 Geor­gi­en 2 2 2 4 2,0 2 1,0
29 Deutsch­land 3 2 3 5 1,7 2 0,7
29 Süd­ko­rea 2 2 2 4 2,0 2 1,0
29 Nord­ko­rea 2 2 2 4 2,0 2 1,0
29 Tadschi­ki­stan 3 2 3 5 1,7 2 0,7
38 Bel­gi­en 3 2 3 5 1,7 2 0,7
38 Finn­land 1 2 1 3 3,0 2 2,0
Sie­ge ver­teilt auf
Platz Land Boxer Vorrd. H‑Fin Fin N K K/Boxer Pkt Pkt/Boxer
38 Ita­li­en 8 2 8 10 1,3 2 0,3
38 Marok­ko 3 2 3 5 1,7 2 0,7
38 Mon­go­lei 2 2 2 4 2,0 2 1,0
38 Mosam­bik 2 2 2 4 2,0 2 1,0
44 Arme­ni­en 1 1 1 2 2,0 1 1,0
44 Kroa­ti­en 1 1 1 2 2,0 1 1,0
44 Däne­mark 1 1 1 2 2,0 1 1,0
44 Japan 2 1 2 3 1,5 1 0,5
44 Koso­vo 1 1 1 2 2,0 1 1,0
44 Nie­der­lan­de 1 1 1 2 2,0 1 1,0
Sie­ge ver­teilt auf
Platz Land Boxer Vorrd. H‑Fin Fin N K K/Boxer Pkt Pkt/Boxer
44 Puer­to Rico 2 1 2 3 1,5 1 0,5
44 Ser­bi­en 3 1 3 4 1,3 1 0,3
44 Schwe­den 2 1 2 3 1,5 1 0,5
44 Viet­nam 2 1 2 3 1,5 1 0,5
44 Sam­bia 2 1 2 3 1,5 1 0,5
55 Dem. Rep. Kongo 2 2 2 1,0
55 Ägyp­ten 3 3 3 1,0
55 Hai­ti 1 1 1 1,0
55 Mali 1 1 1 1,0
55 Mon­te­ne­gro 1 1 1 1,0
Sie­ge ver­teilt auf
Platz Land Boxer Vorrd. H‑Fin Fin N K K/Boxer Pkt Pkt/Boxer
55 Nige­ria 2 2 2 1,0
55 Nor­we­gen 2 2 2 1,0
55 Paläs­ti­na 1 1 1 1,0
55 Papa Neu­gui­nea 1 1 1 1,0
55 Rumä­ni­en 1 1 1 1,0
55 Samoa 1 1 1 1,0
55 Slo­wa­kei 1 1 1 1,0
55 Ton­ga 1 1 1 1,0
55 Tune­si­en 1 1 1 1,0
55 Vene­zue­la 2 2 2 1,0

Sport­li­che Wertung

32 der 69 am Box­tur­nier teil­neh­men­den Natio­nen konn­ten sich in Paris durch den Gewinn von Edel­me­tall im Medail­len­spie­gel plat­zie­ren. 2021 in Tokyo schaff­ten dies nur 25 Natio­nen, 2016 in Rio de Janei­ro gar nur 19, 2012 in Lon­don waren es 20. Damit scheint eine Ten­denz erkenn­bar zu sein, dass sich die Erfol­ge im olym­pi­schen Box­tur­nier auf immer mehr Natio­nen ver­tei­len. Wenn sich die­se Ten­denz fort­setzt, dürf­te es für ein­zel­ne Natio­nen schwe­rer wer­den, das Tur­nier so stark zu domi­nie­ren, wie wir es von frü­he­ren Spie­len kannten.

Umso mehr sticht daher die Leis­tung Usbe­ki­stans her­aus. Das zen­tral­asia­ti­sche Land hat­te 7 Boxer und 4 Boxe­rin­nen nach Paris geschickt. Das Team konn­te mit unglaub­li­chen 5 Gold­me­dail­len in die Hei­mat zurück­keh­ren. Mit die­ser Aus­beu­te steht Usbe­ki­stan mit gro­ßem Abstand auf dem ers­ten Platz des Medail­len­spie­gels. Welt­klas­se zeig­ten dabei vor allem die usbe­ki­schen Män­ner: Sie gewan­nen in 5 der 7 männ­li­chen Gewichts­klas­sen Gold. Die usbe­ki­schen Frau­en schaff­ten es hin­ge­gen zu kei­nen Medaillenerfolgen.

Chi­na folgt im Medail­len­spie­gel mit 3 Gold­me­dail­len auf dem zwei­ten Platz. Die Volks­re­pu­blik hat­te 6 Frau­en und 2 Män­ner nach Paris ent­sen­det. Medail­len hol­ten im chi­ne­si­schen Team nur die Frau­en: Neben den 3 Gold­me­dail­len muss­ten noch 2 Sil­ber­me­dail­len im Rei­se­ge­päck ver­staut werden.

Jeweils eine Gold­me­dail­le erran­gen Tai­wan (Platz 3 im Medail­len­spie­gel), Kuba (Platz 4 im Medail­len­spie­gel), Alge­ri­en, Irland, und die Ukrai­ne (alle Platz 5 im Medaillenspiegel).

Eini­ge Natio­nen wer­den mit ihrem sport­li­chen Erfolg wohl nicht zufrie­den sein:

  • Kuba
    Kuba hol­te ins­ge­samt nur 2 Medail­len (1 x Gold, 1 x Bron­ze). Für kuba­ni­sche Ansprü­che ist das sicher­lich zu wenig. Zum Ver­gleich: 2021 in Tokyo kehr­ten die Kuba­ner mit 4 Gold­me­dail­len und 1 Bron­ze­me­dail­le in die Kari­bik zurück. Kuba trat in Paris aus­schließ­lich mit Män­nern an. Das Frau­en­bo­xen ist in Kuba inzwi­schen zwar (end­lich) erlaubt, aber kuba­ni­schen Boxe­rin­nen gelang es nicht, sich für die Spie­le qua­li­fi­zie­ren. Offen­bar fehlt es hier noch an inter­na­tio­na­lem Spit­zen­ni­veau. Zwar war Kuba auch 2021 in Tokyo nur mit Män­nern ver­tre­ten, aber im Gegen­satz zu Paris reich­te damals die sport­li­che Qua­li­tät des Teams aus, trotz der Abwe­sen­heit von Frau­en den ers­ten Platz im Medail­len­spie­gel zu erkämp­fen. Ein Erfolg, der 2024 den Usbe­ken gelang. Auch wenn die Kuba­ner für ihre Ver­hält­nis­se wenig Medail­len erran­gen: Im Tur­nier erran­gen sie den­noch eini­ge Sie­ge: Von 12 Kämp­fen ver­lo­ren sie nur 4. Das ver­schafft ihnen gute Ergeb­nis­se in der Natio­nen­wer­tung in den Aus­wer­tungs­ka­te­go­rien »Kämp­fe je Boxer« (2,4) und »Punk­te je Boxer« (2,2).
  • Irland
    Irland hat­te 10 Teil­neh­men­de nach Paris ent­sen­den kön­nen (6 Frau­en und 4 Män­ner). Doch die Erfol­ge in den Qua­li­fi­ka­ti­ons­wett­be­wer­ben soll­ten sich in Paris nicht fort­set­zen: Von den 14 Kämp­fen des iri­schen Teams gin­gen 9 ver­lo­ren. Die meis­ten schie­den in der ers­ten Tur­nier­run­de aus. Bei den Män­nern gelang ein­zig Jack Mar­ley im Schwer­ge­wicht ein Sieg. Die ande­ren 4 Sie­ge des Teams gin­gen ein­zig auf das Kon­to der Gold­me­dail­len­ge­win­ne­rin Kel­lie Har­ring­ton. Ohne die­se Gold­me­dail­le in der Gewichts­klas­se bis 60 kg wäre die Bilanz des iri­schen Teams auch for­mal desas­trös gewe­sen. Die schlech­te Gesamt­leis­tung spie­gelt sich in schlech­ten Wer­ten der Natio­nen­wer­tung wider: Die Gold­me­dail­le ist zum gro­ßen Teil für die 8 Punk­te ver­ant­wort­lich, die Irland hier immer­hin noch einen 8. Platz sichern, aber mit 1,4 Kämp­fen je Boxer und 0,8 Punk­ten je Boxer liegt Irland in die­sen Aus­wer­tungs­ka­te­go­rien weit abgeschlagen.
  • Bra­si­li­en
    Auch Bra­si­li­en dürf­te mit nur 1 Bron­ze­me­dail­le hin­ter den eige­nen Erwar­tun­gen zurück­ge­blie­ben sein. Die Bra­si­lia­ner hat­ten eben­so wie Irland 10 Per­so­nen für Paris qua­li­fi­zie­ren kön­nen (5 Frau­en und 5 Män­ner). Von 15 Kämp­fen gin­gen jedoch 10 ver­lo­ren. 7 Athlet*innen schie­den bereits in ihren Auf­takt­kämp­fen aus dem Tur­nier aus. Eine Ehren­ret­tung des Teams gelang Bar­ba­ra Dos San­tos, die in der Gewichts­klas­se bis 60 kg im Halb­fi­na­le zwar der Irin Kel­lie Har­ring­ton unter­lag, aber damit die Bron­ze­me­dail­le gewann. 5 Punk­te in der Natio­nen­wer­tung (20. Platz) und 0,5 Punk­te je Boxer und 1,5 Kämp­fe je Boxer unter­strei­chen das wenig zufrie­den­stel­len­de Gesamt­ergeb­nis der Südamerikaner.
  • Kasach­stan
    Bei Kasach­stan liegt es ähn­lich wie bei Bra­si­li­en: 7 Boxer und 3 Boxe­rin­nen aus der zen­tral­asia­ti­schen Repu­blik waren an der Sei­ne in das Ren­nen um Medail­len ein­ge­stie­gen, aber am Ende gab es nur ein­mal Sil­ber und ein­mal Bron­ze. Auch das hat­te man in Kasach­stan wahr­schein­lich anders erwar­tet. Ande­rer­seits war man aber viel­leicht schon ein wenig vor­ge­warnt gewe­sen, dass es 2024 in Paris nicht leicht wer­den wür­de, denn beim asia­ti­schen Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nier im Herbst 2023 in Hang­zhou (Chi­na) gelang näm­lich nur einem Boxer und eine Boxe­rin aus Kasach­stan die Qua­li­fi­ka­ti­on. Alle ande­ren 8 Teil­neh­men­den muss­ten die zwei­te, gemein­hin als etwas leich­ter ein­ge­schätz­te Chan­ce der bei­den Welt­qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nie­re nut­zen, um in Paris star­ten zu kön­nen. Im Medail­len­spie­gel sorg­ten die zwei Medail­len immer­hin noch für einen 10. Platz. In der Natio­nen­wer­tung lan­de­ten die Kasa­chen sogar auf dem 7. Platz, aber man muss hier den Abstand zu Natio­nen im Auge behal­ten, die Kasach­stan als Mit­be­wer­ber auf­ge­fasst haben wird. Kasach­stan erziel­te in der Punkt­wer­tung 11 Punk­te (Usbe­ki­stan 40). Bei den Wer­tung »Kämp­fe je Boxer« erziel­te Kasach­stan 2,0 (Usbe­ki­stan 2,8). In der Kate­go­rie »Punk­te je Boxer« schla­gen die Medail­len­ge­win­ne Usbe­ki­stans merk­lich durch: Kasach­stan erzielt hier 1,1 Punk­te (Usbe­ki­stan 3,6).
  • Unzu­frie­den wird man auch in Groß­bri­tan­ni­en (6 Teil­neh­men­de, 1 x Bron­ze) und erst recht in Ita­li­en (8 Teil­neh­men­de, kei­ne Medail­le) gewe­sen sein. 

Das Abschnei­den Deutschlands

Beim kon­ti­nen­ta­len Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nier im Som­mer 2023 in Polen (der ers­ten Mög­lich­keit, sich für Paris zu qua­li­fi­zie­ren) ver­gli­chen sich die 5 Boxe­rin­nen und 7 Boxer des DBV in ins­ge­samt 20 Kämp­fen mit ihren euro­päi­schen Konkurrent*innen. Sie erran­gen 11 Sie­ge und muss­ten 9 Nie­der­la­gen hin­neh­men. Trotz zwei­er drit­ter Plät­ze gelang beim öst­li­chen Nach­barn im Wett­be­werb der euro­päi­schen Natio­nen kei­ne Qualifikation.

So soll­te es für die Boxe­rin­nen und Boxer des DBV ganz auf die bei­den Welt­qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nie­re 2024 in Ita­li­en und Thai­land ankom­men. Beim ers­ten der bei­den Welt­qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nie­re in Ita­li­en nah­men 6 Boxer und 5 Boxe­rin­nen des DBV am Wett­be­werb teil. Das Team bestritt in Bus­to Arsi­zio (Nord­ita­li­en) ins­ge­samt 22 Kämp­fe, von denen 13 gewon­nen wer­den konn­ten und 9 mit Nie­der­la­gen ende­ten. Mit Vier­tel­fi­nal­sie­gen gelang schließ­lich Nel­vie Tia­fack (+92 kg) und Maxi Klöt­zer (-50 kg) der Sprung nach Paris. 

In Thai­land tra­ten schließ­lich noch ein­mal 6 deut­sche Boxer und 5 deut­sche Boxe­rin­nen um die aller­letz­ten frei­en Start­plät­ze des olym­pi­schen Tur­niers an. 18 Kämp­fe absol­vier­te die Mann­schaft in Bang­kok, in denen 8 Sie­ge gelan­gen, aber auch 10 Nie­der­la­gen hin­ge­nom­men wer­den muss­ten. Eine Qua­li­fi­ka­ti­on wei­te­rer Ath­le­ten oder Ath­le­ten gelang in Asi­en damit nicht mehr.

Dia­gramm oben: Abneh­men­de Ten­denz: 1992 pro­fi­tier­te das wie­der­ver­ei­nig­te Deutsch­land von der box­sport­li­chen Qua­li­tät des DDR-Boxens und hat­te 12 Ath­le­ten im Tur­nier. Mit 2 Gold- und jeweils einer Sil­ber- und Bron­ze­me­dail­le beleg­te die Bun­des­re­pu­blik damals nach Kuba (7 Gold­me­dail­len) den zwei­ten Platz im Medail­len­spie­gel. Seit­dem ver­lor die Bun­des­re­pu­blik (mit Aus­nah­me Rio 2016) im olym­pi­schen Box­tur­nier kon­ti­nu­ier­lich an Boden. Um ein Haar wären es in Paris auch nur 2 Teil­neh­mer gewesen.

So hat­te es erst ein­mal ganz danach aus­ge­se­hen, dass Deutsch­land in Paris mit einem nur zwei­köp­fi­gen Team star­ten wür­de (1 Boxer, 1 Boxe­rin). Ein Tief­punkt, wenn es dabei geblie­ben wäre. Doch unmit­tel­bar vor dem Beginn der Olym­pi­schen Spie­le fiel den Deut­schen durch den ein­gangs bereits erwähn­ten Doping­ver­stoß gänz­lich uner­war­tet in der Gewichts­klas­se bis 71 kg noch ein wei­ter Start­platz zu: Als Nach­rü­cker konn­te Mago­med Schach­idov nach Paris rei­sen. Völ­lig legal und legi­tim, aber es bleibt eben ein nicht ganz gewöhn­li­cher Weg zu den Olym­pi­schen Spielen.

Das sol­cher­ma­ßen auf drei Per­so­nen ange­wach­se­ne deut­sche Team bestritt im Rah­men des olym­pi­schen Box­tur­niers ins­ge­samt 5 Kämp­fe, von denen 3 ver­lo­ren gin­gen und 2 gewon­nen wur­den. Maxi Klöt­zer (-50 kg) und Mago­med Schach­idov (-71 kg) ver­lo­ren bereits in ihren Auf­takt­kämp­fen, wäh­rend hin­ge­gen Nel­vie Tia­fack (+92 kg) im Ach­tel- und Vier­tel­fi­na­le sei­ne Geg­ner aus­schal­ten konn­te und erst im Halb­fi­na­le gegen den favo­ri­sier­ten Usbe­ken und spä­te­ren Gold­me­dail­len­ge­win­ner Bak­ho­dir Jalo­lov unter­lag. Mit dem Errei­chen des Halb­fi­nals hat­te er die Bron­ze­me­dail­le sicher.

Im Medail­len­spie­gel des olym­pi­schen Box­tur­niers teilt sich Deutsch­land damit den 20. Platz mit Bra­si­li­en, Bul­ga­ri­en, Kana­da, den Kap­ver­den, Groß­bri­tan­ni­en, Geor­gi­en, Süd­ko­rea, Nord­ko­rea, Thai­land, Tadschi­ki­stan und den USA. 

Sicher­lich: Eine Rei­he der oben genann­ten Natio­nen haben ihre ein­zi­ge Bron­ze­me­dail­le nur mit einem erheb­lich grö­ße­ren Per­so­nal­ein­satz erreicht als Deutsch­land. So star­te­te Bra­si­li­en (wie bereits erwähnt) mit 10 Teil­neh­men­den in den Wett­be­werb. Die USA schick­ten immer­hin acht Boxe­rin­nen und Boxer ins Ren­nen, die Bri­ten sechs. Man könn­te das Abschnei­den des deut­schen Teams aus die­ser Per­spek­ti­ve also viel­leicht als effi­zi­ent bezeichnen. 

Die­se Les­art erscheint indes gewagt, denn sie blen­det aus, dass das Abschnei­den bei den vor­ge­schal­te­ten Qua­li­fi­ka­ti­ons­wett­be­wer­ben eben­falls als Leis­tungs­nach­weis inter­pre­tiert wer­den kann. In die­sen Tur­nie­ren, die für sich genom­men die sport­li­che Bedeu­tung einer Kon­ti­nen­tal­meis­ter­schaft haben, konn­te sich Deutsch­land auf dem Weg des nor­ma­len sport­li­chen Ver­gleichs zunächst ledig­lich 2 Start­plät­ze sichern. Und die­se auch nicht im direk­ten Ver­gleich mit der kon­ti­nen­ta­len Kon­kur­renz, son­dern eben erst auf bei der zwei­ten Chan­ce des ers­ten Welt­qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­niers. Dar­in mag man einen gewis­sen Hin­weis auf den aktu­el­len Leis­tungs­stand sehen.

Der Gewinn der Bron­ze­me­dail­le ver­schafft dem olym­pi­schen Box­sport in Deutsch­land eine klei­ne Atem­pau­se. Der Deut­sche Box­sport-Ver­band hat sei­nen Bei­trag zur Medail­len­bi­lanz des gesam­ten deut­schen Teams geleis­tet. Das kann nicht jede Sport­art von sich behaup­ten. In den Gesprä­chen mit den insti­tu­tio­nel­len Part­nern und Geld­ge­bern des Sports ist das ein Argument.

So wich­tig die Medail­le daher auch ist: Man soll­te sich jedoch hüten, sie als Zei­chen einer Trend­wen­de zu inter­pre­tie­ren. Das wäre sie viel­leicht, wenn der Erfolg aus einer brei­te­ren Basis erwach­sen wäre, sich also z.B. mehr Boxe­rin­nen und Boxer über­haupt hät­ten qua­li­fi­zie­ren können.

Nel­vie Tia­fack gewann in Paris im Super­schwer­ge­wicht die Bron­ze­me­dail­le. Für den Deut­schen Box­sport-Ver­band bedeu­tet sein Erfolg eine Atempause.

Ohne Refor­men kein Erfolg

Eine ehr­li­che Suche nach einem Weg aus der Tal­soh­le wird vie­le Punk­te auf den Prüf­stand stel­len müs­sen. Einen sicher­lich sehr zen­tra­len Punkt scheint der Deut­sche Box­sport-Ver­band aller­dings iden­ti­fi­ziert zu haben und nun anzugehen: 

Auf dem DBV-Kon­gress im Novem­ber beschloss er eine wei­te­re Zen­tra­li­sie­rung der Trai­nings­struk­tu­ren für den Leis­tungs­sport. In der Tat scheint die Ver­tei­lung der Talen­te auf sechs ver­schie­de­ne Bun­des­stütz­punk­te eher föde­ra­len Struk­tu­ren geschul­det, denn aus sport­fach­li­chen Erwä­gun­gen her­aus erklär­bar zu sein.

Schließ­lich trai­niert ein Fuß­ball­bun­des­li­gist sei­ne Mann­schaft auch nicht in Deutsch­land ver­teilt in meh­re­ren Trai­nings­zen­tren. Sicher­lich: Der Ver­gleich hat sei­ne Gren­zen bei den Unter­schie­den zwi­schen einem Indi­vi­du­al­sport wie Boxen und einem Mann­schafts­sport wie Fuß­ball. Gleich­wohl erscheint er nicht völ­lig aus der Luft gegrif­fen, da es hier wie dort um die Ent­wick­lung, Umset­zung und Ein­hal­tung trai­nings­me­tho­di­scher Grund­sät­ze gehen muss.

Ein wei­te­rer Punkt dürf­te die Aus­bil­dung der Trainer*innen sein. Sie ist in der wich­ti­gen Ein­stiegs­stu­fe (C‑Lizenz) den Lan­des­ver­bän­den über­tra­gen – und kann daher fach­lich mit­un­ter sehr unter­schied­li­che Aus­prä­gun­gen und Schwer­punk­te haben. 

Aber auch hier deu­ten sich Ände­run­gen an. Die Lan­des­ver­bän­de dür­fen seit eini­ger Zeit nur noch die »C‑Lizenz (Brei­ten­sport)« ver­ge­ben (mit der aller­dings eine ver­ant­wort­li­che Tätig­keit am Ring schon erlaubt ist). Die Aus­bil­dung zur »C‑Lizenz (Leis­tungs­sport)« hat der DBV hin­ge­gen an sich gezo­gen – ähn­lich wie schon seit jeher die B- und die A‑Lizenzen im Ver­ant­wor­tungs­be­reich des DBV liegen. 

An der Basis wur­de dies oft als »Geld­ma­che­rei« kri­ti­siert. Doch das greift zu kurz: Gera­de an der sport­li­chen Basis müss­ten wohl Hebel ange­setzt wer­den, wenn Erfol­ge an der Spit­ze nicht über­pro­por­tio­nal von indi­vi­du­ell star­ken Leis­tun­gen abhän­gen sol­len. Denn schließ­lich wird der Erfolg auf inter­na­tio­na­lem Niveau umso wahr­schein­li­cher, je höher das boxe­ri­sche Niveau auch in der Brei­te ist. Um das box­sport­li­che Niveau aber heben zu kön­nen, wer­den Inter­ven­tio­nen unver­meid­bar sein.

Natür­lich: Vor allem an der Basis geschieht vie­les im Ehren­amt. Das wirft die Fra­ge auf, ob man aus­ge­rech­net jene, die über­haupt noch zur Über­nah­me eines Ehren­am­tes bereit sind, auch noch mit stei­gen­den Ansprü­chen kon­fron­tie­ren darf. Ris­kiert man damit nicht viel­mehr, dass sie dem Box­sport den Rücken zukeh­ren? – So käme es viel­leicht auch tat­säch­lich, wenn man nicht zugleich dafür sorgt, dass die höher gesetz­ten Hür­den auch genom­men wer­den können. 

Schließ­lich gilt immer noch: Men­schen freu­en sich zwar über ein Geschenk, stolz sind sie aber auf das, was sie mit Ein­satz geleis­tet und geschafft haben. Dar­in steckt ein Poten­zi­al zur Moti­va­ti­on, das zu nut­zen loh­nens­wert sein dürf­te. Dazu kommt: Erst der erbrach­te Ein­satz ist Nach­weis und Aus­druck einer intrin­sisch moti­vier­ten Leis­tungs­be­reit­schaft, die auf eine sys­te­ma­tisch und lang­fris­tig ver­bes­ser­te Qua­li­tät in der spä­te­ren Arbeit der Trai­ne­rin­nen und Trai­ner hof­fen las­sen darf.

Die Spon­so­ren der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli: